Urteilskopf

137 III 593

90. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Kanton St. Gallen gegen Kanton Thurgau (Klage) 5E_1/2011 vom 24. Oktober 2011

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 594

BGE 137 III 593 S. 594

Mit Eingabe vom 7. Juni 2011 stellt der Kanton St. Gallen (Kläger) dem Bundesgericht das Rechtsbegehren, es sei der Kanton Thurgau zu verpflichten, die im Kanton St. Gallen durch die Vormundschaftsbehörde S. SG geführte Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft (Art. 392 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
und Art. 393 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB) für X. zur Weiterführung durch die Vormundschaftsbehörde T. TG zu übernehmen. In seiner Klageantwort vom 16. August 2011 schliesst der Kanton Thurgau (Beklagter) auf Abweisung der Klage. Das Bundesgericht heisst die Klage gut und verpflichtet den Beklagten, die Übernahme und Weiterführung der von der Vormundschaftsbehörde S. SG errichteten und bisher geführten Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft (Art. 392 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
und Art. 393 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB) für X. durch die Vormundschaftsbehörde T. TG zu veranlassen. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Erwägungen:

1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 29 Prüfung - 1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.
1    Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.
2    Bestehen Zweifel, ob das Bundesgericht oder eine andere Behörde zuständig ist, so führt das Gericht mit dieser Behörde einen Meinungsaustausch.
BGG).
1.1 Die Zuständigkeitsvorschriften des Vormundschaftsrechts (hier: Art. 396
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB) gehören formell zum Privatrecht, sind materiell aber öffentlich-rechtlicher Natur. Auf staatsrechtliche Klage hin hat das Bundesgericht unter Herrschaft des Bundesrechtspflegegesetzes von 1943 (OG; BS 3 531) über Zuständigkeitsfragen in Vormundschaftssachen zwischen Kantonen entschieden (vgl. BGE 129 I 419 E. 1 S. 421; BGE 131 I 266 E. 2.1 S. 267 f.) und namentlich Streitigkeiten - wie die vorliegende - über die interkantonale Zuständigkeit zur Weiterführung einer Beistandschaft, wenn die verbeiständete Person ihren Wohnsitz wechselt, beurteilt (vgl. Urteil 1P.867/2005 vom 4. April
BGE 137 III 593 S. 595

2006 E. 1, in: Pra 95/2006 Nr. 91 S. 651 f.). Seit Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 beurteilt das Bundesgericht Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen (Art. 189 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 189 Zuständigkeiten des Bundesgerichts - 1 Das Bundesgericht beurteilt Streitigkeiten wegen Verletzung:
1    Das Bundesgericht beurteilt Streitigkeiten wegen Verletzung:
a  von Bundesrecht;
b  von Völkerrecht;
c  von interkantonalem Recht;
d  von kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
e  der Gemeindeautonomie und anderer Garantien der Kantone zu Gunsten von öffentlich-rechtlichen Körperschaften;
f  von eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die politischen Rechte.
1bis    ...136
2    Es beurteilt Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen.
3    Das Gesetz kann weitere Zuständigkeiten des Bundesgerichts begründen.
4    Akte der Bundesversammlung und des Bundesrates können beim Bundesgericht nicht angefochten werden. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.
BV) auf Klage gemäss Art. 120
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 120 - 1 Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
1    Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
a  Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden;
b  zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen;
c  Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a-cbis des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958103.
2    Die Klage ist unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz eine Behörde zum Erlass einer Verfügung über solche Streitigkeiten ermächtigt. Gegen die Verfügung ist letztinstanzlich die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig.
3    Das Klageverfahren richtet sich nach dem BZP104.
BGG hin, die die bisherige staatsrechtliche Klage ersetzt hat (vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4202, 4351 f. Ziff. 4.1.5). Die Frage der interkantonalen Zuständigkeit für die Weiterführung einer Beistandschaft kann dem Bundesgericht somit weiterhin auf dem Klageweg unterbreitet werden (Art. 120 Abs. 1 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 120 - 1 Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
1    Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
a  Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden;
b  zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen;
c  Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a-cbis des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958103.
2    Die Klage ist unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz eine Behörde zum Erlass einer Verfügung über solche Streitigkeiten ermächtigt. Gegen die Verfügung ist letztinstanzlich die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig.
3    Das Klageverfahren richtet sich nach dem BZP104.
BGG).
1.2 Die Klage ist gemäss Art. 120 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 120 - 1 Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
1    Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
a  Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden;
b  zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen;
c  Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a-cbis des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958103.
2    Die Klage ist unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz eine Behörde zum Erlass einer Verfügung über solche Streitigkeiten ermächtigt. Gegen die Verfügung ist letztinstanzlich die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig.
3    Das Klageverfahren richtet sich nach dem BZP104.
BGG unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz eine Behörde zum Erlass einer Verfügung über solche Streitigkeiten ermächtigt. Ein derartiges Bundesgesetz besteht derzeit für Fragen der interkantonalen Zuständigkeit in Vormundschaftssachen nicht. Die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 19. Dezember 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) wird erst auf den 1. Januar 2013 in Kraft treten (AS 2011 725, 767). Nicht anwendbar ist deshalb im vorliegenden Fall die neue Regelung über die Prüfung der Zuständigkeit gemäss Art. 444
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 444 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen.
2    Hält sie sich nicht für zuständig, so überweist sie die Sache unverzüglich der Behörde, die sie als zuständig erachtet.
3    Zweifelt sie an ihrer Zuständigkeit, so pflegt sie einen Meinungsaustausch mit der Behörde, deren Zuständigkeit in Frage kommt.
4    Kann im Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden, so unterbreitet die zuerst befasste Behörde die Frage ihrer Zuständigkeit der gerichtlichen Beschwerdeinstanz.
ZGB (AS 2011 749). Laut Botschaft sollen danach interkantonale Zuständigkeitskonflikte nicht mehr auf dem Klageweg dem Bundesgericht, sondern der kantonalen gerichtlichen Beschwerdeinstanz unterbreitet werden, deren Entscheid wiederum mit Beschwerde in Zivilsachen vor Bundesgericht angefochten werden kann (vgl. Botschaft, BBl 2006 7001, 7076 f. zu Art. 444
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 444 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen.
2    Hält sie sich nicht für zuständig, so überweist sie die Sache unverzüglich der Behörde, die sie als zuständig erachtet.
3    Zweifelt sie an ihrer Zuständigkeit, so pflegt sie einen Meinungsaustausch mit der Behörde, deren Zuständigkeit in Frage kommt.
4    Kann im Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden, so unterbreitet die zuerst befasste Behörde die Frage ihrer Zuständigkeit der gerichtlichen Beschwerdeinstanz.
).
1.3 Gemäss Art. 120 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 120 - 1 Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
1    Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
a  Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden;
b  zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen;
c  Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a-cbis des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958103.
2    Die Klage ist unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz eine Behörde zum Erlass einer Verfügung über solche Streitigkeiten ermächtigt. Gegen die Verfügung ist letztinstanzlich die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig.
3    Das Klageverfahren richtet sich nach dem BZP104.
BGG richtet sich das Klageverfahren nach dem Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess (BZP; SR 273). Der Instruktionsrichter leitet dabei den Schriftenwechsel und bereitet den Rechtsstreit für die Hauptverhandlung vor (Art. 5 Abs. 1
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 5 - 1 Ein Instruktionsrichter leitet den Schriftenwechsel und bereitet den Rechtsstreit für die Hauptverhandlung vor.
1    Ein Instruktionsrichter leitet den Schriftenwechsel und bereitet den Rechtsstreit für die Hauptverhandlung vor.
2    Er bestimmt die von den Parteien für Gerichtskosten und Entschädigungen zu leistenden Sicherstellungen und Vorschüsse nach den Artikeln 62 und 63 BGG9.10 Er entscheidet über die Gerichtskosten bei Streitbeendigung vor der Hauptverhandlung durch gerichtlichen Vergleich oder Abstand und bestimmt bei Abstand die Höhe der Parteientschädigung.
3    Zu Zeugeneinvernahmen, Augenschein und Parteiverhör ist ein zweiter Richter beizuziehen.
BZP). Auf seine Anfrage hin haben die Parteien sich zum in Aussicht gestellten Verfahrensablauf geäussert und insbesondere auf die Durchführung der in Art. 66 ff
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 66 - 1 Der Abschluss des Vorbereitungsverfahrens wird den Parteien mitgeteilt.
1    Der Abschluss des Vorbereitungsverfahrens wird den Parteien mitgeteilt.
2    Der Abteilungspräsident erlässt die Vorladungen zur Hauptverhandlung vor dem Gericht.
3    Artikel 34 Absatz 2 ist entsprechend anwendbar.
. BZP vorgesehenen mündlichen öffentlichen Verhandlung verzichtet. Der Verzicht ist zulässig (vgl. für den bisherigen Direktprozess: BGE 121 III 204 E. 1b S. 206). Das Bundesgericht entscheidet deshalb auf dem Weg der Aktenzirkulation, wenn sich Einstimmigkeit ergibt und eine mündliche Urteilsberatung weder durch die Abteilungspräsidentin angeordnet noch von einem Richter verlangt wird (Art. 1 Abs. 2
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt das Verfahren in den vom Bundesgericht als einziger Instanz auf Klage zu beurteilenden Streitsachen, die in Artikel 120 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20055 (BGG) angeführt sind.
1    Dieses Gesetz regelt das Verfahren in den vom Bundesgericht als einziger Instanz auf Klage zu beurteilenden Streitsachen, die in Artikel 120 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20055 (BGG) angeführt sind.
2    Es wird ergänzt durch die Vorschriften des ersten, zweiten und sechsten Kapitels des BGG, soweit die folgenden Bestimmungen nicht Abweichendes enthalten.
BZP i.V.m. Art. 58
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 58 Beratung - 1 Das Bundesgericht berät den Entscheid mündlich:
1    Das Bundesgericht berät den Entscheid mündlich:
a  wenn der Abteilungspräsident beziehungsweise die Abteilungspräsidentin dies anordnet oder ein Richter beziehungsweise eine Richterin es verlangt;
b  wenn sich keine Einstimmigkeit ergibt.
2    In den übrigen Fällen entscheidet das Bundesgericht auf dem Weg der Aktenzirkulation.
BGG). Die weiteren formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Auf die Klage kann danach eingetreten werden.
BGE 137 III 593 S. 596

