134 I 75
9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Katholische Kirchgemeinde Luzern sowie Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern (Staatsrechtliche Beschwerde) 2P.321/2006 vom 16. November 2007
Regeste (de):
- Art. 15
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. 3 Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. 4 Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.
- Die Erklärung des Austritts aus der Landeskirche genügt; vom Austrittswilligen darf nicht verlangt werden, dass er sich von der römisch-katholischen Kirche als solcher lossagt (Praxisänderung; E. 3-9.1).
Regeste (fr):
- Art. 15 Cst.; art. 9 CEDH; liberté de conscience et de croyance; conditions auxquelles est subordonnée la sortie de l'Eglise catholique romaine.
- La déclaration de sortie de l'église cantonale suffit; on ne saurait exiger de celui qui veut en sortir qu'il déclare quitter l'Eglise catholique romaine comme telle (changement de jurisprudence; consid. 3-9.1).
Regesto (it):
- Art. 15 Cost.; art. 9 CEDU; libertà di credo e di coscienza; requisiti per uscire dalla Chiesa cattolica-romana.
- La dichiarazione con cui viene espressa la volontà di uscire dalla Chiesa cantonale è sufficiente; non si può pretendere da chi non vuole più farne parte che rompa con la Chiesa cattolica-romana in quanto tale (cambiamento di giurisprudenza; consid. 3-9.1).
Sachverhalt ab Seite 75
BGE 134 I 75 S. 75
X. ist in der Stadt Luzern wohnhaft. Mit Schreiben vom 22. Mai 2006 erklärte sie den "Austritt aus der staatskirchenrechtlichen Organisation 'Katholische Kirchgemeinde Luzern'" und ersuchte um eine Bestätigung des Austritts. Am 29. Mai 2006 teilte die katholische Kirchgemeinde Luzern X. mit, dass ein Teilaustritt aus einer katholischen Kirchgemeinde nicht möglich sei, und verweigerte deshalb die verlangte Austrittsbestätigung. Der Synodalrat der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern wies die dagegen erhobene Beschwerde am 8. November 2006 ab.
BGE 134 I 75 S. 76
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 5. Dezember 2006 beantragt X. dem Bundesgericht, den Synodalratsentscheid vom 8. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass sie mit Wirkung ab Empfang der Austrittserklärung, d.h. ab 23. Mai 2006, nicht mehr Mitglied der katholischen Kirchgemeinde Luzern sei. Sie rügt in erster Linie eine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. |
3 | Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. |
4 | Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Der Synodalrat der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern sowie die Kirchgemeinde der Stadt Luzern anerkennen das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 22. Mai 2006 nicht als Erklärung des Kirchenaustritts gemäss § 12 der Verfassung der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern vom 25. März 1969 (im Folgenden: Kirchenverfassung). Diese Bestimmung lautet: "Wer nach kirchlicher Ordnung der römisch-katholischen Kirche angehört, gilt für Landeskirche und Kirchgemeinden als Katholikin oder Katholik, solange sie oder er dem zuständigen Kirchenrat am gesetzlich geregelten Wohnsitz nicht schriftlich erklärt hat, der römisch-katholischen Konfession nicht mehr anzugehören."
3.2 Nach Ansicht der kantonalen Instanzen strebte die Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 22. Mai 2006 lediglich einen partiellen Kirchenaustritt an, d.h. sie wollte nur die katholische Kirchgemeinde der Stadt Luzern verlassen, der römisch-katholischen Kirche aber weiterhin angehören. Ein solcher bloss teilweiser Austritt sei jedoch unbeachtlich. Zum wirksamen Kirchenaustritt müsse sie ausdrücklich erklären, dass sie der "römisch-katholischen Konfession" nicht mehr angehöre. Statt römisch-katholische Konfession könne sie auch die insoweit als Synonyme zu verstehenden Begriffe "römisch-katholische Religionsgemeinschaft", "römisch-katholische Kirche" oder "katholische Kirche" verwenden. Mit "römisch-katholischer Konfession" sei in § 12 der Kirchenverfassung nicht allein die Landeskirche oder eine katholische Kirchgemeinde gemeint. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung verweisen die kantonalen Instanzen auf ein Urteil des Bundesgerichts (2P.16/ 2002 vom 18. Dezember 2002, teilweise publ. in BGE 129 I 68).
