Urteilskopf

133 V 408

51. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft und Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft gegen H. sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) B 136/06 vom 9. Juli 2007

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 409

BGE 133 V 408 S. 409

A.

A.a H. war seit 1987 bei der Bank X. tätig, zuletzt ab Januar 1995 als Bankleiter. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war er einerseits bei der Berna Schweizerische Personalfürsorge- und Hinterbliebenen-Stiftung (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 1) und andererseits bei der Berna-Plus Sammelstiftung für Personalvorsorge (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 2) berufsvorsorgeversichert. Die Bank X. löste den Anschlussvertrag mit der Berna Schweizerische Personalfürsorge- und Hinterbliebenen-Stiftung (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 1) per 1. Januar 2003 auf. Im Jahre 2001 wurde H. seiner Funktion als Bankleiter enthoben und war in der Folge teilweise arbeitsunfähig. Am 18. Oktober 2002 kündigte die Bank X. das Arbeitsverhältnis auf den 30. April 2003 und reichte im Dezember 2002 gegen H. eine Strafanzeige ein. Mit Verfügung vom 29. Juni 2004 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Bern mit Wirkung ab 1. Oktober 2003 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe Invalidenrente zu.
A.b Mit Wirkung ab 1. August 1988 hatte die Bank X. für ihre Mitarbeiter bei der Berna-Plus Sammelstiftung für Personalvorsorge (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 2) eine Gruppenversicherung abgeschlossen, mit der u.a. ein Todesfallkapital als Hinterlassenenleistung versichert wurde. Als versicherte Mitarbeiterin wurde der Sammelstiftung auch die Ehefrau von H., C.H., gemeldet. Sie verstarb im Sommer 2002. Die Sammelstiftung richtete hierauf H. am 22. August 2002 das versicherte Todesfallkapital von Fr. 200'000.- aus. Am 11. April 2005 zedierte die Beschwerdeführerin 2 ihre diesbezügliche Rückerstattungsforderung an die Beschwerdeführerin 1.
A.c Am 11. April 2005 teilte die Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft H. mit, dass ihm aus den Berufsvorsorgeversicherungen bei den Beschwerdeführerinnen 1 und 2 Invalidenrenten von insgesamt Fr. 27'641.50 pro Jahr zustehen und die vom 20. November 2003 bis 30. Juni 2005 aufgelaufenen Rentenbetreffnisse von Fr. 44'619.30 mit der Rückerstattungsforderung verrechnet werden. Die verbleibende Rückerstattungsforderung belaufe sich noch auf Fr. 155'380.70.
B. Am 22. April 2005 liess H. Klage erheben mit dem Rechtsbegehren, die beiden Beklagten seien zu verpflichten, ihm die "bis
BGE 133 V 408 S. 410

