138 III 565
83. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. M. gegen V. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_303/2012 vom 30. August 2012
Regeste (de):
- Berufung gegen Entscheide über die Zuteilung der Obhut über die Kinder im Rahmen von Eheschutzmassnahmen bzw. vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens; Aufschub der Vollstreckung des angefochtenen erstinstanzlichen Entscheids (Art. 315 Abs. 5
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 315 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge.
1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. 2 Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an. 3 Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden. 4 Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über: a das Gegendarstellungsrecht; b vorsorgliche Massnahmen. 5 Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. - Grundsätze für die Behandlung des Gesuchs um Aufschub der Vollstreckung eines die Obhut regelnden erstinstanzlichen Massnahmeentscheides (E. 4.3).
Regeste (fr):
- Appel contre des décisions ayant pour objet l'attribution de la garde des enfants dans le cadre de mesures protectrices de l'union conjugale, respectivement de mesures provisionnelles, pour la durée de la procédure de divorce; suspension de l'exécution de la décision de première instance attaquée (art. 315 al. 5 CPC).
- Principes applicables à l'examen d'une requête de suspension de l'exécution d'une décision de première instance réglant l'attribution de la garde (consid. 4.3).
Regesto (it):
- Appello contro decisioni relative all'attribuzione della custodia dei figli nel quadro di misure a tutela dell'unione coniugale rispettivamente di provvedimenti cautelari per la durata della procedura di divorzio; sospensione dell'esecuzione della decisione di prima istanza impugnata (art. 315 cpv. 5 CPC).
- Principi applicabili all'esame dell'istanza di sospensione dell'esecuzione di un provvedimento cautelare di prima istanza che disciplina l'attribuzione della custodia (consid. 4.3).
Sachverhalt ab Seite 565
BGE 138 III 565 S. 565
A. M. (Mutter) und V. (Vater) sind die Eltern von T. (26. Dezember 2005) und S. (4. Mai 2007). Während der Ehe wurden die Kinder zur Hauptsache vom Vater betreut. Die Mutter verliess zusammen mit den beiden Kindern die eheliche Wohnung und reichte später beim Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Uster ein Begehren um Erlass von Eheschutzmassnahmen und Anordnung vorsorglicher Massnahmen ein. Die angerufene Instanz stellte die beiden Kinder für die Dauer des Getrenntlebens unter die Obhut des Vaters.
B. Die Mutter gelangte gegen diesen Entscheid mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich mit dem Begehren um Zuteilung der Obhut über die Kinder. Des Weiteren ersuchte sie darum, der Berufung aufschiebende Wirkung zu erteilen, soweit ihr diese nicht von
BGE 138 III 565 S. 566
Gesetzes wegen zukomme. Dieses Gesuch wies der Präsident des Obergerichts mit Verfügung vom 26. März 2012 ab.
C. Die Mutter (Beschwerdeführerin) hat beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt, die Verfügung vom 26. März 2012 aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Massnahmenurteil aufschiebende Wirkung zu gewähren. V. (Beschwerdegegner) schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.3 Die Beschwerdeführerin macht des Weiteren geltend, die Vorinstanz habe entgegen dem Wortlaut von Art. 315 Abs. 5
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 315 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
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1 | Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an. |
3 | Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden. |
4 | Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über: |
a | das Gegendarstellungsrecht; |
b | vorsorgliche Massnahmen. |
5 | Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. |
4.3.1 Gemäss Art. 315 Abs. 4 lit. b
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 315 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
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1 | Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an. |
3 | Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden. |
4 | Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über: |
a | das Gegendarstellungsrecht; |
b | vorsorgliche Massnahmen. |
5 | Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 315 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
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1 | Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an. |
3 | Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden. |
4 | Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über: |
a | das Gegendarstellungsrecht; |
b | vorsorgliche Massnahmen. |
5 | Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. |
4.3.2 Davon ausgehend, dass bei Fragen der Obhut kurzfristige oder häufige Veränderungen das Wohl des Kindes zu beeinträchtigen vermögen, hat sich das mit einem Gesuch um Aufschub der Vollstreckung eines die Obhut regelnden vorsorglichen Massnahmenentscheids befasste Gericht (Art. 315 Abs. 5
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 315 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
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1 | Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an. |
3 | Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden. |
4 | Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über: |
a | das Gegendarstellungsrecht; |
b | vorsorgliche Massnahmen. |
5 | Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. |
BGE 138 III 565 S. 567
Anlass zum Massnahmeverfahren gegeben haben, hauptsächlich um das Kind gekümmert hat, ist der Berufung des anderen Elternteils die aufschiebende Wirkung in der Regel zu verweigern. Vorbehalten bleiben wichtige Gründe, namentlich wenn die Vollstreckung des erstinstanzlichen Entscheids das Kindeswohl unmittelbar gefährdet, was vom Gesuchsteller darzutun ist, und der Entscheid als solcher offensichtlich unhaltbar erscheint. Anders verhält es sich, wenn der erstinstanzliche Massnahmerichter in Abweichung der bisherigen hauptsächlichen Betreuung des Kindes durch einen Elternteil die Obhut dem andern zuweist. Bei dieser Ausgangslage gebietet im Zweifel das Wohl des Kindes, den bisherigen Zustand aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen und das Kind vorerst bei der bisherigen Hauptbezugsperson zu belassen. Daher ist dem Gesuch um aufschiebende Wirkung der Berufung desjenigen Elternteils, der bisher Hauptbezugsperson war, in der Regel stattzugeben. Hingegen soll der Vollzug des erstinstanzlichen Urteils nicht aufgeschoben werden, wenn die Berufung von vornherein als unzulässig oder in der Sache selbst als offensichtlich unbegründet erscheint (vgl. dazu Urteil 5A_194/2012 vom 8. Mai 2012 E. 5.1.3); demgegenüber würde nicht genügen, die aufschiebende Wirkung mit der Begründung zu verweigern, der angefochtene Entscheid erscheine nicht unhaltbar.
4.3.3 Wie sich aus den Feststellungen des angefochtenen Entscheids ergibt, hat sich der Beschwerdegegner vor der Trennung zur Hauptsache um die Betreuung der Kinder gekümmert, während die Beschwerdeführerin einer ausserhäuslichen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Beschwerdeführerin hat am 19. September 2011 die eheliche Wohnung zusammen mit den Kindern verlassen und im Oktober 2011 ein Massnahmeverfahren eingeleitet. Mithin hat der erstinstanzliche Massnahmerichter die Obhut der vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes in der Ehe geübten Rollenteilung entsprechend dem Beschwerdegegner zugewiesen. Gründe, weshalb der erstinstanzliche Entscheid offensichtlich unhaltbar erscheinen musste, hat die Beschwerdeführerin nicht darzutun vermocht; blosse und zudem erstmals vor der Berufungsinstanz vorgetragene und nicht weiter dokumentierte Behauptungen hinsichtlich der Gefährdung des Kindeswohls genügen nicht, um von den soeben aufgezeigten Grundsätzen abzuweichen. Daher erweist sich die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall jedenfalls im Ergebnis nicht als willkürlich; eine Verletzung von Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |