134 IV 26
3. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. McKim gegen Miller und Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) 6B_298/2007 vom 24. Oktober 2007
Regeste (de):
- Art. 123
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. 2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. - In die strafrechtliche Beurteilung von Foulspielen bei Mannschaftssportarten sind auch die geltenden Spielregeln miteinzubeziehen. Je krasser Regeln verletzt werden, die dem Schutz der Körperintegrität der Spieler dienen, desto weniger kann von der Verwirklichung eines spieltypischen Risikos ausgegangen werden und desto eher erscheint eine strafrechtliche Ahndung des foulenden Spielers angezeigt (E. 3).
- Wer eine einfache Körperverletzung will oder den Eintritt einer solchen in Kauf nimmt, versehentlich aber eine schwere Körperschädigung verursacht, erfüllt die Tatbestände der vorsätzlichen einfachen und der fahrlässigen schweren Körperverletzung in echter Idealkonkurrenz (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 123 et 125 CP; lésions corporelles simple intentionnelle et grave par négligence lors d'une partie de hockey sur glace.
- Pour qualifier pénalement les fautes commises dans les sports d'équipe, les règles du jeu doivent être également prises en considération. Plus la violation des règles tendant à protéger l'intégrité corporelle des joueurs est grave, moins on peut considérer qu'il s'agit d'un risque inhérent au jeu et plus paraît justifiée une répression pénale du joueur fautif (consid. 3).
- Celui qui veut causer une lésion corporelle simple ou qui accepte sa survenance, mais qui inflige sans le vouloir une atteinte grave, réalise les infractions de lésions corporelles simple intentionnelle et grave par négligence en concours idéal parfait (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 123 e 125 CP; lesioni intenzionali semplici e lesioni colpose gravi cagionate nel corso di una partita di hockey su ghiaccio.
- Nel valutare sotto il profilo penale i falli commessi durante un incontro sportivo a squadre si devono prendere in considerazione anche le regole di gioco in vigore. Quanto più grave è la violazione di regole che tutelano l'integrità fisica dei giocatori, tanto più la realizzazione di un rischio inerente al gioco è da escludere e la condanna penale del giocatore falloso appare giustificata (consid. 3).
- Chi vuole cagionare una lesione personale semplice o ne accetta l'eventualità, ma causa, senza volerlo, una lesione grave, adempie le fattispecie penali di lesioni intenzionali semplici e lesioni colpose gravi in concorso ideale proprio (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 27
BGE 134 IV 26 S. 27
A. Am 31. Oktober 2000 spielte Kevin Miller (Beschwerdegegner) für den HC Davos in einer Eishockey Nationalliga A Meisterschaftspartie gegen die ZSC Lions. Dabei foulte er Andrew McKim (Beschwerdeführer) grob. Die bei diesem Foul erlittenen gesundheitlichen Schäden zwangen Andrew McKim, seine Profikarriere zu beenden. Zum Foulspiel kam es in der zehnten Minute des ersten Spieldrittels. Der ZSC-Spieler Andrew McKim gelangte unmittelbar hinter dem Tor des HC Davos in Puckbesitz. Er nutzte seine vorhandene Bewegung aus und setzte seine Fahrt in einem Bogen fort, um in eine günstige Torschussposition zu gelangen. 0.38 Sekunden nach der Schussabgabe wurde er durch Kevin Miller von hinten in den Rücken gecheckt. Durch den Check fiel er vornüber und schlug mit seinem Kopf auf dem Eis auf.
B. Kevin Miller wurde für dieses Foul vom Schiedsrichter für die gesamte Spieldauer des Feldes verwiesen ("Spieldauerdisziplinarstrafe"). Im verbandsinternen Disziplinarverfahren wurde er vom Einzelrichter der Nationalliga am 15. November 2000 für die nächsten 8 Meisterschaftsspiele gesperrt und mit einer Busse von Fr. 3'000.- belegt. Dieser Entscheid wurde am 16. Dezember 2000 von der Rekurskammer des schweizerischen Eishockeyverbands bestätigt.
C. Am 20. September 2005 wurde Kevin Miller vom Bezirksgericht Zürich der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
D. Gegen diesen Freispruch erhebt Andrew McKim Beschwerde in Strafsachen. Er verlangt unter anderem die Aufhebung des obergerichtlichen und die Bestätigung des bezirksgerichtlichen Urteils.
E. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichtet mit Schreiben vom 7. September 2007 auf eine Vernehmlassung. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 hat der Beschwerdegegner seine
BGE 134 IV 26 S. 28
Vernehmlassung eingereicht, mit der er im Wesentlichen ein Nichteintreten auf die Beschwerde resp. deren Abweisung beantragt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Der Beschwerdeführer rügt zusammenfassend, der Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung sei bundesrechtswidrig.
3.1 Der Beschwerdegegner schliesst sich im Wesentlichen den Ausführungen der Vorinstanz an. Soweit er die Überprüfung des Freispruchs vom Fahrlässigkeitsvorwurf für unzulässig hält, verkennt er, dass das Bundesgericht die Anwendung von Bundesrecht im Rahmen der gestellten Anträge von Amtes wegen überprüft (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
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1 | Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
2 | Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. |
3.2
3.2.1 Nach Art. 122
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |
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a | einen Menschen lebensgefährlich verletzt; |
b | den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt; |
c | eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
3.2.2 Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
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1 | Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
2 | Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. |
3 | Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
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1 | Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
2 | Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. |
3 | Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. |
BGE 134 IV 26 S. 29
regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählt auch die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 131 IV 1 E. 2.2; BGE 130 IV 58 E. 8.2).
3.2.3 Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
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1 | Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
2 | Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. |
3 | Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. |
3.2.4 Das Bundesgericht hatte in BGE 121 IV 249 bereits einmal Foulspiele mit Verletzungsfolgen beim Eishockey zu beurteilen. Ob Eventualvorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, hängt unter anderem von der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung und von der dem Täter bekannten Nähe des Verletzungsrisikos ab. Bei der Festlegung des zulässigen Verhaltens und der zu respektierenden Sorgfaltspflichten sind nebst dem allgemeinen Grundsatz "neminem laedere" insbesondere auch die Spielregeln des Internationalen Eishockey Verbands (IIHF) zu beachten. Diese Regeln dienen nicht nur dem geordneten Spielverlauf, sondern vor allem auch der Unfallverhütung und der Sicherheit der Spieler (E. 3, a.a.O.). Wird eine den Schutz der Spieler vor Verletzungen bezweckende Spielregel absichtlich oder in grober Weise missachtet, so darf keine stillschweigende Einwilligung in das der sportlichen Tätigkeit innewohnende Risiko einer Körperverletzung angenommen werden (E. 4, a.a.O.; Bestätigung von BGE 109 IV 102 E. 2). In casu war der Spieler seinem Gegenspieler mit vorgestrecktem Knie und hoher Geschwindigkeit in die Beine gefahren ("Kniestich"). Von der hohen, dem Spieler
BGE 134 IV 26 S. 30
bekannten Verletzungswahrscheinlichkeit bei dieser klar regelwidrigen Aktion durfte auf die Inkaufnahme der Verletzungsfolgen geschlossen werden (E. 3, a.a.O).