2. In tatsächlicher Hinsicht ist unbestritten und ergibt sich auf Grund des Beweisverfahrens Folgendes:
2.1 X. wurde 1959 geboren. Sie leidet ihren Angaben zufolge an Weichteilrheuma und hat grosse motorische Probleme, die ihr die Erledigung ihrer persönlichen Angelegenheiten praktisch verunmöglichen. Als Folge davon fühlt sie sich massiv gestresst und unter Druck gesetzt, was zu psychischen Problemen geführt hat. Sie kann seit dem Jahre 2002 nicht mehr arbeiten und lebt von einer Invalidenrente und von Ergänzungsleistungen. "Weichteilrheumatismus" ist ein Sammelbegriff für nichtentzündliche, schmerzhafte und die Funktion beeinträchtigende Erkrankungen in den Weichteilen des Bewegungsapparates, oft einhergehend mit Schlafstörungen und depressiver Verstimmung. Möglichkeiten der Behandlung bestehen in intensivierter Physiotherapie und Psychotherapie sowie in der Abgabe von Analgetika und in kombinierter Schmerztherapie (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl. 2010, Stichwort "Weichteilrheumatismus").
2.2 Am 24. Februar 2005 trat X. in das Alters- und Pflegeheim P. in T. TG ein. Sie kündigte ihre Beschäftigung im "I." in St. Gallen von einem Tag in der Woche, um sich ganz auf das Einleben im Heim zu konzentrieren. Gemäss den Mitteilungen der Heimleitung lebte X. vor ihrem Eintritt in das Alters- und Pflegeheim P. zwei Monate im Altersheim A. und früher während mehreren Monaten in den Psychiatrischen Kliniken R. und S. SG. Ihre Wohnung an der L.strasse in S. SG gab X. per Ende März 2005 auf. Auf Antrag der Heimleitung errichtete die Vormundschaftsbehörde S. SG für X. am 7. April 2005 eine Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft nach Art. 392 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
und Art. 393 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB. Das Alters- und Pflegeheim P. hat X. gemäss Angaben ihres Beistandes mit Unterstützung ihres Bruders ausgewählt.
2.3 Das Alters- und Pflegeheim P. heisst richtig "P. Haus für Pflege und Betreuung" bzw. ab August 2009 "P. Raum für Pflege & Betreuung". Es ist kein gewöhnliches Alters- und Pflegeheim, sondern hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen aller Altersgruppen, mit verschiedenen Krankheitsbildern, sowie Menschen, die den Lebensabend verbringen, umfassend zu betreuen. Zwölf der insgesamt vierzig Heimplätze bilden den Bereich der Betreuung von erwachsenen Menschen mit einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung. Für diesen Behindertenbereich besteht ein eigenes Konzept.
BGE 137 III 593 S. 597