BGE 134 I 75 S. 77
3.3 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verletzt die dargelegte Auslegung der Kirchenverfassung die Glaubens- und Gewissensfreiheit gemäss Art. 15
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1 | Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. |
3 | Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. |
4 | Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
4.
4.1 Die Bundesverfassung gewährleistet nach Art. 15
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. |
3 | Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. |
4 | Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
4.2 Art. 15
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. |
3 | Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. |
4 | Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit - 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. |
3 | Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. |
4 | Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. |
BGE 134 I 75 S. 78
vorsieht. Der Austritt muss jederzeit möglich sein und darf nicht durch schikanöse Vorschriften erschwert oder unnötig verzögert werden (BGE 104 Ia 79 E. 3 S. 84). Aus Art. 9
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. |
4.3 Die genannten Verfassungsbestimmungen verbieten es den Kirchen nicht, gewisse formelle Anforderungen an die Austrittserklärung zu stellen. Demnach ist es insbesondere zulässig, das Austrittsverfahren durch ausdrückliche Formvorschriften derart zu gestalten, dass überstürzte Austritte unter dem momentanen Einfluss von Drittpersonen verhindert werden. Es darf ausserdem im Interesse der Rechtssicherheit verlangt werden, dass der Wille, der Kirche oder Religionsgemeinschaft nicht mehr anzugehören, unzweideutig erklärt wird (BGE 104 Ia 79 E. 3a S. 84; Urteil P.1384/1981 vom 18. März 1983, ZBl 85/1984 S. 131, E. 1 und 3b). Die kantonale Gesetzgebung kann auch das Erfordernis aufstellen, dass der Austritt nicht nur aus einer einzelnen Kirchgemeinde, sondern aus der Landeskirche als ganzer erklärt wird (vgl. BGE 2 S. 388 E. 5 S. 396; 34 I 41 E. 11 S. 52 f.).
5. Die Kirchgemeinde Luzern und der Synodalrat lassen die Erklärung des Austritts aus der Landeskirche jedoch nicht genügen und verlangen einen solchen aus der römisch-katholischen Kirche.
5.1 Die römisch-katholische Kirche ist eine hierarchisch strukturierte Gemeinschaft von Gläubigen, die vom Papst und von den Bischöfen geleitet wird. Sie hat eine eigene kirchliche Rechtsordnung, die vor allem im Codex Iuris Canonici - dem kirchlichen Gesetzbuch der römisch-katholischen Kirche - enthalten ist und nach ihrem Verständnis weltweit gilt. Sie verfügt auch über eine eigene Regelung der Zugehörigkeit (vgl. dazu RENÉ PAHUD DE MORTANGES, Die Erklärung des Austritts aus der römisch-katholischen Kirche, Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 2003 S. 106 ff.; MARTIN GRICHTING, Kirche oder Kirchenwesen, Diss. Freiburg 1997, S. 178, je mit Hinweisen). Die römisch-katholische Kirche bildet jedoch auch Teil des Glaubens. Katholiken bekennen sich zu der von ihnen als heilig verstandenen Kirche (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche [1997], Erster Teil, Zweiter Abschnitt, Art. 9: "Ich glaube an [...], die heilige katholische Kirche" bzw. das Glaubensbekenntnis: "Credo in [...] unam, sanctam, catholicam et apostolicam ecclesiam.").
5.2 Daneben haben sich die stimmberechtigten Angehörigen der römisch-katholischen Kirche im Kanton Luzern gestützt auf § 92
BGE 134 I 75 S. 79
der Staatsverfassung des Kantons Luzern vom 29. Januar 1875 und auf das kantonale Gesetz über die Kirchenverfassung vom 21. Dezember 1964 die Kirchenverfassung vom 25. März 1969 gegeben. Mit ihr organisieren sich die im Kanton wohnhaften Katholiken in der "römisch-katholischen Landeskirche". Diese ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gliedert sich in "römisch-katholische Kirchgemeinden", die zusammen das ganze Kantonsgebiet umfassen. Die Kirchgemeinden sind die öffentlich-rechtlichen Körperschaften ihrer katholischen Einwohner (vgl. §§ 1 und 2 der Kirchenverfassung). In innerkirchlichen Belangen anerkennen Landeskirche und Kirchgemeinden die Lehre und Rechtsordnung der römisch-katholischen Kirche (§ 5 Abs. 2 der Kirchenverfassung).