3.2.5 In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass körperkontaktintensiven Mannschaftssportarten wie dem Eishockey ein Verletzungsrisiko inhärent ist, das von den Spielern in Kauf genommen werde. Allerdings würden grundsätzlich nur Risiken gebilligt, welche durch regelkonformes oder leicht davon abweichendes Verhalten von Gegenspielern drohten. Absichtliche und grobe Verletzung von Spielregeln, welche dem Schutz der Spieler dienen, seien von dieser stillschweigenden Einwilligung nicht erfasst (vgl. ANDREAS A. ROTH/ANNE BERKEMEIER, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 21 f. vor Art. 122
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |
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a | einen Menschen lebensgefährlich verletzt; |
b | den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt; |
c | eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist. |
BGE 134 IV 26 S. 31
Literatur werden Zurechnungseinschränkungen von Sportverletzungen auch unter dem Gesichtspunkt der objektiven Zurechnung diskutiert (vgl. MELANIE BERKL, Der Sportunfall im Lichte des Strafrechts, Baden-Baden 2007, S. 79 ff.). Die Teilnahme an einem Eishockeyspiel könnte danach als einverständliche Fremdgefährdung gewertet werden. Die Spieler setzen sich im Bewusstsein des Verletzungsrisikos der Gefährdung durch die Gegenspieler aus. Eine Fremd- und nicht eine Eigengefährdung liegt vor, da in der Regel der foulende Spieler das rechtsgutsverletzende Kausalgeschehen beherrscht. Kommt es zu einer Schädigung, so stellt sich die Frage, inwieweit dem foulenden Spieler die verursachten Verletzungsfolgen aufgrund des gegnerischen Gefährdungseinverständnisses nicht zugerechnet werden können. Nach DONATSCH (a.a.O., S. 420) sind sorgfaltspflichtwidrige Fremdgefährdungen insoweit strafrechtsrelevant, als sie das sportspezifische Grundrisiko überschreiten. Auch hier muss bei der Frage, mit welchen Fremdgefährdungen sich ein Spieler (noch) einverstanden erklärt, letztlich auf die einschlägigen Regelwerke zurückgegriffen werden, wobei insbesondere auf den Schutzzweck der verletzten Spielregel abzustellen ist.
Unabhängig davon, ob Foulspiele mit Verletzungsfolgen strafrechtlich über die unrechtsausschliessende Risiko- oder Schädigungseinwilligung, über tatbestandseinschränkende Lehren des erlaubten Risikos oder der Sozialadäquanz oder über objektive Zurechnungseinschränkungen abgehandelt werden, ist für die Abgrenzung unerlaubter von noch tolerierten Risiken auf die im jeweiligen Wettkampf anwendbaren Spielregeln zurückzugreifen, weshalb sich die verschiedenen Lehrmeinungen zusammenfassend mehr in der dogmatischen Begründung als im Ergebnis unterscheiden. Gemeinsam ist den Lösungsvorschlägen, dass bei Realisierung des sportartspezifischen Grundrisikos von strafrechtlicher Ahndung abgesehen werden sollte. Zu diesem Grundrisiko gehören auch die mit körperkontaktbetonten Mannschaftssportwettkämpfen zwangsläufig einhergehenden "normalen" Fouls und Verletzungen. Je krasser indes Regeln verletzt werden, die dem körperlichen Schutz der Spieler dienen, desto weniger kann von der Verwirklichung eines spieltypischen Risikos gesprochen werden und desto eher rückt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Spielers ins Blickfeld (SCHERRER, a.a.O., S. 36; SCHWENTER, a.a.O., S. 334; BERKL, a.a.O., S. 174 f.). Mit dieser Einschätzung liegt die herrschende Lehre auf der Linie der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung.
BGE 134 IV 26 S. 32
3.3 Der vorinstanzliche Freispruch vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen Körperverletzung ist bundesrechtswidrig.
3.3.1 Fest steht, dass der Beschwerdegegner die eingetretenen Verletzungen durch sein Handeln verursacht hat. Ebenso unbestritten ist, dass er dabei in grober Weise Eishockeyregeln verletzt hat. Für sein Foul wurde er vom Schiedsrichter umgehend vom Spiel ausgeschlossen. Die Schwere des Regelverstosses wurde sowohl vom Einzelrichter der Nationalliga (vgl. Entscheid vom 15. November 2000, S. 3: "derbes Foul") als auch von der Rekurskammer des Eishockeyverbands (Entscheid vom 16. Dezember 2000, S. 16: "sehr grobes Foul") bestätigt. Zwar sah die Vorinstanz den Vorwurf des Ellenbogenchecks gegen die Halspartie als nicht zweifelsfrei erwiesen an. Die Verneinung dieses einen Regelverstosses bleibt indes ohne entscheidende Bedeutung, zumal auch die Vorinstanz davon ausgeht, dass gleichzeitig noch andere Regeln verletzt wurden. Sie verweist diesbezüglich auf die Entscheide der verbandsinternen Disziplinarinstanzen, welche klar festhielten, dass in grober Weise dem Schutz der Spieler dienende Regeln verletzt wurden (vgl. Regel Nr. 523 - "Checking from Behind" [Check von hinten] und Regel Nr. 522 - "Charging" [unerlaubter Körperangriff] des im Zeitraum von 1998-2002 geltenden Regelwerks des Internationalen Eishockey-Verbands). Mit dem Verbot, Gegenspieler von hinten zu checken, soll genau das verhindert werden, was im vorliegenden Fall eingetreten ist, nämlich dass der gefoulte Spieler vornüber fällt und mit dem Kopf auf dem Eis aufprallt. Es ist somit erstellt, dass sich die Körperverletzung auf ein objektiv krass regelwidriges Verhalten des Beschwerdegegners zurückführen lässt. Zu Recht geht auch die Vorinstanz von objektiv regelwidrigem Verhalten aus.