Danach wird die Betreuung erwachsener Menschen mit Behinderung, die noch nicht pensioniert sind, als weitgehend selbstständiger Bereich innerhalb des auf dem gleichen Areal liegenden "P. Haus für Pflege und Betreuung" geführt. Aufnahme finden Erwachsene mit psychischer, geistiger oder körperlicher Behinderung, sofern sie das Angebot nutzen und mindestens teilweise einer Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung nachgehen können. Menschen mit schweren Behinderungen, akut Suchtkranke und solche, die einen geschlossenen Raum benötigen, können nicht aufgenommen werden. Das Heim verfügt über Fachpersonal unter anderem aus den Bereichen der Sozialpädagogik, Psychiatriepflege und Behindertenbetreuung und über ein breites Angebot, das insbesondere eine Betreuung für eine möglichst selbstständige Lebensgestaltung, interne wie externe und auch geschützte Arbeitsplätze, ein Kunstatelier u.v.a.m. umfasst.
2.4 Gemäss den Berichten des Beistandes, der X. regelmässig alle vier bis sechs Wochen im Heim besucht hat, äussert sich X. zu Unterkunft und Betreuung durchwegs positiv. Sie lebt gerne im Heim, hat sich sehr gut eingelebt und ist beim Personal wie auch bei den Mitbewohnern geschätzt und integriert. Es macht ihr Freude, gibt ihr Befriedigung und fördert ihr Selbstvertrauen, dass sie im Malatelier dreimal wöchentlich arbeiten kann sowie den Mitbewohnern aus Büchern vorlesen und vor der Nachtruhe ein Lied singen darf. Sie macht ausserhalb des Heims Spaziergänge, erledigt kleine Besorgungen in Z. und besucht Verwandte und Bekannte in der Region. Ihr gesundheitlicher Zustand hat sich seit dem Heimeintritt insgesamt verbessert, doch bedarf sie intensiver Betreuung. Auf ihren eigenen Wunsch erledigt X. den Zahlungsverkehr selbstständig. Sie verfügt allein über die Vollmacht für ihre Post- und Bankkonten. Nach den Feststellungen des Beistandes kommt X. diesen Aufgaben zuverlässig nach. Sie steht auch persönlich mit den Sozialversicherungen in Kontakt. Für die Invalidenrente, die Ergänzungsleistungen und die Hilflosenentschädigung ist in allen Teilen die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau zuständig.
2.5 Weil X. im Heim gut integriert ist und - soweit es ihre Mobilität zulässt - an Anlässen der örtlichen Frauengruppe teilnimmt und Konzerte und Gottesdienste im Ort besucht, zu S. SG hingegen heute keine institutionellen oder emotionalen Bindungen mehr pflegt, hat der Beistand sie auf einen Wohnsitzwechsel nach T. TG angesprochen. Nach seiner Schilderung hat X. sehr erfreut reagiert. Sie
BGE 137 III 593 S. 598

hat sich am 19. November 2009 bei der Gemeinde T. TG angemeldet und die Ausweispapiere hinterlegt. Die Einwohnerkontrolle hat den Zuzug von S. SG registriert und den Schriften-Empfangsschein ausgestellt.
3. Die interkantonale Zuständigkeitsstreitigkeit steht vor folgendem rechtlichen Hintergrund:
3.1 Für die Bestimmung des Wohnsitzes im vorliegenden Fall ist zu beachten, (1.) dass sich der Wohnsitz einer Person an dem Orte befindet, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (Art. 23 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB), (2.) dass der einmal begründete Wohnsitz einer Person bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes bestehen bleibt (Abs. 24 Abs. 1 ZGB), (3.) dass eine verbeiständete Person im Erwerb eines neuen Wohnsitzes im Gegensatz zu einer bevormundeten Person nicht eingeschränkt ist (Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB, e contrario) und (4.) dass die Unterbringung einer Person in einer Anstalt keinen Wohnsitz begründet (Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB). Dass X. unter Beistandschaft steht, hat somit keinen Einfluss auf ihren Wohnsitz. Sie kann ihren Wohnsitz frei begründen und wechseln. Ihr Wohnsitz bestimmt sich primär nach Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
und 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB und subsidiär nach Art. 24
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB (vgl. SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, 1984, N. 41 zu Art. 376
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 376 - 1 Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
1    Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
2    Sind die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt, so entzieht die Erwachsenenschutzbehörde dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner auf Antrag einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen die Vertretungsbefugnisse teilweise oder ganz oder errichtet eine Beistandschaft.
und N. 57 zu Art. 396
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB; BGE 126 III 415 E. 2c S. 419).

