137 III 118
19. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_311/2010 vom 3. Februar 2011
Regeste (de):
- Bemessung des Kinderunterhalts (Art. 285 Abs. 1
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 285 - 1 La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant.
1 La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. 2 La contribution d'entretien sert aussi à garantir la prise en charge de l'enfant par les parents et les tiers. 3 Elle doit être versée d'avance. Le juge fixe les échéances de paiement. - Grundsätze für die Berücksichtigung eines hypothetischen Einkommens; Tat- und Rechtsfrage (E. 2.3). Insbesondere bei wirtschaftlich engen Verhältnissen sind an die Ausnützung der Erwerbskraft des unterhaltspflichtigen Elternteils besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die für die Arbeitslosenversicherung geltenden Kriterien können nicht unbesehen übernommen werden. Es sind auch Erwerbsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung erfordern und sich im Tieflohnbereich befinden (E. 3.1). Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall (E. 3.2).
Regeste (fr):
- Fixation de la contribution à l'entretien de l'enfant (art. 285 al. 1 CC); prise en considération d'un revenu hypothétique du parent débiteur de l'entretien.
- Principes relatifs à la prise en considération d'un revenu hypothétique; distinction entre fait et droit (consid. 2.3). En particulier en présence de conditions financières modestes, des exigences particulièrement élevées doivent être posées quant à la mise à profit de la capacité de gain du parent débirentier. Les critères valables en matière d'assurance-chômage ne peuvent pas être repris sans autre considération. Il faut aussi tenir compte des possibilités de gain qui n'exigent pas de formation professionnelle achevée et se situent dans la tranche des bas salaires (consid. 3.1). Application de ces principes au cas concret (consid. 3.2).
Regesto (it):
- Commisurazione del contributo per il mantenimento del figlio (art. 285 cpv. 1 CC); presa in considerazione di un reddito ipotetico del genitore debitore del contributo.
- Principi relativi alla presa in considerazione di un reddito ipotetico; questione di fatto e di diritto (consid. 2.3). Segnatamente in presenza di situazioni economiche modeste devono essere poste esigenze particolarmente elevate allo sfruttamento della capacità al guadagno del genitore debitore del contributo. I criteri validi in materia di assicurazione contro la disoccupazione non possono essere adottati automaticamente. Occorre tenere conto anche delle possibilità di guadagno che non esigono una formazione professionale completa e si situano nella fascia dei salari bassi (consid. 3.1). Applicazione di tali principi al caso concreto (consid. 3.2).
Sachverhalt ab Seite 119
BGE 137 III 118 S. 119
A. Y. und X. heirateten 2002. Sie sind die Eltern der Tochter Z. (geb. 2002). Während des Zusammenlebens betrieb die Ehefrau ein Fernstudium und der Ehemann arbeitete mit vollem Pensum als Laborant. Die Tochter Z. wurde zeitweise in einer Kinderkrippe untergebracht. Seit Frühjahr 2005 leben die Parteien getrennt. Die Tochter blieb in der Obhut des Vaters und die Mutter verbrachte ein- bis zweimal in der Woche einige Stunden mit dem Kind.
B. Mit Urteil vom 10. November 2008 schied das Kreisgericht St. Gallen die Ehe und stellte Z. unter die elterliche Sorge des Vaters. Es regelte den persönlichen Verkehr der Mutter zum Kind und verpflichtete sie, ab August 2010 einen indexierten Kinderunterhalt von Fr. 850.- im Monat zu bezahlen. Mit Urteil vom 9. März 2010 regelte das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen das Besuchsrecht neu und bestätigte im Übrigen den angefochtenen Entscheid.
C. X. (Beschwerdeführerin) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 23. April 2010 an das Bundesgericht. Sie beantragt rechtsgültig, die Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Tochter sei aufzuheben. Eventuell sei das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur Beurteilung ihrer Erwerbschancen bzw. zu diesbezüglichen Beweiserhebungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. In seiner Vernehmlassung vom 1. September 2010 beantragt Y. (Beschwerdegegner), die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Nach öffentlicher Beratung heisst das Bundesgericht die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt. Es hebt das
BGE 137 III 118 S. 120
kantonsgerichtliche Urteil mit Bezug auf den Kinderunterhalt auf und weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Wie dargelegt ist vorliegend nur noch die Regelung des Kinderunterhalts streitig. Demgegenüber ist das kantonsgerichtliche Urteil, soweit es um die Kinderzuteilung und den persönlichen Verkehr geht, rechtskräftig geworden.