3.3.2 In subjektiver Hinsicht kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass es dem Beschwerdegegner darum gegangen sei, den Beschwerdeführer am Torschuss oder Passgeben zu hindern. Er sei deshalb auf diesen zugefahren, um ihn zu checken. Ein gezielter Ellenbogen-Check gegen den Nacken sei nicht erwiesen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner seine Schlittschuhe unmittelbar vor dem Check quergestellt habe, verkantet und während des Umfallens in den Rücken des Beschwerdeführers geprallt sei. Dieser habe sich in einer relativ langen Drehbewegung befunden und erst in den letzten Sekundenbruchteilen, nach erfolgter Schussabgabe mit dem Rücken zum Beschwerdegegner gewandt. Weil zwischen der Schussabgabe und der Kollision lediglich 0.38 Sekunden
BGE 134 IV 26 S. 33
vergangen seien, sei eine willentliche Reaktion nicht mehr möglich gewesen. Zu seinen Gunsten sei anzunehmen, dass er zu einem zulässigen Bodycheck ansetzte, dabei um Sekundenbruchteile zu spät kam und so mit dem Beschwerdeführer zusammenprallte, als dieser ihm in nicht sicher vorhersehbarer Weise den Rücken zuwandte. Bei dieser Sachlage lasse sich eine eventualvorsätzliche Inkaufnahme der zugefügten Verletzungen nicht nachweisen.
3.3.3 Die vorinstanzliche Begründung des Freispruchs ist widersprüchlich. Es lässt sich nicht sagen, dass ein Spieler zu einem zulässigen Bodycheck ansetzte, wenn das Verhalten seines Gegenspielers für ihn "zu keinem Zeitpunkt klar vorhersehbar und kalkulierbar" war. Nach verbindlicher Feststellung hat der Beschwerdegegner beim Ansetzen zum Bodycheck insbesondere nicht genau wissen können, welche Position der Geschädigte einnehmen werde. Wer sich trotz der Ungewissheit um die genaue Position seines Gegenspielers entschliesst, diesen zu checken, der mag zwar hoffen, dass ihm eine regelkonforme Attacke gelingt, der nimmt aber gleichzeitig auch den regelwidrigen Check von hinten in Kauf. Dass der Beschwerdegegner als professioneller Hockeyspieler den Torschuss nicht habe vorhersehen können, will indes nicht richtig einleuchten. Viel wahrscheinlicher - aber eben nicht festgestellt - ist, dass der Beschwerdegegner die Drehbewegung durchaus richtig antizipierte und hoffte, den Beschwerdeführer noch rechtzeitig durch einen regelkonformen Check am Torschuss hindern zu können, mit seiner Zufahrt aber gleichzeitig auch in Kauf nahm, zu spät zu kommen und den Beschwerdeführer nur noch nach abgeschlossener Schuss- und Drehbewegung von hinten zu erwischen. Wie es sich mit den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz im Einzelnen verhält, kann jedoch offenbleiben. Selbst wenn man mit der Vorinstanz davon ausgeht, dass der Beschwerdegegner nicht bewusst zu einem regelwidrigen Ellenbogenschlag (Regel Nr. 526 - "Elbowing") gegen den Kopf und Nacken ansetzte, sondern im letzten Moment verkantete und in den Rücken des Beschwerdeführers prallte, entlastet ihn dies entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht. Wie die erste Instanz zutreffend ausführt, hat sich ein Eishockeyspieler immer so auf dem Eis zu bewegen, dass er auf gefährliche Situationen reagieren und notfalls noch bremsen oder einem Gegenspieler ausweichen kann. Mit seiner riskanten Zufahrt begab sich der Beschwerdegegner aller Ausweich- oder Bremsmöglichkeiten. Wer aber in hohem Tempo auf einen Gegenspieler zufährt, in der Absicht diesen zu