3.2 Die Vertretung durch einen Beistand wird von der Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz der Person angeordnet, die der Beistandschaft bedarf (vgl. Art. 396 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB), während die Anordnung einer Vermögensverwaltung durch die Vormundschaftsbehörde des Ortes erfolgt, wo das Vermögen in seinem Hauptbestandteil verwaltet worden oder der zu vertretenden Person zugefallen ist (vgl. Art. 396 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB). Besteht - wie hier - eine sog. kombinierte Beistandschaft, ist für die Zuständigkeit im Einzelfall zu klären, ob die Massnahme mehr persönlichkeitsorientiert ist (Vertretung) oder das vermögensrechtliche Element (Verwaltung) im Vordergrund steht (vgl. SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 49 f., und GEISER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 7, je zu Art. 396
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB). Im Falle der kombinierten Beistandschaft über X. sind sich die Parteien einig, dass das Bedürfnis nach persönlicher Betreuung (vgl. Art. 392 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
ZGB) die Notwendigkeit des Vermögensschutzes (vgl. Art. 393 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB) überwiegt. Davon abzuweichen, besteht für das Bundesgericht auch auf Grund des Beweisverfahrens
BGE 137 III 593 S. 599

(vgl. E. 2.4 hiervor) kein Anlass. Die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde beurteilt sich deshalb nicht nach dem Ort der Vermögensverwaltung, sondern nach dem Wohnsitz von X.
3.3 Die für die Anordnung der Beistandschaft in Art. 396
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB getroffene Regelung ist auch für die Übertragung einer Beistandschaft zu berücksichtigen, soweit es sich um eine personenbezogene Beistandschaft handelt. Hat die verbeiständete Person an einem neuen Ort rechtlichen Wohnsitz begründet, besteht für die Vormundschaftsbehörden sowohl des ursprünglichen als auch des neuen Wohnsitzes das Recht bzw. die Pflicht eine auf Dauer angelegte, personenbezogene Beistandschaft abzugeben bzw. zu übernehmen (vgl. SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 58 f., und GEISER, a.a.O., N. 12, je zu Art. 396
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 396 - 1 Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
1    Eine Mitwirkungsbeistandschaft wird errichtet, wenn bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person zu deren Schutz der Zustimmung des Beistands oder der Beiständin bedürfen.
2    Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person wird von Gesetzes wegen entsprechend eingeschränkt.
ZGB). Entscheidend für die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde zur Weiterführung der Beistandschaft ist somit, ob X. mit ihrem Eintritt in das Alters- und Pflegeheim P. in T. TG einen neuen Wohnsitz in T. TG erworben hat (vgl. Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
und 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB) oder S. SG als ihr bisheriger Wohnsitz bestehen geblieben ist (vgl. Art. 24
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB).
3.4 Keinen Wohnsitz begründet gemäss Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs-, Versorgungs-, Heil- oder Strafanstalt. Als Anstalten im Gesetzessinne gelten öffentliche oder private Einrichtungen, die einem vorübergehenden Sonderzweck (z.B. Pflege, Heilung, Erziehung, Strafverbüssung, Kur, Ferien) und nicht dem allgemeinen Lebenszweck dienen. Es muss sich nicht um eine geschlossene Anstalt handeln (vgl. zum Begriff: BGE 127 V 237 E. 2b und E. 2c S. 239 ff.; DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 7, und EIGENMANN, in: Commentaire romand, Code civil, 2010, N. 2 ff., je zu Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB). Die Parteien sind sich darin einig, dass das Alters- und Pflegeheim P., in dem X. seit ihrem Eintritt am 24. Februar 2005 lebt, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Anstalt erfüllt. Davon abzuweichen, besteht für das Bundesgericht auch auf Grund des Beweisverfahrens kein Anlass. Ungeachtet der von den Parteien und hier verwendeten Bezeichnung handelt es sich beim Alters- und Pflegeheim P. nicht um ein gewöhnliches Altersheim, das auch Pflegedienstleistungen erbringt. Betreuung und Pflege bilden vielmehr einen eigenständigen Bereich und stehen für X. im Vordergrund (vgl. E. 2.3 hiervor). Die Sonderregelung über den "Aufenthalt in Anstalten" gemäss Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB ist auf die Bestimmung des Wohnsitzes von X. und damit für die Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörden zur (Weiter-)Führung der Beistandschaft anwendbar.
BGE 137 III 593 S. 600

