133 IV 249
36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen A. und Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) 6S.64/2007 vom 13. August 2007
Regeste (de):
- Abhören fremder Gespräche (Art. 179bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 179bis - Wer ein fremdes nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung aller daran Beteiligten, mit einem Abhörgerät abhört oder auf einen Tonträger aufnimmt,
- Begriff der Nichtöffentlichkeit (E. 3.2).
- Telefonapparate und Mobiltelefone können, je nach ihrer konkreten Verwendung im Einzelfall, Abhörgeräte im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 179bis - Wer ein fremdes nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung aller daran Beteiligten, mit einem Abhörgerät abhört oder auf einen Tonträger aufnimmt,
- Der Tatbestand setzt voraus, dass der Täter erstens zum Zwecke des Abhörens eines fremden nichtöffentlichen Gesprächs ein Abhörgerät in Betrieb setzt und zweitens mit dem zu diesem Zweck eingeschalteten Gerät ein fremdes nichtöffentliches Gespräch abhört (E. 3.4-3.6).
Regeste (fr):
- Ecoutes de conversations entre d'autres personnes (art. 179bis al. 1 CP).
- Notion de conversation non publique (consid. 3.2).
- Des appareils de téléphone et des téléphones cellulaires peuvent constituer, suivant leur utilisation dans un cas concret, un appareil d'écoute au sens de l'art. 179bis al. 1 CP (consid. 3.3).
- Cette infraction présuppose d'une part que l'auteur enclenche un appareil d'écoute dans le but d'écouter une conversation non publique entre d'autres personnes et, d'autre part, qu'il écoute une conversation non publique entre d'autres personnes au moyen de l'appareil mis en service dans ce but (consid. 3.4-3.6).
Regesto (it):
- Ascolto di conversazioni estranee (art. 179bis cpv. 1 CP).
- Nozione di conversazione non pubblica (consid. 3.2).
- Gli apparecchi telefonici e i telefoni cellulari possono costituire, a seconda del loro utilizzo nel caso concreto, degli apparecchi d'intercettazione ai sensi dell'art. 179bis cpv. 1 CP (consid. 3.3).
- L'infrazione presuppone che, da un lato, l'agente azioni un apparecchio d'intercettazione al fine di ascoltare una conversazione estranea non pubblica e, dall'altro, ascolti una conversazione estranea non pubblica con l'apparecchio attivato a questo scopo (consid. 3.4-3.6).
Sachverhalt ab Seite 250
BGE 133 IV 249 S. 250
A. Am 22. August 2002 kam es zwischen dem Inhaber eines zahntechnischen Labors, A., und seiner Angestellten B. am Arbeitsplatz zu einer verbalen Auseinandersetzung. B. war gerade im Begriff, nach Hause zu gehen, weshalb sie die Tür des zahntechnischen Labors zum Treppenhaus bereits geöffnet hatte. B. griff im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung in ihre Handtasche und wählte, von A. unbemerkt, auf dem Mobiltelefon unter Verwendung einer Kurzwahltaste die Nummer des Mobiltelefons ihrer Kollegin C. Diese nahm den Anruf entgegen und konnte nun die verbale Auseinandersetzung zwischen A. und B. mitverfolgen. C. zog X. herbei, die eine Zeitlang über das Mobiltelefon von C. das Gespräch zwischen A. und B. ebenfalls mithörte.
B. Das Amtsgericht Luzern-Stadt sprach X. am 13. Dezember 2005 des Abhörens fremder Gespräche im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 179bis - Wer ein fremdes nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung aller daran Beteiligten, mit einem Abhörgerät abhört oder auf einen Tonträger aufnimmt, |
C. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde unter anderem mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, sie sei von Schuld und Strafe freizusprechen, eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D. Das Obergericht beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern hat auf Vernehmlassung verzichtet. A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 179bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 179bis - Wer ein fremdes nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung aller daran Beteiligten, mit einem Abhörgerät abhört oder auf einen Tonträger aufnimmt, |
2.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass das für die Beschwerdeführerin unstreitig fremde Gespräch zwischen B. und dem Beschwerdegegner ein nichtöffentliches war. Sie nimmt ohne nähere Begründung an, das Mobiltelefon sei im vorliegenden Fall ein Abhörgerät
BGE 133 IV 249 S. 251
gewesen. Sie legt der Beschwerdeführerin zur Last, dass diese das Gespräch aufmerksam mitverfolgt habe. Dies sei ein Tun, nicht ein Unterlassen. Daher stelle sich die Frage nicht, ob der Tatbestand von Art. 179bis Abs. 1
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2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Tathandlung des "Abhörens" sei klar abzugrenzen vom (zufälligen) "Hören" im Sinne von "Vernehmen". Das nicht im Voraus geplante, in diesem Sinne zufällige Hören beziehungsweise Vernehmen eines fremden nichtöffentlichen Gesprächs über ein Telefon, einen Lautsprecher oder ein anderes Gerät sei nicht ein "Abhören" im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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BGE 133 IV 249 S. 252
Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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2.3 Der Beschwerdegegner macht geltend, die Beschwerdeführerin habe das Gespräch nicht zufällig oder gar gezwungenermassen mitgehört. Vielmehr habe sie wiederholt das Mobiltelefon von C. entgegengenommen und an ihr Ohr gehalten. Jedenfalls ab der zweiten Entgegennahme des Mobiltelefons habe sie gewusst, dass das Gespräch, welches sie belauscht habe, ein fremdes nichtöffentliches gewesen sei. Indem sie das Mobiltelefon von C. mehrmals entgegengenommen und an ihr Ohr gehalten habe, habe sie vorsätzlich durch aktives Tun ein fremdes nichtöffentliches Gespräch abgehört. Da somit nicht bloss eine Unterlassung vorliege, stelle sich die Frage der Garantenpflicht nicht. Den Tatbestand könne auch erfüllen, wer die technischen Voraussetzungen zum Abhören nicht selber geschaffen habe. Soweit die Beschwerdeführerin als Voraussetzung für eine Verurteilung als entscheidend erachte, dass der Täter vorausplanend ein Abhörgerät einsetze, um damit ein fremdes nichtöffentliches Gespräch zu belauschen, sei diese Voraussetzung vorliegend ohnehin erfüllt. Die Entgegennahme eines Mobiltelefons zum Abhören eines fremden nichtöffentlichen Gesprächs stelle einen im Voraus geplanten Einsatz eines Abhörgeräts dar. Auch ein Mobiltelefon könne je nach seinem Verwendungszweck im konkreten Fall, der massgebend sei, als Abhörgerät im Sinne von Art. 179bis
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3.
3.1 Die verbale Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdegegner und B. war für die Beschwerdeführerin unstreitig ein fremdes Gespräch im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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3.2
3.2.1 Das zahntechnische Labor, in welchem die verbale Auseinandersetzung stattfand, befindet sich in einem Geschäftshaus. Die Tür des Labors zum Treppenhaus war zunächst weit und, nachdem B. sie zugeschoben hatte, noch eine Handbreit offen. Es war daher davon auszugehen und damit zu rechnen, dass irgendwelche
BGE 133 IV 249 S. 253
Personen, die sich zufälligerweise gerade im Treppenhaus befanden, das insbesondere vom Beschwerdegegner lautstark geführte Gespräch teilweise hören konnten. Die Beschwerdeführerin meint, das Gespräch sei daher nicht im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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3.2.2 Der Begriff der Öffentlichkeit wird im Strafgesetzbuch in verschiedenen Zusammenhängen verwendet und ist nicht bei allen Straftatbeständen gleich auszulegen. Was als öffentlich beziehungsweise nichtöffentlich anzusehen ist, hängt von dem durch die fragliche Strafnorm geschützten Rechtsgut sowie davon ab, warum darin die Öffentlichkeit als strafbegründendes beziehungsweise strafausschliessendes Merkmal vorausgesetzt wird (vgl. BGE 130 IV 111 E. 4.2 und 4.3 S. 117; Urteil 6P.79/2006 vom 6. Oktober 2006, E. 5). Art. 179bis
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3.2.3 Das Gespräch wurde im zahntechnischen Labor, in welchem sich einzig der Beschwerdegegner und B. aufhielten, und damit in einem privaten Umfeld geführt. Daran ändert nichts, dass die Tür des Labors zum Treppenhaus des Geschäftsgebäudes zunächst ganz und danach noch eine Handbreit offen war. Ob das Gespräch auch als nichtöffentlich anzusehen wäre, wenn es im Treppenhaus selbst stattgefunden hätte, kann hier dahingestellt bleiben.
