136 III 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Gemeinde A. gegen X. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_291/2009 vom 28. August 2009
Regeste (de):
- Art. 328 f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. 2 Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 - Begriff der günstigen Verhältnisse (E. 4). Anwendungsfall, wenn es nicht um dauernde Unterstützung, sondern um eine Einzelleistung geht (E. 5).
Regeste (fr):
- Art. 328 s. CC; obligation alimentaire.
- Définition de l'aisance (consid. 4). Cas d'application, lorsqu'il s'agit non pas d'entretien durable mais d'une prestation unique (consid. 5).
Regesto (it):
- Art. 328 seg. CC; assistenza fra parenti.
- Definizione di condizioni agiate (consid. 4). Caso di applicazione quando non si tratta di un soccorso duraturo, ma di una prestazione singola (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 1
BGE 136 III 1 S. 1
A. Z., geboren 1978, ist der Sohn von X. Er bezog in der Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007 Sozialhilfe vom Sozialamt der Gemeinde A. Im August 2006 war er in der psychiatrischen Klinik B. auf der Entzugs- und Therapiestation für Drogenabhängige. Im Dezember 2006 trat er auf ärztlichen Rat für eine Entwöhnungstherapie in das Haus C. ein. Die Kosten dieser Therapie wurden von der Krankenkasse nicht übernommen und vom Sozialamt bezahlt.
B. Im März 2007 forderte das Sozialamt den Vater auf, zur Abklärung der Verwandtenunterstützungspflicht einen Fragebogen betreffend Einkommens- und Vermögensverhältnisse auszufüllen. Nachdem keine einvernehmliche Regelung erzielt werden konnte, reichte das Sozialamt im Juni 2007 Klage beim Kreisgericht St. Gallen ein
BGE 136 III 1 S. 2
und verlangte von X. die Bezahlung der Unterstützungskosten für seinen Sohn in der Höhe von Fr. 35'410.90. Das Kreisgericht hiess die Klage am 15. September 2008 gut, das Kantonsgericht St. Gallen wies sie am 25. März 2009 ab.
C. Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts hat die Gemeinde A. am 27. April 2009 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und Gutheissung der Klage, eventualiter um Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht. Der Vater verlangt mit Vernehmlassung vom 2. Juni 2009 die Beschwerdeabweisung, das Kantonsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst das Eventualbegehren gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Das Kreisgericht hatte "günstige Verhältnisse" im Sinn von Art. 328 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
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1 | Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
2 | Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 |
BGE 136 III 1 S. 3
3. Wie bereits im kantonalen Verfahren bringt die Beschwerdeführerin auch vor Bundesgericht wiederum vor, gemäss Schlussrechnung für das Steuerjahr 2001 habe der Beschwerdegegner ein Vermögen von Fr. 5'932'000.- versteuert und gemäss Scheidungsurteil vom 18. Februar 2002 habe er ein solches von Fr. 6'300'000.- besessen. Gestützt auf diese Zahlen habe sie die Klage eingereicht und ursprünglich hätte der Beschwerdegegner seine Zahlungsfähigkeit auch gar nicht bestritten, sondern andere Gründe vorgebracht (Unbilligkeit wegen fehlenden Kontaktes mit dem Sohn). Die markante Vermögensverminderung gemäss den späteren Steuererklärungen lasse sich nicht allein mit der Scheidung erklären. Im Übrigen könne es sich der gesunde und erst 59-jährige Beschwerdeführer leisten, seit mehreren Jahren auf eine Erwerbsarbeit zu verzichten und mehrere Monate pro Jahr in seinem Haus in Griechenland zu verbringen. Seine finanzielle Gesamtsituation erlaube es ihm, ein wohlhabendes Leben zu führen, und er könne dieses Leben auch nach Bezahlung der eingeklagten einmaligen Summe für die seitens der Gemeinde vorfinanzierten Kosten weiterführen.
