BGE-125-V-430
Urteilskopf
125 V 430
70. Urteil vom 20. Dezember 1999 i.S. A. gegen Visana und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste (de):
- Art. 25 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 42 - 1 Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, so schulden die Versicherten den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung. Die Versicherten haben in diesem Fall gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (System des Tiers garant). In Abweichung von Artikel 22 Absatz 1 ATSG138 kann dieser Anspruch dem Leistungserbringer abgetreten werden.139
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
- Die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erstreckt sich auch auf ärztliche Behandlungen durch den Ehepartner der versicherten Person.
Regeste (fr):
- Art. 25 al. 1, art. 41 et 42 al. 1 LAMal; art. 163 al. 1 CC: traitement médical administré par le conjoint.
- Les prestations dues au titre de l'assurance obligatoire des soins comprennent également la prise en charge des traitements médicaux administrés par le conjoint de la personne assurée.
Regesto (it):
- Art. 25 cpv. 1, art. 41 e 42 cpv. 1 LAMal, art. 163 cpv. 1 CC: cure mediche prestate dal coniuge.
- Configurano prestazioni a carico dell'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie pure le cure mediche prestate dal coniuge della persona assicurata.
Sachverhalt ab Seite 430
BGE 125 V 430 S. 430
A.- Dr. med. A. ist praktizierender Arzt und liess sich in der Zeit vom 31. Dezember 1997 bis 31. Mai 1998 von seiner Ehefrau und Praxispartnerin, Dr. med. B., wegen Infektionen, Krankheiten des Bewegungsapparates und Venenleiden behandeln. Von den dafür insgesamt von der Ehefrau in Rechnung gestellten Fr. 4'670.25 anerkannte die Visana, bei welcher A. krankenpflegeversichert war, die Kosten für Labor, Röntgen, Material und Medikamente als kostenpflichtig und erstattete den Betrag von Fr. 2'627.75 zurück. Mit Verfügung vom 21. September 1998 lehnte sie die Übernahme weiterer Kosten für diese Behandlung ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 20. November 1998 fest.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 11. Mai 1999 ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde hält A. an seinem Begehren um Vergütung des ganzen in Rechnung gestellten Betrages durch die Visana fest. (...).
BGE 125 V 430 S. 431
Die Visana beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Streitig und zu prüfen ist, ob und bejahendenfalls inwieweit die Krankenversicherung die medizinischen Leistungen, die eine Ärztin oder ein Arzt ihrem Ehepartner oder ihrer Ehepartnerin erbringt, zu übernehmen hat.
2. a) Die Visana hat die Kosten für Labor, Röntgen, Material und Medikamente zurückerstattet und darauf hingewiesen, dass die Behandlung an sich, da sie nicht über eine normale Routineangelegenheit hinausgegangen sei, im Rahmen der familienrechtlichen Beistands- und Unterhaltspflicht erfolgt sei. b) Die Vorinstanz hat die Auffassung der Krankenkasse im Ergebnis bestätigt und festgehalten, dass im vorliegenden Fall die Rückerstattung der Kassenleistung nach dem System des Tiers garant erfolge und nur in Frage komme, wenn der Ehegattin als Leistungserbringerin des Versicherten ein Honoraranspruch entstanden sei. Gesundheitskosten für geläufige Krankheiten, zahnärztliche Behandlung, Kontrollen, Operationen, mit denen man rechnen müsste, gehörten grundsätzlich zum Familienbudget. Solche durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung gedeckte Behandlungskosten seien zum gebührenden Familienunterhalt nach Art. 163

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
BGE 125 V 430 S. 432
Diese Einschränkung sei mit einer Prämienreduktion verbunden gewesen. Heute könnten für die Grundversicherung keine Rabatte mehr gewährt werden. Es sei auch aus diesem Grund nicht einzusehen, weshalb die ärztliche Behandlung von Familienangehörigen leistungsmässig schlechter gestellt werden sollte. Die Auffassung, wonach eine Behandlung, die aus der obligatorischen Grundversicherung gedeckt sei, zum gebührenden Familienunterhalt gehören sollte, sei aus der Luft gegriffen.
3. a) Wie die Vorinstanz erwogen hat, übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1

SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. |

SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 42 - 1 Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, so schulden die Versicherten den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung. Die Versicherten haben in diesem Fall gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (System des Tiers garant). In Abweichung von Artikel 22 Absatz 1 ATSG138 kann dieser Anspruch dem Leistungserbringer abgetreten werden.139 |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
BGE 125 V 430 S. 433
Ehegattin kann deshalb unter dem Gesichtswinkel der familienrechtlichen Unterhaltspflicht nicht gefordert werden, dass sie die ärztliche Behandlung für ihren Ehemann neben der gemeinsamen Tragung der Prämien und übrigen Kosten leiste. Zum Unterhalt nach Art. 163

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
4. Zu prüfen ist des Weiteren, ob sich der Versicherte statt von einem andern Arzt von seiner Ehefrau zu Lasten der Krankenversicherung behandeln lassen kann. a) Nach Art. 168

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 168 - Jeder Ehegatte kann mit dem andern oder mit Dritten Rechtsgeschäfte abschliessen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. |
BGE 125 V 430 S. 434
Gesetz nichts anderes bestimmt. Diese Bestimmung gewährt den Ehegatten privatautonome Gestaltungsfreiheit. Nur deshalb, weil jemand verheiratet ist, soll ihm nicht der Zugang zu Rechtsgeschäften verwehrt sein, die an sich jede Person abschliessen kann (BRÄM/HASENBÖHLER, a.a.O., N. 1 zu Art. 168

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 168 - Jeder Ehegatte kann mit dem andern oder mit Dritten Rechtsgeschäfte abschliessen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 165 - 1 Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 165 - 1 Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 165 - 1 Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 165 - 1 Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung. |

SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127 |
5. Es ist nicht zu verkennen, dass jemand, der sich zu Lasten der Krankenversicherung durch seinen Ehegatten behandeln lassen kann, eventuell eher geneigt ist, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, als wenn er einen andern Arzt aufsuchen müsste. Es mag für die Ehegatten auch ein gewisser Anreiz gegeben sein, die Behandlung über das notwendige Mass auszudehnen, weil der behandelnde Ehegatte damit einen Erwerb erzielt, der beiden Ehegatten zugute kommen kann. Dem Krankenversicherer bleibt es indessen unbenommen, die Kontrollmöglichkeiten in solchen Fällen zu intensivieren.
6. Zusammengefasst steht es dem Beschwerdeführer frei, sich von seiner Ehefrau ärztlich versorgen zu lassen. Da den entsprechenden medizinischen Leistungen ein Rechtsverhältnis zu Grunde liegt und in einer Rechtsordnung mit dem System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht verlangt werden kann, dass unter dem Gesichtswinkel der familienrechtlichen Unterhaltspflicht die ärztliche Behandlung neben der gemeinsamen Tragung der Prämien und übrigen Kosten geleistet wird, ist der Leistungserbringerin gegenüber dem Beschwerdeführer auch für die Kosten der Behandlung an sich ein Honoraranspruch entstanden, wobei dem
BGE 125 V 430 S. 435
Versicherten grundsätzlich ein Anspruch auf Rückerstattung gegenüber dem Versicherer zusteht. Dem Krankenversicherer obliegt die massliche Überprüfung der Forderung.
Gesetzesregister
KVG 25
KVG 41
KVG 42
ZGB 163
ZGB 165
ZGB 168
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127 |
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) KVG Art. 42 - 1 Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, so schulden die Versicherten den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung. Die Versicherten haben in diesem Fall gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (System des Tiers garant). In Abweichung von Artikel 22 Absatz 1 ATSG138 kann dieser Anspruch dem Leistungserbringer abgetreten werden.139 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 165 - 1 Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 168 - Jeder Ehegatte kann mit dem andern oder mit Dritten Rechtsgeschäfte abschliessen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. |