BGE 134 IV 26 S. 34
checken, und sich dabei in eine unkontrollierbare Situation manövriert, in der es nur noch vom Zufall abhängt, ob der Check noch regelkonform durchgeführt werden kann, der kann sich nicht darauf berufen, dass er den regelwidrigen Check nicht mehr verhindern konnte. Dass er im letzten Moment noch vergeblich zu bremsen versuchte, macht die Verursachung des Zusammenpralls nicht zu einer fahrlässigen Handlung. Wie erläutert, hat er sich willentlich in eine Situation manövriert, in der ihm die Verhinderung eines regelwidrigen Checks nicht mehr möglich war. Er hat mithin die Möglichkeit eines Checks von hinten in den Rücken in Kauf genommen und die daraus resultierenden Verletzungen als mögliche, wenn auch unerwünschte Folgen, seinem vorrangigen Ziel untergeordnet, den Beschwerdeführer um jeden Preis am Abschuss zu hindern. Ausser Zweifel steht nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen, dass er als professioneller Hockeyspieler um die mit einem Bodycheck in den Rücken verbundenen Verletzungsrisiken wusste. Es ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, inwiefern er bei dieser waghalsigen Aktion auf das Ausbleiben von Verletzungsfolgen hätte vertrauen dürfen. Wie bereits in BGE 121 IV 249 kann auch im vorliegenden Fall aus dem hochgradig risikoträchtigen Vorgehen des Beschwerdegegners auf die Inkaufnahme von Verletzungsfolgen geschlossen werden. Der Freispruch von der eventualvorsätzlichen Körperverletzung verletzt daher Bundesrecht. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben.
4. Die Vorinstanz sprach den Beschwerdegegner auch vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei. Nach ihrer Auffassung entspricht die Kombination von einfacher vorsätzlicher und fahrlässiger schwerer Körperverletzung im erstinstanzlichen Urteil dem früheren "erfolgsqualifizierten" Tatbestand von Art. 123 Ziff. 1 aStGB. Ob diese Verbindung zulässig sei, könne offenbleiben. Dem Beschwerdegegner werde nur vorsätzliches Handeln mit einer unvorhergesehenen Verletzungsfolge, nicht aber eine fahrlässige Körperschädigung vorgeworfen. Der Schuldspruch für das Fahrlässigkeitsdelikt hänge somit vom damit verknüpften Vorsatzdelikt ab. Der Freispruch von der vorsätzlichen müsse daher auch zum Freispruch von der fahrlässigen Körperverletzung führen. Zur Eventualbegründung wird ausgeführt, dass die schweren Kollisionsfolgen dem Beschwerdegegner mangels Voraussehbarkeit der Drehbewegung nicht vorgeworfen werden könnten.
BGE 134 IV 26 S. 35
4.1 Der Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung hält vor Bundesrecht nicht stand. In Bezug auf die Eventualerwägung wurde bereits erläutert, dass es den Beschwerdegegner belastet und nicht entlastet, sich willentlich in eine Situation manövriert zu haben, in der er weder die korrekte Ausführung des Checks kontrollieren noch dessen schwere Verletzungsfolgen absehen konnte. Auch die Auffassung, dass die Verurteilung wegen fahrlässiger von derjenigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung abhängen soll, erweist sich als unzutreffend. Nach Art. 123 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
BGE 134 IV 26 S. 36
Vorgehen zweifellos auch vermeidbar gewesen wären. Der vorinstanzliche Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung ist somit ebenfalls aufzuheben.