2.2 Gemäss den tatsächlichen und damit für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Kantonsgerichts hat die Beschwerdeführerin einen höheren Abschluss einer ausländischen Lehranstalt als Textilbetriebstechnikerin, der allerdings in der Schweiz nicht anerkannt ist. Sie ist seit der Geburt der Tochter nicht berufstätig und studiert seit zehn Jahren an verschiedenen Schulen ohne Prüfungserfolge, wobei sie das Studienende immer wieder hinausschiebt. Die Beschwerdeführerin kann auch kein Arbeitslosentaggeld mehr beziehen und ist bereits ausgesteuert. Sie lebt in bescheidenen Verhältnissen und benötigt für ihren Grundbedarf rund Fr. 2'400.- im Monat. Ihre wirtschaftlich gut gestellte Mutter finanziert den Lebensunterhalt. Das Kantonsgericht hat sodann in rechtlicher Hinsicht festgehalten, es sei der Beschwerdeführerin zuzumuten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie sei in der Lage, ein Erwerbseinkommen im Umfang von Fr. 3'600.- im Monat zu erzielen. Sei ihr dies nicht möglich, so könne sie eine Invalidenrente beantragen, welche ungefähr das gleiche Einkommen bringe. Der Beschwerdeführerin sei deshalb zuzumuten, einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 850.- für die Tochter zu bezahlen.
2.3 Der Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt, hat nach Art. 285 Abs. 1
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 285 - 1 La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. |
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1 | La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. |
2 | La contribution d'entretien sert aussi à garantir la prise en charge de l'enfant par les parents et les tiers. |
3 | Elle doit être versée d'avance. Le juge fixe les échéances de paiement. |
BGE 137 III 118 S. 121
allerdings nicht ausreicht, um den ausgewiesenen Bedarf zu decken, kann ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, sofern dieses zu erreichen zumutbar und möglich ist (BGE 128 III 4 E. 4a S. 5; BGE 127 III 136 E. 2a S. 139). Dabei handelt es sich um zwei Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen. Damit ein Einkommen überhaupt oder höheres Einkommen als das tatsächlich erzielte, angerechnet werden kann, genügt es nicht, dass der betroffenen Partei weitere Anstrengungen zugemutet werden können. Vielmehr muss es auch möglich sein, aufgrund dieser Anstrengungen ein höheres Einkommen zu erzielen. Mit Bezug auf das hypothetische Einkommen ist Rechtsfrage, welche Tätigkeit aufzunehmen als zumutbar erscheint. Tatfrage bildet hingegen, ob die als zumutbar erkannte Tätigkeit möglich und das angenommene Einkommen effektiv erzielbar ist (BGE 126 III 10 E. 2b S. 13 oben; BGE 128 III 4 E. 4c/bb S. 7; Urteil 5A_388/2010 vom 29. September 2010 E. 1).
3.
3.1 Wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat, sind im Verhältnis zum unmündigen Kind besonders hohe Anforderungen an die Ausnützung der Erwerbskraft zu stellen (CYRIL HEGNAUER, Berner Kommentar, 1997, N. 58 i.V.m. N. 56 zu Art. 285
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 285 - 1 La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. |
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1 | La contribution d'entretien doit correspondre aux besoins de l'enfant ainsi qu'à la situation et aux ressources de ses père et mère; il est tenu compte de la fortune et des revenus de l'enfant. |
2 | La contribution d'entretien sert aussi à garantir la prise en charge de l'enfant par les parents et les tiers. |
3 | Elle doit être versée d'avance. Le juge fixe les échéances de paiement. |
BGE 137 III 118 S. 122
3.2 Das Kantonsgericht äussert sich nicht konkret, welcher Erwerbstätigkeit die Beschwerdeführerin nachgehen könne. Es beschränkt sich auf die sinngemässe Aussage, bei Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten könne die Beschwerdeführerin mit Einkünften von "wenigstens Fr. 3'500.-" rechnen (und bei einem Bedarf samt Berufsauslagen von nicht mehr als Fr. 2'600.- einen Beitrag von Fr. 850.- an den Unterhalt des Kindes leisten). Selbst wenn das Kantonsgericht damit eine Erwerbstätigkeit im Tieflohnbereich gemeint hat, d.h. eine Stelle, die keine abgeschlossene Berufsausbildung erfordert, wäre es gehalten gewesen, z.B. auf der Basis von Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für Statistik oder anderen Quellen (allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge; MÜLHAUSER, Das Lohnbuch 2010, Mindestlöhne sowie orts- und berufsübliche Löhne in der Schweiz, Zürich 2010) konkret festzustellen, welche Tätigkeiten (z.B. Sekretariats- oder Kanzleiarbeiten, Verkauf von Konsumgütern, Dienstleistungen im Detailhandel, Reinigung, gastgewerbliche oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten usw.) bzw. welche Stellen für die Beschwerdeführerin beim angenommenen Lohn tatsächlich möglich und der Beschwerdeführerin zumutbar sind. Soweit das Kantonsgericht der Beschwerdeführerin ohne die erforderlichen Feststellungen ein hypothetisches Einkommen angerechnet hat, erweist sich das angefochtene Urteil als bundesrechtswidrig; es ist aufzuheben und zur Ergänzung des Sachverhalts und neuem Entscheid zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens erübrigt es sich, näher auf die Rügen im Zusammenhang mit der Invalidenversicherung einzugehen.