3.5 Wer trotz Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB am Ort der Anstalt Wohnsitz erwerben will, muss freiwillig dorthin gegangen sein und in für Dritte erkennbarer Weise die Absicht bekundet haben, am entsprechenden Ort auf Dauer zu verweilen (vgl. Urteil 5C.16/2001 vom 5. Februar 2001 E. 4a, in: Pra 90/2001 Nr. 131 S. 787 f.; BGE 135 III 49 E. 6.2 S. 56; BGE 137 II 122 E. 3.6 S. 126 f.). Die Streitfrage lautet somit dahingehend, ob die unter Beistandschaft stehende X. freiwillig in das Alters- und Pflegeheim eingetreten ist und in T. TG ihren rechtlichen Wohnsitz begründet hat (so der Kläger) oder ob X. im Alters- und Pflegeheim untergebracht worden ist und in T. TG auch keinen rechtlichen Wohnsitz begründet hat (so der Beklagte).
4. Zum ersten Streitpunkt, ob X. im Alters- und Pflegeheim P. untergebracht wurde oder in das Alters- und Pflegeheim P. freiwillig eingetreten ist, ergibt sich Folgendes:
4.1 Die Rechtsprechung betrachtet als "Unterbringung in einer Anstalt" die Einweisung durch Dritte. Die betroffene Person tritt nicht aus eigenem Willen in die Anstalt ein. Eine Begründung des Wohnsitzes am Anstaltsort ist unter diesen Umständen regelmässig ausgeschlossen. Eine andere Sichtweise ist einzunehmen, wenn sich eine urteilsfähige mündige Person aus freien Stücken, d.h. freiwillig und selbstbestimmt zu einem Anstaltsaufenthalt unbeschränkter Dauer entschliesst und überdies die Anstalt und den Aufenthaltsort frei wählt. Sofern bei einem unter solchen Begleitumständen erfolgenden Anstaltseintritt der Lebensmittelpunkt in die Anstalt verlegt wird, wird am Anstaltsort ein neuer Wohnsitz begründet. Als freiwillig und selbstbestimmt hat der Anstaltseintritt auch dann zu gelten, wenn er vom "Zwang der Umstände" (etwa Angewiesensein auf Betreuung, finanzielle Gründe) diktiert wird (vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 133 V 309 E. 3.1 Abs. 2 S. 312 und BGE 134 V 236 E. 2.1 Abs. 2 S. 239 mit Hinweisen).
4.2 X. ist nicht nur mündig, sondern auch urteilsfähig. Letzteres ist unter den Parteien unbestritten und wird durch die Tätigkeitsberichte ihres Beistandes eindrücklich belegt (vgl. E. 2.4 hiervor). Davon abgesehen dürfen an die Urteilsfähigkeit im Bereich der Wohnsitzfrage keine strengen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGE 127 V 237 E. 2c S. 240; BGE 134 V 236 E. 2.1 Abs. 1 S. 239).
4.3 X. wurde bei der Auswahl des Heims von ihrem Bruder unterstützt (vgl. E. 2.2 hiervor). Der Beistand berichtet, dass X. "das Heim mit Unterstützung ihres Bruders B. ausgewählt" habe. Die
BGE 137 III 593 S. 601