dato" fälligen Invalidenrenten von Fr. 44'619.30 nebst Zins zu 5 % "seit wann rechtens" zu bezahlen und es sei festzustellen, dass er Anspruch auf Invalidenrenten von Fr. 27'641.50 pro Jahr habe; ausserdem seien die ihm zustehenden Freizügigkeitsleistungen gerichtlich festzustellen und die Beklagten zu verpflichten, ihm diese auf sein Freizügigkeitskonto zu überweisen. Die beiden Beklagten liessen beantragen, die gegen die Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft erhobene Klage sei vollumfänglich, diejenige gegen die Sammelstiftung BVG der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft insoweit abzuweisen, als der Kläger mehr als eine Invalidenrente von Fr. 8'002.- pro Jahr verlange. Die Sammelstiftung BVG der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft erhob überdies Widerklage mit dem Rechtsbegehren, der Kläger sei zu verpflichten, ihr unter Verrechnung der Rentenbetreffnisse für die Zeit vom 20. November 2003 bis 30. Juni 2005 in der Höhe von Fr. 12'915.- noch Fr. 187'083.05 nebst Zins zu 5 % ab Einreichung der Widerklage zu bezahlen. Mit Entscheid vom 20. September 2006 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die gegen die Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft und die Sammelstiftung BVG der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft erhobenen Klagen gut und verpflichtete erstere, dem Kläger ab 20. November 2003 eine Invalidenrente von Fr. 9'214.- pro Jahr sowie letztere, eine Invalidenrente von Fr. 18'427.50 pro Jahr, je nebst Zins von 5 % ab dem Zeitpunkt der "jeweiligen Fälligkeit" der Rentenbetreffnisse auszurichten. Auf die Widerklage der Sammelstiftung BVG der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft trat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nicht ein.
C. Die Sammelstiftung BVG der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft und die Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde; erstere mit dem Rechtsbegehren, die ihr gegenüber erhobene Klage sei abzuweisen, soweit dem Kläger mehr als eine Invalidenrente von Fr. 8'002.- pro Jahr ab 20. November 2003 zugesprochen worden sei. Die Streitsache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese prüfe, inwieweit die dem Kläger ab 20. November 2003 zustehenden Invalidenrenten durch Verrechnung getilgt seien. Die Widerklage sei materiell zu beurteilen.
BGE 133 V 408 S. 411

Die Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Lebensversicherungs-Gesellschaft beantragt vollumfängliche Abweisung der gegen sie erhobenen Klage. H. lässt in seiner Vernehmlassung beantragen, beide Verwaltungsgerichtsbeschwerden seien, soweit darauf einzutreten sei, vollumfänglich abzuweisen. Falls die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin 2 betreffend ihre Widerklage gutgeheissen werde, sei die Widerklage vollumfänglich abzuweisen, eventuell zur Abweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner stellt er das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1

5.1.1 Die Beschwerdeführerin 1 stützt die zur Verrechnung gestellte Rückerstattungsforderung für die am 22. August 2002 dem Beschwerdegegner ausbezahlte Todesfallsumme von Fr. 200'000.- auf die Ungültigkeit des von der Beschwerdeführerin 2 im Jahre 1988 mit der Ehefrau des Beschwerdegegners abgeschlossenen Berufsvorsorgevertrages. Sie macht geltend, beim Abschluss jenes Vertrages sei Frau C.H. fälschlicherweise als Arbeitnehmerin der Bank X. gemeldet und versichert worden, obwohl nie ein solches Arbeitsverhältnis bestanden habe. Von diesem Irrtum über die Versicherteneigenschaft von C.H. habe die Beschwerdeführerin 2 erst mit dem Schreiben des kantonalen Untersuchungsrichters vom 18. Juni 2004 erfahren.
5.1.2 Das kantonale Gericht ist auf die Widerklage, welche die Rückerstattungsforderung der Beschwerdeführerin 1 zum Streitgegenstand hat, nicht eingetreten, weil es sich beim entsprechenden streitgegenständlichen Versicherungsvertrag um "eine ausserhalb der beruflichen Vorsorge stehende Versicherungsvereinbarung" handle, deren materielle Beurteilung in die sachliche Zuständigkeit des Zivilrichters und nicht des Berufsvorsorgerichters im Sinne von Art. 73 Abs. 1
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
1    Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
a  Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche der Erhaltung der Vorsorge im Sinne der Artikel 4 Absatz 1 und 26 Absatz 1 FZG305 dienen;
b  Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche sich aus der Anwendung von Artikel 82 Absatz 2 ergeben;
c  Verantwortlichkeitsansprüche nach Artikel 52;
d  den Rückgriff nach Artikel 56a Absatz 1.306
2    Die Kantone sehen ein einfaches, rasches und in der Regel kostenloses Verfahren vor; der Richter stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest.
3    Gerichtsstand ist der schweizerische Sitz oder Wohnsitz des Beklagten oder der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde.
4    ...307
Satz 1 BVG falle. Aus demselben Grund hat die Vorinstanz auch die Verrechenbarkeit der bereits fällig gewordenen
BGE 133 V 408 S. 412

