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BGE-133-V-416


Urteilskopf

133 V 416

52. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Assura Kranken- und Unfallversicherung sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_43/2007 vom 7. August 2007

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 416

BGE 133 V 416 S. 416

A. Der 1955 geborene Dr. med. S., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, war bis Ende 2003 bei der Assura Kranken- und Unfallversicherung obligatorisch für Krankenpflege versichert. Im Zusammenhang mit einem gemeldeten Zeckenbiss aus dem Jahre 1999 erbrachte der Unfallversicherer (Zürich Versicherungs-Gesellschaft) zunächst die gesetzlichen
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Versicherungsleistungen, lehnte aber mit Verfügung vom 8. Januar 2003 und Einspracheentscheid vom 7. März 2006 den Anspruch auf Leistungen ab. Das zu dieser Frage eingeleitete Rechtsmittelverfahren ist letztinstanzlich noch beim Bundesgericht hängig (U 585/06). Die Assura anerkannte am 3. April 2003 im Grundsatz ihre Vorleistungspflicht für die Behandlung der angeblich durch den Zeckenbiss übertragenen Lyme-Borreliose, verweigerte aber gewisse Leistungen, worauf das damalige Eidg. Versicherungsgericht (heute Bundesgericht) in teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 27. Januar 2005 die sich nach Massgabe des KVG richtende Vorleistungspflicht der Assura bestätigte. S. ersuchte die Assura am 15. Dezember 2005 um Rückerstattung der Kosten für in der Zeit vom 6. Dezember 2001 bis 17. Januar 2002 und vom 5. November bis 16. Dezember 2002 von ihm an sich selbst vorgenommene Borreliose-Behandlungen im Gesamtbetrag von Fr. 22'532.60. Mit Verfügung vom 14. März 2006 lehnte die Assura die Vergütung der beiden Rechnungen ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 5. Mai 2006 fest.
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. Januar 2007 ab.
C. S. lässt Beschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei im Rahmen der Vorleistungspflicht sein Anspruch von Fr. 22'532.60 für die Selbstbehandlungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anzuerkennen. Die Assura und das Bundesamt für Gesundheit schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Streitig ist, ob sich die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenversicherung auch auf die Selbstbehandlung eines Arztes erstreckt. Diese dem Bundesgericht erstmals vorgelegte Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb über sie nach Art. 20 Abs. 2
SR 173.110 Loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF) - Organisation judiciaire
LTF Art. 20 Composition - 1 En règle générale, les cours statuent à trois juges.
1    En règle générale, les cours statuent à trois juges.
2    Elles statuent à cinq juges si la cause soulève une question juridique de principe ou si un juge en fait la demande. Sont exceptés les recours contre les décisions des autorités cantonales de surveillance en matière de poursuite pour dettes et de faillite.
3    Elles statuent également à cinq juges sur les recours contre un acte normatif cantonal soumis ou sujet au référendum ainsi que sur les recours contre une décision cantonale ayant trait à la recevabilité d'une initiative ou à l'exigence d'un référendum. Sont exceptés les recours qui portent sur une cause relevant d'une commune ou d'une autre corporation de droit cantonal.
BGG in Fünferbesetzung zu entscheiden ist.
2.