Der Beschwerdegegner macht geltend, das Kantonsgericht habe seine Situation gestützt auf die Steuerrechnungen 2003 bis 2005 und die Steuererklärung 2006 korrekt beurteilt. Die Steuerrechnung 2001 sei irrelevant, weil die Unterstützungsleistungen später erfolgt seien. Sein Vermögen im Ausland sei berücksichtigt worden und es sei kein Platz für Spekulationen.
4. Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden (Art. 328 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
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1 | Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
2 | Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 |
BGE 136 III 1 S. 4
vom obligatorischen Krankenversicherer getragen werden; ebenso dürfte sie zu bejahen sein, wenn zwar eine solche Einrichtung besteht, die entsprechenden Kosten aber vom obligatorischen Krankenversicherer, etwa aufgrund eines Selbstbehalts des Versicherten, nicht voll übernommen werden (BGE 133 III 507 E. 5.1 S. 509). In günstigen Verhältnissen im Sinn von Art. 328 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
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1 | Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
2 | Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 |
5. Was das Element der verwandtschaftlichen Nähe anbelangt, so geht es im vorliegenden Fall um die Unterstützung eines erwachsenen Kindes, mithin um ein Familienmitglied ersten Grades in absteigender Linie. Zentraler ist im vorliegenden Einzelfall jedoch, dass es - anders als in den meisten Fällen, welche das Bundesgericht in der letzten Zeit zu beurteilen hatte - nicht um dauerhafte Unterstützungsleistungen, wie sie insbesondere bei der Altersunterstützung im Zusammenhang mit einer Langzeitpflege typisch sind, sondern im Wesentlichen um die einmaligen Kosten für eine Entwöhnungstherapie geht. In dieser konkreten Situation ist es keine den besonderen Verhältnissen und der finanziellen Gesamtsituation angepasste Lösung, wenn für eine einmalige Unterstützungsleistung das Vermögen in
BGE 136 III 1 S. 5
Anwendung der SKOS-Richtlinien auf ein Dauereinkommen umgerechnet wird. Dass die gewählte Vorgehensweise für die einmalige Unterstützungsleistung unsachgemäss ist, zeigt sich insbesondere im Umstand, dass das auf der Basis des um die verlangte Unterstützung verminderten Vermögens berechnete Einkommen praktisch unverändert bliebe und sich insofern nicht sagen lässt, zufolge der Unterstützung könne sich der Beschwerdeführer seine angestammte Lebensführung nicht mehr leisten. Wie es sich bei dauerhafter Unterstützung, aber auch bei wiederholt anfallenden Einzelleistungen - namentlich bei immer wieder anfallenden Therapien des Sohnes, wenn das bevorschussende Gemeinwesen hierfür stets von neuem die Verwandtenunterstützungspflicht in Anspruch nehmen würde - verhielte, braucht vorliegend nicht diskutiert zu werden. Jedenfalls stellt der gewählte Berechnungsmodus für den konkret zu beurteilenden Einzelfall keine angepasste Lösung im Sinn der zitierten Rechtsprechung dar. Bereits angesichts des kantonal festgestellten Sachverhaltes liegt unabhängig von der Frage, ob das effektive Vermögen 2 Mio. Fr. oder 6 Mio. Fr. beträgt, auf der Hand, dass der Beschwerdegegner ein weit überdurchschnittliches Leben führen kann, scheint er doch je in einem Eigenheim zwei permanente Wohnsitze in der Schweiz und in Griechenland zu haben, ohne dass dies zu einer Vermögensverminderung führen würde. Indes hat das Kantonsgericht, indem es einfach das Vermögen auf ein Dauereinkommen umgerechnet hat, unbekümmert um die für die Verwandtenunterstützungspflicht geltende Untersuchungsmaxime (Art. 329 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
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1 | Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
1bis | Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 |
2 | Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 |
3 | Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
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1 | Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
1bis | Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 |
2 | Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 |
3 | Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 |