Invalidenrentenansprüche des Beschwerdegegners mit der Rückerstattungsforderung - mangels rechtlicher Durchsetzbarkeit - verneint.
5.2

5.2.1 Was zunächst die Qualifikation des von der Beschwerdeführerin 2 im Jahre 1988 mit der Ehefrau des Beschwerdegegners abgeschlossenen Versicherungsvertrages betrifft, kann der vorinstanzlichen Rechtsauffassung nicht beigepflichtet werden.
5.2.2 Der privatrechtliche Vorsorgevertrag ist ein Innominatkontrakt, der funktional mit dem Lebensversicherungsvertrag im Sinne des VVG verwandt ist (BGE 129 III 305 E. 2.2 S. 307). Seine vertragstypischen Merkmale bestehen darin, dass sich eine Vorsorgeeinrichtung gegenüber ihren Destinatären verpflichtet, diese und ihre Familienangehörigen planmässig durch normierte Leistungen gegen die wirtschaftlichen Folgen eines versicherbaren Risikos - in aller Regel Alter, Tod und Invalidität - zu schützen. Nicht begriffswesentlich sind Beitragsleistungen der versicherten Arbeitnehmer, doch müssen sich diese in der Regel zu solchen verpflichten (HANS MICHAEL RIEMER, Vorsorge-, Fürsorge- und Sparverträge der beruflichen Vorsorge, in: Forstmoser/Tercier/Zäch [Hrsg.], Innominatverträge, Festgabe zum 60. Geburtstag von Walter R. Schluep, Zürich 1988, S. 233). Beitragsschuldner der Arbeitnehmerbeiträge ist aber auch in diesem Fall der Arbeitgeber (RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006, § 4 Rz. 19 S. 93). Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 2 (Berna-Plus Sammelstiftung für Personalvorsorge) verpflichtete sich als Personalvorsorgestiftung im Sinne von Art. 89bis Abs. 6 ZGB in dem mit Wirkung ab 1. August 1988 abgeschlossenen Vertrag, den Arbeitnehmern der Bank X. nach dem reglementarischen Vorsorgeplan (Art. 5 des Reglementes G 5992) die versicherten Hinterlassenenleistungen im Todesfall (Art. 5 Ziff. 2 des Reglementes G 5992) sowie die Befreiung von der Beitragspflicht bei Erwerbsunfähigkeit (Art. 5 Ziff. 1 des Reglementes G 5992) zu erbringen. Dieser Vertrag enthielt damit alle Wesensmerkmale eines überobligatorischen Berufsvorsorgevertrages, und die Beurteilung der daraus entstandenen Streitigkeiten zwischen Sammelstiftung und Destinatären fällt gemäss Art. 73 Abs. 1
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
1    Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
a  Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche der Erhaltung der Vorsorge im Sinne der Artikel 4 Absatz 1 und 26 Absatz 1 FZG305 dienen;
b  Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche sich aus der Anwendung von Artikel 82 Absatz 2 ergeben;
c  Verantwortlichkeitsansprüche nach Artikel 52;
d  den Rückgriff nach Artikel 56a Absatz 1.306
2    Die Kantone sehen ein einfaches, rasches und in der Regel kostenloses Verfahren vor; der Richter stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest.
3    Gerichtsstand ist der schweizerische Sitz oder Wohnsitz des Beklagten oder der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde.
4    ...307
BVG in die Zuständigkeit des Berufsvorsorgegerichts. Das kantonale Gericht hat daher seine
BGE 133 V 408 S. 413

sachliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Die von der Beschwerdeführerin 1 dem Beschwerdegegner verrechnungsweise entgegengehaltene Gegenforderung ist im vorliegenden Verfahren materiell zu beurteilen.
5.3