Würdigung der Beweisurkunde durch den Beklagten, dass die Verbeiständete das Heim "mit Hilfe bzw. unter Einwirkung ihres Bruders ausgewählt hat", findet weder im Wortlaut des Schreibens noch in den übrigen Akten eine Grundlage und entspricht auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten auch nicht der Lebenserfahrung. Zum einen ist X. in einer Grossfamilie aufgewachsen. Sie hat vier Schwestern und drei Brüder, die allesamt in der näheren und weiteren Region "Ostschweiz" wohnhaft sind. In Anbetracht dessen überzeugt es wenig, dass der Heimeintritt "unter Einwirkung" eines Geschwisters allein hätte erfolgen können. Zum anderen hat die Heimleitung berichtet, dass X. zuvor in einem anderen Heim und in verschiedenen psychiatrischen Kliniken gelebt habe (vgl. E. 2.2 hiervor). Eine Versorgung durch den Bruder, wie sie der Beklagte antönt, wäre deshalb naheliegenderweise in eine dieser bereits bekannten Institutionen erfolgt und nicht in ein den Beteiligten fremdes Heim. Es ist insgesamt davon auszugehen, dass X. das Alters- und Pflegeheim P. "mit Unterstützung" bzw. "mit Hilfe" ihres Bruders ausgewählt hat. Blosse Unterstützung oder Hilfeleistung beeinträchtigt die Freiheit des Willensentschlusses nicht (vgl. BGE 127 V 237 E. 2c S. 241; BGE 134 V 236 E. 2.3 S. 240 f.).
4.4 Dass X. wegen ihrer Krankheit (vgl. E. 2.1) in einem dafür geeigneten Heim wie dem Alters- und Pflegeheim P. (vgl. E. 2.3) der intensiven Betreuung bedarf (vgl. E. 2.4 hiervor) und insoweit auf Grund der Umstände zu einem Heimeintritt gezwungen war, ist nicht streitig und durch das Beweisverfahren erstellt. Dieser "Zwang der Umstände" macht den Eintritt von X. in das Alters- und Pflegeheim indes weder unfreiwillig noch fremdbestimmt im Sinne der Rechtsprechung (E. 4.1 soeben). Die gegenteilige Auffassung des Beklagten stützt sich entweder auf kantonale Entscheide, die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweichen (z.B. Entscheide des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons St. Gallen, in: ZVW 52/1997 S. 97 ff., E. 2c S. 100, und 56/2001 S. 340 ff., E. 2c S. 342) oder eigentliche Sonderfälle betreffen. Es ist nämlich denkbar, dass ein Eintritt in eine spezialisierte Klinik nicht mehr als freiwillig und selbstbestimmt angesehen werden könnte, wenn die Patientin wegen ihres Leidens gezwungen ist, die Dienste gerade dieser Klinik in Anspruch zu nehmen; das Fehlen einer freien Anstaltswahl käme insofern einer "Unterbringung" gleich (so BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, 2000, S. 103 N. 360). Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben. Mit Blick auf das Leitbild
BGE 137 III 593 S. 602

und das Angebot des Alters- und Pflegeheims P. (vgl. E. 2.3 hiervor) kann nicht angenommen werden, X. sei in ihrer Wahl eingeschränkt gewesen und hätte kein ebenso geeignetes anderes Heim finden können.
4.5 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass der Eintritt von X. in das Alters- und Pflegeheim P. auf einem eigenen freien Willensentschluss im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beruht hat.
5. Der zweite Streitpunkt betrifft die Frage, ob X. am Anstaltsort in T. TG einen neuen Wohnsitz erworben hat oder ihr bisheriger Wohnsitz in S. SG bestehen geblieben ist.
5.1 Gemäss Art. 23 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB befindet sich der Wohnsitz einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Für die Begründung des Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale erfüllt sein: ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, welche Absicht objektiv erkennbar ist (vgl. zuletzt: BGE 137 II 122 E. 3.6 S. 126 f. mit Hinweisen). Eine Person hat ihren Lebensmittelpunkt dort, wo sich ihre Lebensinteressen nach den konkreten Umständen objektiv betrachtet konzentrieren (vgl. BGE 136 II 405 E. 4.3 S. 409 f.).

5.2 Seit ihrem Eintritt in das Alters- und Pflegeheim P. am 24. Februar 2005 lebt X. tatsächlich in T. TG. Indizien dafür, dass sie auf Dauer daselbst zu leben gewillt ist, ergeben sich daraus, dass sie ihre Beschäftigung im "I." in St. Gallen sofort und ihre bisherige Wohnung in S. SG ab März 2005 aufgegeben hat (vgl. E. 2.2 hiervor). Die vorausgesetzte Dauerhaftigkeit des Aufenthalts ist unwidersprochen erfüllt.
5.3 Das Beweisverfahren hat ausreichend Indizien dafür ergeben, dass X. den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Alters- und Pflegeheim P. gefunden hat und beibehalten will. Ungeachtet der Notwendigkeit der Betreuung hat sich X. im Heim gut integriert und ist allseits beliebt. Sie nimmt aktiv am Heimleben teil (z.B. Vorlesen, Singen u.ä.) und nutzt die Angebote des Heims (z.B. Arbeit im Malatelier). Nach der Wahrnehmung Dritter befindet sich ihr Lebensmittelpunkt im Alters- und Pflegeheim P. (vgl. E. 2.4 hiervor). Hinzu kommt, dass X. - soweit es ihre Mobilität zulässt (vgl. E. 2.1 hiervor) - an Anlässen der örtlichen Frauengruppe teilnimmt und Konzerte und Gottesdienste im Ort besucht (vgl. E. 2.5 hiervor).
BGE 137 III 593 S. 603