2.1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer
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Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1
SR 832.10 Loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal)
LAMal Art. 25 Prestations générales en cas de maladie - 1 L'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations qui servent à diagnostiquer ou à traiter une maladie et ses séquelles.
KVG). Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, so schulden gemäss Art. 42 Abs. 1
SR 832.10 Loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal)
LAMal Art. 42 - 1 Sauf convention contraire entre les assureurs et les fournisseurs de prestations, l'assuré est le débiteur de la rémunération envers le fournisseur de prestations. L'assuré a, dans ce cas, le droit d'être remboursé par son assureur (système du tiers garant). En dérogation à l'art. 22, al. 1, LPGA138, ce droit peut être cédé au fournisseur de prestations.139
KVG die Versicherten den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung, wobei sie gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (im Sinne der Erstattung oder Vergütung) haben (System des Tiers garant). Versicherer können nach Abs. 2 dieses Artikels vereinbaren, dass der Versicherer die Vergütung schuldet (System des Tiers payant). Ein Anspruch auf Erstattung des Honorars eines freipraktizierenden Leistungserbringers durch den Versicherer besteht jedoch in der Regel nur, wenn eine solche Honorarforderung nach den zivilrechtlichen Voraussetzungen gegeben ist (BGE 125 V 430 E. 3a S. 432 und 435 E. 3a), wobei deren Erfüllung im letztgenannten Fall des Eltern-Kind-Verhältnisses offenbleiben kann.
2.2 Gestützt auf die in E. 2.1 dargelegte Rechtsprechung hat das kantonale Gericht zu Recht geprüft, ob dem Leistungserbringer, der identisch mit dem Beschwerdeführer ist, ein Honoraranspruch gegenüber sich selbst entstanden ist. Die Vorinstanz verneint dies im Wesentlichen auf den Überlegungen basierend, dass das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient unter die Bestimmungen über den Auftrag (Art. 394 ff
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 394 - 1 Le mandat est un contrat par lequel le mandataire s'oblige, dans les termes de la convention, à gérer l'affaire dont il s'est chargé ou à rendre les services qu'il a promis.
. OR) fällt und dass niemand mit sich selbst einen Vertrag schliessen kann. Diese Auffassung wird von der Doktrin (siehe GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], 2. Aufl., Basel 2006, Rz. 951 und Fn. 1483) und dem Bundesamt für Gesundheit geteilt.
3.

3.1 Den vorinstanzlichen Erwägungen ist beizupflichten: Das vom Gesetzgeber gewählte System des Tiers garant (vgl. Art. 42 Abs. 1
SR 832.10 Loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal)
LAMal Art. 42 - 1 Sauf convention contraire entre les assureurs et les fournisseurs de prestations, l'assuré est le débiteur de la rémunération envers le fournisseur de prestations. L'assuré a, dans ce cas, le droit d'être remboursé par son assureur (système du tiers garant). En dérogation à l'art. 22, al. 1, LPGA138, ce droit peut être cédé au fournisseur de prestations.139
KVG) beruht auf einem personalen Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer (Krankenkasse), Versichertem (Patient) und Leistungserbringer (z.B. Arzt). Gleiches gilt ohne Weiteres auch für das System des Tiers payant. Sind nun aber - wie hier - Patient und Arzt identisch, schuldet Ersterer sich selbst mangels eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses offensichtlich keine Vergütung für die an seiner eigenen Person vorgenommenen ärztlichen Behandlungen.
3.2 Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringen lässt, dringt nicht durch:
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3.2.1 Er macht geltend, er könne wegen des Versicherungsobligatoriums nicht wählen, ob er eine Krankenversicherung abschliessen oder sich selbst behandeln wolle und habe daher Anspruch auf die volle Übernahme der Kosten für Pflichtleistungen. Dass er - wie jede versicherte Person - grundsätzlich Anspruch auf die Leistungen nach KVG hat, ändert nach dem Gesagten indessen nichts daran, dass die entsprechenden Voraussetzungen jeweils erfüllt sein müssen. Wenn behandelter Patient und behandelnder Arzt die gleichen Personen sind, fehlt es an einer krankenversicherungsrechtlich vergütungsfähigen Honorarforderung, weshalb eine Leistungspflicht des Versicherers entfällt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bietet das KVG keinen Raum, den Ausnahmefall der ärztlichen Selbstbehandlung, wie von ihm verlangt, zu regeln, liegt doch diesfalls das nach dem vom Gesetzgeber gewählten System verlangte rückforderbare Substrat nicht vor.
3.2.2 Aus der nicht Gegenstand des Verfahrens bildenden Übernahme der Medikamentenkosten durch die Beschwerdegegnerin kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Ob, wie EUGSTER, a.a.O., in Rz. 951 an sich folgerichtig postuliert, von einem Arzt sich selbst verordnete Arzneimittel nicht Pflichtleistungen sein können, kann offenbleiben, ist doch unbestritten, dass der Beschwerdeführer sich diese nicht selbst verordnet hat. Vielmehr wurden sie ihm von einer anderen ihn behandelnden Ärztin verschrieben.