5.3.1 Dem Rechtssinne nach macht die Beschwerdeführerin 1 einen wesentlichen Irrtum (Erklärungs- oder Grundlagenirrtum) im Sinne von Art. 23
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
/24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
OR geltend, weil ihr sowohl beim Abschluss des Vorsorgevertrages mit der Ehefrau des Beschwerdegegners als auch danach verschwiegen worden sei, dass diese gar nie Arbeitnehmerin der Bank X. war und ihr deshalb die erforderliche Versicherteneigenschaft von Anfang an fehlte. Die Beschwerdeführerin 1 stützt sich hiefür auf den Umstand, dass der beim Vertragsabschluss für die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 2 (Berna-Plus Sammelstiftung für Personalvorsorge) handelnde Y. Vermittlungs- und nicht Abschlussagent gewesen sei, weshalb sein Wissen nicht zugerechnet werden könne.
5.3.2 Y., der die Bank X. beim Abschluss des Berufsvorsorgevertrages im Jahre 1988 als Mitarbeiter der Generalagentur Z. der Berner Lebensversicherungs-Gesellschaft beraten hat, wurde am 7. Juni 2004 in dem gegen den Beschwerdegegner geführten Strafuntersuchungsverfahren als Auskunftsperson befragt. Er hat dabei zu Protokoll erklärt, er habe gewusst, dass Frau C.H. nicht "in der Bank arbeitete und auch keine Anstellung vorgesehen war". Es sei daher klar gewesen, dass sie "nicht in den BVG-Vertrag eintreten durfte". Hingegen hätten "für den Beitritt in die zusätzliche und separate Risikogruppenversicherung" keine "Probleme" bestanden. Er selbst habe den "Miteinbezug von Frau C.H." in diese Versicherung vorgeschlagen (".... von mir ausgehend ...."). Es habe damals zwar kein "Versicherungsmodell unter Einbezug von Ehepartnern der Angestellten" gegeben. Vielmehr sei es "dem jeweiligen Berater resp. der Generalagentur überlassen" gewesen, "für entsprechende Fälle Lösungen zu suchen". Der Vertrag mit der Bank X. sei "kein Ausnahmevertrag" gewesen. "Die praktische Umsetzung" sei "öfters auch mit Mitarbeitern der Direktion besprochen" worden; so z.B. "mit Herrn lic. iur. M., Verantwortlicher der Berna-Verträge".
5.3.3 Die Beschwerdeführerinnen haben den Wahrheitsgehalt dieser Depositionen von Y. in keiner Weise infrage gestellt, und es
BGE 133 V 408 S. 414