5.3 Wegen dieses Nebeneinanders von römisch-katholischer Kirche einerseits und Landeskirche als staatskirchenrechtlichen Organisation anderseits wird von einer dualistischen Kirchenstruktur gesprochen (WINZELER, a.a.O., S. 51 f. und 83; KARLEN, a.a.O., S. 333; vgl. auch PIUS HAFNER, Staat und Kirche im Kanton Luzern, Diss. Freiburg 1991, insbes. S. 228 ff. und 299 ff.; DIETER KRAUS, Schweizerisches Staatskirchenrecht, Tübingen 1993, S. 181 ff.).
6. Wie ausgeführt, verlangt der Synodalrat für einen wirksamen Kirchenaustritt die ausdrückliche Erklärung des Betreffenden, dass er der römisch-katholischen Kirche, Konfession oder Religionsgemeinschaft nicht mehr angehöre; eine lediglich auf die Kirchgemeinde oder Landeskirche bezogene Austrittserklärung genüge nicht. Das bedeutet, dass sich der Austrittswillige nach der Auffassung des Synodalrates explizit von der römisch-katholischen Kirche lossagen muss. Diese ist aber - wie in Erwägung 5.1 hiervor erwähnt - selber Teil des Glaubensbekenntnisses. Für einen Kirchenaustritt erwartet der Synodalrat vom Austrittswilligen somit einen bekenntnishaften Akt. Besteht aber - wie hier - neben der Glaubensgemeinschaft eine staatskirchenrechtliche Organisation, so muss es genügen, dass nur der Austritt aus der Letzteren erklärt wird. Denn im weltlichen Rechtsverkehr ist in einem solchen Fall nur der Austritt aus der staatlichen Zugehörigkeitsordnung massgebend. Mit der Erklärung des Austritts aus dieser - in casu aus der Landeskirche - kann bereits gewährleistet werden, dass Mitgliedschaftspflichten künftig nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden; unter anderem wird für die Zeit ab der Austrittserklärung die Kirchensteuer nicht mehr geschuldet. Zusätzliche, bekenntnishafte Erklärungen sind nach dem Gesagten für einen Kirchenaustritt nicht
BGE 134 I 75 S. 80
notwendig. Für das Erfordernis einer auch auf die römisch-katholische Kirche, Religionsgemeinschaft oder Konfession bezogenen Erklärung gibt es keinen zwingenden Grund. Daher ist dieses Erfordernis mit der Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren (vgl. auch Art. 36 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |
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1 | Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |
2 | Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. |
3 | Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein. |
4 | Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |
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1 | Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |
2 | Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. |
3 | Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein. |
4 | Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar. |
7. § 12 der Kirchenverfassung ist demnach verfassungskonform so auszulegen, dass für den Kirchenaustritt eine Erklärung genügt, die sich auf die "Landeskirche" bezieht. Verfassungswidrig ist dagegen die vom Synodalrat vorgenommene Auslegung, wonach ausdrücklich zu erklären sei, nicht mehr der römisch-katholischen Konfession, Kirche oder Religionsgemeinschaft anzugehören. An der bereits erwähnten Rechtsprechung (BGE 129 I 68) kann demnach nicht festgehalten werden. Ausserdem bedarf der Klarstellung, dass im Blick auf das dargestellte Nebeneinander Landeskirche und Kirchgemeinden nicht als "Organe der Dachorganisation" der römisch-katholischen Kirche zu verstehen sind (vgl. die kritischen Besprechungen zu BGE 129 I 68 : ANDREAS KLEY, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2002 und 2003, ZBJV 139/2003 S. 707; DIETER KRAUS, Religionsrechtlich bedeutsame Entscheide des Bundesgerichts in den Jahren 2002-2003, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 2003 S. 148; MARKUS WALSER, Kantonalkirche und Kirchgemeinden im Kanton Luzern, in: Wilhelm Rees [Hrsg.], Recht in Kirche und Staat, Berlin 2004, S. 833 ff.).