3.2.3 Aus der Rechtsprechung, wonach sich die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auch auf die ärztliche Behandlung durch den Ehepartner der versicherten Person (BGE 125 V 430) und durch einen Elternteil des versicherten Kindes (BGE 125 V 435) erstreckt, ergibt sich ebenfalls nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers, lag doch jenen Konstellationen keine personelle Identität zu Grunde.

3.2.4 Dass der Beschwerdeführer bei einer anderen Ärztin in Behandlung steht, die ihm die Medikamente und die Behandlung verordnet hat, ändert nichts daran, dass es im Wesentlichen um eine nicht kassenpflichtige Selbstbehandlung geht.
3.2.5 Inwiefern schliesslich die Selbstbehandlung wirtschaftlicher sein soll, ist nicht nachvollziehbar, hat doch der Beschwerdeführer (als Leistungserbringer) den üblichen Ansatz nach Tarif in Rechnung gestellt.
BGE 133 V 416 S. 420

4. Die KV-rechtliche Vergütung ärztlicher Selbstbehandlung ist auch wegen der Gefahr des Missbrauchs zu verneinen (vgl. zur Ungültigkeit des Selbstkontrahierens bei Interessenkollisionen im Zivilrecht: GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, S. 157 N. 15 zu § 18 mit Hinweisen auf die Praxis). Eine solche hatte das damalige Eidg. Versicherungsgericht zwar bereits in den in E. 3.2.3 erwähnten Konstellationen geortet. Es hielt aber fest, dass es dem Krankenversicherer unbenommen bleibt, die Kontrollmöglichkeiten in solchen Fällen zu intensivieren. In jenen Fällen waren Arzt und Patient wohl familiär sehr eng miteinander verbunden, jedoch verschiedene natürliche Personen. Den an seiner eigenen Person tätig werdenden Arzt als Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen, würde indessen zu einer Vermischung der Rollen der versicherten Person und des Leistungserbringers führen, was auch unter dem Gesichtswinkel einer jederzeit möglichen und unkontrollierbaren Missbrauchsgefahr abzulehnen ist.
133 V 416 07 août 2007 13 octobre 2007 Tribunal fédéral 133 V 416 ATF - Droit des assurances sociales (jusqu'en 2006: TFA)

Objet Art. 25 al. 1, art. 42 al. 1 LAMal; art. 394 CO: Soins médicaux dispensés à soi-même. L'obligation de l'assurance-maladie

Répertoire des lois
CO 394
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 394 - 1 Le mandat est un contrat par lequel le mandataire s'oblige, dans les termes de la convention, à gérer l'affaire dont il s'est chargé ou à rendre les services qu'il a promis.
LAMal 25
SR 832.10 Loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal)
LAMal Art. 25 Prestations générales en cas de maladie - 1 L'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations qui servent à diagnostiquer ou à traiter une maladie et ses séquelles.
LAMal 42
SR 832.10 Loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal)
LAMal Art. 42 - 1 Sauf convention contraire entre les assureurs et les fournisseurs de prestations, l'assuré est le débiteur de la rémunération envers le fournisseur de prestations. L'assuré a, dans ce cas, le droit d'être remboursé par son assureur (système du tiers garant). En dérogation à l'art. 22, al. 1, LPGA138, ce droit peut être cédé au fournisseur de prestations.139
LTF 20
SR 173.110 Loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF) - Organisation judiciaire
LTF Art. 20 Composition - 1 En règle générale, les cours statuent à trois juges.
1    En règle générale, les cours statuent à trois juges.
2    Elles statuent à cinq juges si la cause soulève une question juridique de principe ou si un juge en fait la demande. Sont exceptés les recours contre les décisions des autorités cantonales de surveillance en matière de poursuite pour dettes et de faillite.
3    Elles statuent également à cinq juges sur les recours contre un acte normatif cantonal soumis ou sujet au référendum ainsi que sur les recours contre une décision cantonale ayant trait à la recevabilité d'une initiative ou à l'exigence d'un référendum. Sont exceptés les recours qui portent sur une cause relevant d'une commune ou d'une autre corporation de droit cantonal.
Répertoire ATF
Décisions dès 2000