gibt auch sonst keinerlei Anhaltspunkt, der Zweifel an ihrer Richtigkeit begründen könnte. Es ist damit nachgewiesen, dass der Einbezug von Ehepartnern der Arbeitnehmer eines Arbeitgebers in einen überobligatorischen Berufsvorsorgevertrag von jener Art, wie er im Jahre 1988 von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 2 mit C.H. abgeschlossen wurde, vom Personalvorsorgeberater der Bank X. vorgeschlagen wurde und mit Wissen und Willen der Generaldirektion der Berner Lebensversicherungs-Gesellschaft erfolgte.
5.3.4 Gemäss Art. 34 Abs. 1
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 34 - Gegenüber dem Versicherungsnehmer hat das Versicherungsunternehmen für das Verhalten seines Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen.
VVG (in der bis 31. Dezember 2006 gültigen Fassung) gilt der Agent dem Versicherungsnehmer gegenüber als ermächtigt, für den Versicherer alle diejenigen Handlungen vorzunehmen, welche die Verrichtungen eines solchen Agenten gewöhnlich mit sich bringen, oder die der Agent mit stillschweigender Genehmigung des Versicherers vorzunehmen pflegt. Diese Bestimmung enthält eine dem allgemeinen Stellvertretungsrecht (Art. 32 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 32 - 1 Wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet.
1    Wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet.
2    Hat der Vertreter bei dem Vertragsabschlusse sich nicht als solcher zu erkennen gegeben, so wird der Vertretene nur dann unmittelbar berechtigt oder verpflichtet, wenn der andere aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis schliessen musste, oder wenn es ihm gleichgültig war, mit wem er den Vertrag schliesse.
3    Ist dies nicht der Fall, so bedarf es einer Abtretung der Forderung oder einer Schuldübernahme nach den hierfür geltenden Grundsätzen.
. OR) vorgehende, spezialgesetzliche Regelung der Stellvertretungsvollmacht des Versicherungsagenten. Sie entspricht im Wesentlichen einer Umschreibung der Voraussetzungen, die im Versicherungsgeschäft erfüllt sein müssen, damit eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht im Sinne von Art. 33 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 33 - 1 Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen.
1    Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen.
2    Ist die Ermächtigung durch Rechtsgeschäft eingeräumt, so beurteilt sich ihr Umfang nach dessen Inhalt.
3    Wird die Ermächtigung vom Vollmachtgeber einem Dritten mitgeteilt, so beurteilt sich ihr Umfang diesem gegenüber nach Massgabe der erfolgten Kundgebung.
OR (vgl. dazu BGE 120 II 197 E. 2b S. 200 f.) vorliegt und das Handeln eines Versicherungsagenten auf Seiten des Versicherers Vertretungswirkungen erzeugt.
In Lehre und Rechtsprechung zu Art. 34
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 34 - Gegenüber dem Versicherungsnehmer hat das Versicherungsunternehmen für das Verhalten seines Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen.
VVG hat sich die Unterscheidung zwischen Abschluss- und Vermittlungsagent durchgesetzt, welche dem Grundsatz nach besagt, dass sich der Versicherer das Wissen des Abschlussagenten ohne weiteres als eigenes zurechnen lassen muss, das Wissen des Vermittlungsagenten hingegen unter Vorbehalt unrichtiger Aufklärung und Belehrung nicht (BGE 96 II 204 E. 6 S. 214 f.; ALFRED MAURER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., Bern 1995, S. 209/210).
5.3.5 Geht man im vorliegenden Fall ebenfalls von der Unterscheidung zwischen Abschluss- und Vermittlungsagent sowie davon aus, dass Y. beim Abschluss des Berufsvorsorgevertrages mit der Ehefrau des Beschwerdegegners im Jahre 1988 als Vermittlungsagent tätig war, so liegt ein Ausnahmefall in dem Sinne vor, dass sein Wissen um die tatsächlichen Anstellungsverhältnisse bei der Bank X. der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin 2
BGE 133 V 408 S. 415