8. In ihrem Schreiben vom 22. Mai 2006 hat die Beschwerdeführerin den Austritt aus der staatskirchenrechtlichen Organisation "Katholische Kirchgemeinde Luzern" erklärt. Die kantonalen Behörden sehen darin auch deshalb keine gültige Austrittserklärung, weil § 12 der Kirchenverfassung nicht bloss einen Austritt aus einer Kirchgemeinde zulasse. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass eine solche Auslegung des kantonalen Rechts willkürlich sei. Sie macht allein geltend, dass sie eine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit bewirke. Diese Rüge ist indessen im Lichte der obigen Ausführungen unbegründet. Denn die kantonale
BGE 134 I 75 S. 81
Gesetzgebung darf verlangen, dass der Austritt nicht nur aus der Kirchgemeinde, sondern aus der Landeskirche erklärt wird (vgl. E. 4.3). Die Beschwerdeführerin kritisiert auch, dass sie im Verfahren vor dem Synodalrat zu den Hintergründen ihres Schreibens vom 22. Mai 2006 näher befragt und - nach Verweigerung der Aussage zu einzelnen Fragen - sogar zur Beweisaussage angehalten wurde. Da das erwähnte Schreiben die Anforderungen einer Austrittserklärung nicht erfüllte, lag es nahe, den Willen der Beschwerdeführerin durch eine Befragung näher zu ergründen. Es ist darüber hinaus zulässig, Fragen zu den Motiven und Hintergründen des Austritts zu stellen. Da ein solcher jedoch nicht begründet werden muss, ist es unstatthaft, allein aus der Aussageverweigerung bei entsprechenden Fragen auf den fehlenden Austrittswillen zu schliessen. Die Würdigung des Aussageverhaltens im angefochtenen Entscheid erscheint in dieser Hinsicht verfassungswidrig. Nicht zu beanstanden ist dagegen die Folgerung, die Beschwerdeführerin habe durch ihre Aussageverweigerung nichts dazu beigetragen, den Mangel ihrer Erklärung vom 22. Mai 2006 zu beheben. Der Synodalrat durfte in diesem Zusammenhang auch zwei frühere Schreiben der Beschwerdeführerin vom 7. März und 28. April 2005 berücksichtigen, in denen sie ebenfalls ihren Austritt aus der katholischen Kirchgemeinde Luzern erklärte. Nach einem Briefwechsel und der Erhebung von zwei Gemeindebeschwerden teilte sie der Kirchgemeinde am 8. April 2006 mit, dass sie die beiden Rechtsmittel durch ihren Anwalt zurückziehen lasse; zudem wolle sie, soweit dies überhaupt möglich bzw. nötig sei, wieder in die katholische Kirchgemeinde Luzern eintreten. Wenn die Beschwerdeführerin nur wenige Wochen später ohne jegliche Erläuterung erneut den Austritt aus ebendieser Kirchgemeinde erklärt, erscheint ihr Verhalten wenig kohärent. Die kantonalen Behörden durften deshalb den Schluss ziehen, aus der Vorgeschichte und aus dem Aussageverhalten gehe kein klar erkennbarer Wille der Beschwerdeführerin hervor, aus der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern auszutreten. Jedenfalls zeigt sie nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |
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1 | Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |
2 | Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. |
3 | Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein. |
4 | Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar. |
BGE 134 I 75 S. 82
Beschwerdeführerin mitberücksichtigt wird. Dieses bestätigt im Gegenteil, dass sie ihren Willen zum Kirchenaustritt nicht in der erforderlichen Eindeutigkeit kundgetan hat.
9.
9.1 Der angefochtene Entscheid verletzt damit zwar die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die übrigen angerufenen verfassungsmässigen Rechte der Beschwerdeführerin nicht. Er stützt sich jedoch zu einem wesentlichen Teil auf eine verfassungswidrige Begründung. Die Beschwerde ist deshalb im Sinne der Erwägungen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.