5.4 Der soeben geschilderte Sachverhalt über die Lebensverhältnisse von X. im Alters- und Pflegeheim P., aber auch im Anstaltsort T. TG selber bestreitet der Beklagte nicht. Er wendet sich gegen die Darstellung des Beistandes, dass X. zu S. SG heute keine institutionellen oder emotionalen Bindungen mehr pflegt. Er weist darauf hin, dass sie nach wie vor ihren Psychiater in St. Gallen habe. Beim zitierten Beleg handelt es sich um eine Schreibkarte mit dem Logo des Heims, mit der die Sachbearbeiterin den Beklagten für den offenbar nachgefragten Arztbericht an Dr. med. D. in T. TG oder an den Psychiater Dr. E. in St. Gallen verwiesen hat. Es kann daraus geschlossen werden, dass X. für die allgemeinmedizinischen Fragen offenbar von einem Hausarzt vor Ort behandelt wird. Dieses Indiz lässt wiederum darauf schliessen, dass sich der Lebensmittelpunkt für Dritte erkennbar in T. TG befindet. Dagegen spricht nicht, dass X. für ihr psychisches Wohlbefinden den bisherigen Arzt des Vertrauens beibehalten hat. Ein derartiges Patientenverhalten entspricht vielmehr der Lebenserfahrung.

5.5 Insgesamt ist auf Grund der Vielzahl der Indizien davon auszugehen, dass X. auf Dauer (E. 5.2) und für Aussenstehende erkennbar im Alters- und Pflegeheim P. in T. TG (E. 5.3) mehr als lose Beziehungen pflegt und zu verweilen beabsichtigt. In Übereinstimmung mit der Sachdarstellung des Klägers und entgegen der Tatsachenbehauptungen des Beklagten kann festgehalten werden, dass X. in T. TG einen neuen rechtlichen Wohnsitz begründet hat. Dem Einwohnerkontrollamt kann insoweit kein Vorwurf gemacht werden, dass es die Papiere von X. entgegengenommen und ihr die Wohnsitznahme in T. TG bescheinigt hat.
6. Aus den dargelegten Gründen muss die Klage gutgeheissen werden. Der Beklagte wird infolgedessen verpflichtet, die Übernahme und Weiterführung der von der Vormundschaftsbehörde S. SG errichteten und bisher geführten Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft (Art. 392 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1  von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen;
2  einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder
3  eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
und Art. 393 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB) für X. durch die Vormundschaftsbehörde T. TG zu veranlassen.
7. Mit Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen im Klageverfahren kann davon ausgegangen werden, dass beide Parteien in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse gehandelt hat, das Bundesgericht in Anspruch genommen haben. Anhaltspunkte, die das Gegenteil nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Parteien werden deshalb nicht kostenpflichtig. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen, da der
BGE 137 III 593 S. 604

Kläger in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt und im Übrigen auch nicht anwaltlich vertreten ist (vgl. Art. 69
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 69 - 1 Über die Prozesskosten entscheidet das Gericht von Amtes wegen nach den Artikeln 65, 66 und 68 BGG32.33
1    Über die Prozesskosten entscheidet das Gericht von Amtes wegen nach den Artikeln 65, 66 und 68 BGG32.33
2    Es bestimmt nach seinem Ermessen, ob mehrere Kläger oder Beklagte solidarisch und in welchem Verhältnis unter sich oder ob sie nach Kopfteilen oder entsprechend ihrer Beteiligung am Rechtsstreit kostenpflichtig oder ersatzberechtigt sind. Ebenso bestimmt es, inwieweit der Intervenient am die Gerichtskosten und die Entschädigung des Gegners der unterstützten Partei beitragspflichtig oder diesem gegenüber ersatzberechtigt ist.
3    Die Parteien sollen vor dem Urteil ein spezifiziertes Verzeichnis ihrer Kostenforderung einreichen.
BZP i.V.m. Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und Art. 68 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 137 III 593
Date : 24. Oktober 2011
Published : 06. März 2012
Source : Bundesgericht
Status : 137 III 593
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 120 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 396 ZGB; Bestimmung der interkantonal zuständigen Vormundschaftsbehörde. In Streitigkeiten


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BGG: 29  58  66  68  120  444
BV: 189
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ZGB: 23  24  25  26  376  392  393  396  444
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BBl
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Pra
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ZVW
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