zuzurechnen ist. Denn wenn er um das fehlende Arbeitsverhältnis zwischen der Bank X. und C.H. wusste, wäre er nach Treu und Glauben zumindest verpflichtet gewesen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass dieser Umstand dem Einbezug von C.H. in den Berufsvorsorgevertrag entgegenstand. Stattdessen hat er den Einschluss der Ehefrau des Beschwerdegegners in die Berufsvorsorgeversicherung der Bankmitarbeiter selbst vorgeschlagen. Abgesehen von der Aufklärungs- und Beratungspflicht beim konkreten Vertragsabschluss kann aufgrund der Depositionen von Y. im Strafuntersuchungsverfahren auch nicht zweifelhaft sein, dass ganz allgemein der Einbezug von nicht bei einer Arbeitgeberfirma angestellten Ehepartnern in die Berufsvorsorgeverträge der Berna-Plus Sammelstiftung für Personalvorsorge damals mit Wissen und Willen der Direktion der Berner Lebensversicherungs-Gesellschaft erfolgte. Die Mitversicherung der Ehepartner von (leitenden) Mitarbeitern entsprach damals einer den geschäftsführenden Organen der Versicherungsgesellschaft bekannten und von ihnen tolerierten Praxis. Somit lag eine stillschweigende Genehmigung solcher Berufsvorsorgeverträge durch den Versicherer vor, was sowohl nach den allgemeinen aus Art. 33 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 33 - 1 Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen.
1    Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen.
2    Ist die Ermächtigung durch Rechtsgeschäft eingeräumt, so beurteilt sich ihr Umfang nach dessen Inhalt.
3    Wird die Ermächtigung vom Vollmachtgeber einem Dritten mitgeteilt, so beurteilt sich ihr Umfang diesem gegenüber nach Massgabe der erfolgten Kundgebung.
OR abgeleiteten stellvertretungsrechtlichen Regeln als auch nach dem Wortlaut von Art. 34 Abs. 1
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 34 - Gegenüber dem Versicherungsnehmer hat das Versicherungsunternehmen für das Verhalten seines Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen.
VVG (in der bis 31. Dezember 2006 gültigen Fassung) zur Folge hat, dass das Handeln des Versicherungsagenten dem Versicherer zuzurechnen ist und für diesen Vertretungswirkungen auslöst.
5.3.6 Ist es aber der Beschwerdeführerin 1 verwehrt, sich auf die Nichtkenntnis des fehlenden Anstellungsverhältnisses von C.H. im Zeitpunkt des mit ihr abgeschlossenen Berufsvorsorgevertrages zu berufen, ist auch ein wesentlicher Irrtum auf Seiten ihrer Rechtsvorgängerinnen (Beschwerdeführerin 2 und Berna-Plus Sammelstiftung für Personalvorsorge) ausgeschlossen, der die Ungültigkeit jenes Vertrages zur Folge haben könnte. Das dem Beschwerdegegner gestützt auf diesen Vertrag ausgerichtete Todesfallkapital von Fr. 200'000.- ist nicht rechtsgrundlos im Sinne von Art. 62 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR, sondern in Erfüllung des gültigen Vorsorgevertrages ausbezahlt worden. Es fehlt daher am Rechtsgrund für die von der Beschwerdeführerin 1 geltend gemachte Rückerstattungs- und zur Verrechnung gestellte Gegenforderung. Soweit die Beschwerdeführerin 1 ihre Rückerstattungsforderung im vorliegenden Verfahren widerklageweise (aktiv) geltend gemacht hat, ist ihre
BGE 133 V 408 S. 416

Widerklage demgemäss abzuweisen. Insoweit ist der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und zu ändern. Hingegen hat das kantonale Gericht die Rückerstattungsforderung zu Recht nicht zur Verrechnung mit den fälligen Invalidenrenten des Beschwerdegegners zugelassen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 133 V 408
Date : 09. Juli 2007
Published : 13. Oktober 2007
Source : Bundesgericht
Status : 133 V 408
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 89bis Abs. 6 ZGB; Art. 33 Abs. 3 OR; Art. 34 Abs. 1 VVG; Art. 73 Abs. 1 BVG. Zur Unterscheidung zwischen Abschluss-


Legislation register
BVG: 73
OR: 23  24  32  33  62
VVG: 34
ZGB: 89bis
BGE-register
120-II-197 • 129-III-305 • 133-V-408 • 96-II-204
Weitere Urteile ab 2000
B_136/06
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
1995 • [noenglish] • affiliation agreement • agent • appellee • cantonal remedies • characteristics of an insured person • competency as regards the subject matter • complaint • contract conclusion • correctness • counterclaim • court and administration exercise • death • decision • defendant • disablement pension • doubt • duty to give information • effect of representation • employee • employer • error • error on a material point • federal court • foundation • function • good faith • hamlet • informant • insurance contract • insurer • intention • interest • intermediary • invalidity insurance office • investigating magistrate • judicature without remuneration • knowledge • language • legal demand • legal ground • life insurance • lower instance • material error • nullity • outside • pension plan • personnel merit rating • personnel precautionary trust • policy-holder • precautionary contract • precautionary institution • protective measures • spouse • statement of affairs • statement of reasons for the adjudication • subject matter of action • survivors' performances