3.3 Als Abhörgeräte im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 179bis - Wer ein fremdes nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung aller daran Beteiligten, mit einem Abhörgerät abhört oder auf einen Tonträger aufnimmt, |
BGE 133 IV 249 S. 254
Entfernung (Richtmikrofone) sowie Vorrichtungen zum Anzapfen der Leitung auf dem Übermittlungsweg (JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID/ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III, 8. Aufl. 2003, S. 346). In der Lehre ist strittig, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen Telefonapparate Abhörgeräte sein können (siehe LORENZ ERNI, Die Verletzung der "Vertraulichkeit des Wortes" als Straftat im deutschen und schweizerischen Strafrecht, Diss. Hamburg 1981, S. 122 ff.; zum deutschen Recht HERBERT TRÖNDLE/THOMAS FISCHER, Strafgesetzbuch, 54. Aufl. 2007, § 201 N. 7). Art. 179bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 179bis - Wer ein fremdes nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung aller daran Beteiligten, mit einem Abhörgerät abhört oder auf einen Tonträger aufnimmt, |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 179sexies - 1. Wer technische Geräte, die insbesondere dem widerrechtlichen Abhören oder der widerrechtlichen Ton- oder Bildaufnahme dienen, herstellt, einführt, ausführt, erwirbt, lagert, besitzt, weiterschafft, einem andern übergibt, verkauft, vermietet, verleiht oder sonst wie in Verkehr bringt oder anpreist oder zur Herstellung solcher Geräte Anleitung gibt, |
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1 | Wer technische Geräte, die insbesondere dem widerrechtlichen Abhören oder der widerrechtlichen Ton- oder Bildaufnahme dienen, herstellt, einführt, ausführt, erwirbt, lagert, besitzt, weiterschafft, einem andern übergibt, verkauft, vermietet, verleiht oder sonst wie in Verkehr bringt oder anpreist oder zur Herstellung solcher Geräte Anleitung gibt, |
2 | Handelt der Täter im Interesse eines Dritten, so untersteht der Dritte, der die Widerhandlung kannte und sie nicht nach seinen Möglichkeiten verhindert hat, derselben Strafandrohung wie der Täter. |
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Das Mobiltelefon von C. war im konkreten Fall spätestens ab dem Zeitpunkt ein Abhörgerät im Sinne von Art. 179bis
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3.4 Tatbestandsmässig handelt, wer vorsätzlich ein Gespräch "mit einem Abhörgerät abhört" (celui qui "aura écouté à l'aide d'un appareil d'écoute" une conversation; chiunque "ascolta con un apparecchio d'intercettazione" una conversazione). Das tatbestandsmässige Verhalten besteht aus zwei Elementen, nämlich darin, dass der
BGE 133 IV 249 S. 255
Täter vorsätzlich erstens ein Abhörgerät einsetzt und zweitens mit diesem Gerät ein fremdes nichtöffentliches Gespräch hört. Erforderlich ist somit, dass der Täter zunächst eine Vorrichtung in Betrieb setzt mit dem Willen, damit ein fremdes nichtöffentliches Gespräch zu hören, und dass er anschliessend über das Gerät ein solches Gespräch hört. Das Abhören mit einem Abhörgerät ist mehr als nur das zufällige Zugegensein und Mithören des durch ein solches Gerät übermittelten fremden nichtöffentlichen Gesprächs. Täter des Abhörens kann vielmehr nur sein, wer das von ihm oder einem andern angebrachte beziehungsweise in Betrieb gesetzte Gerät gezielt als Mittel dazu benützt, das fremde nichtöffentliche Gespräch über dessen normalen Klangbereich hinaus hörbar zu machen (vgl. zum insoweit gleichlautenden deutschen Recht SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, Kommentar, 27. Aufl. 2006, § 201 N. 20). Abhören bedeutet nicht allein Kenntnisnehmen im Sinne von Hören, sondern setzt ein aktives Verhalten voraus, das begrifflich durch Horchen und Ausforschen gekennzeichnet ist (siehe zum deutschen Recht WERNER KARGL, Nomos-Kommentar, 2. Aufl. 2005, § 201 N. 16). Abhören meint Lauschen/ Horchen, um etwas zu hören (GUNTHER ARZT, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, Tübingen 1970, S. 250, 253). Abhören mit einem Abhörgerät bedeutet Lauschen/Horchen unter Einsatz eines Geräts, um etwas zu hören, was ohne das Gerät nicht hörbar wäre. Das tatbestandsmässige Verhalten beginnt mit der Inbetriebnahme des Geräts. Darin liegt der "Lauschangriff". Doch ist damit die Tat im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 179 - Wer, ohne dazu berechtigt zu sein, eine verschlossene Schrift oder Sendung öffnet, um von ihrem Inhalte Kenntnis zu nehmen, |
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BGE 133 IV 249 S. 256
3.5 Die Beschwerdeführerin hat vorsätzlich ein fremdes nichtöffentliches Gespräch mitverfolgt, welches über das Mobiltelefon von C. hörbar war. Sie hat damit ein Element des zweigliedrigen tatbestandsmässigen Verhaltens erfüllt. Die Beschwerdeführerin hat indessen nicht zum Zweck des Hörens eine technische Vorrichtung in Betrieb gesetzt. Dieses weitere Element des zweigliedrigen tatbestandsmässigen Verhaltens ist somit nicht gegeben.
3.6 Die Beschwerdeführerin war im Übrigen nicht verpflichtet, das Mithören des fremden nichtöffentlichen Gesprächs über das Mobiltelefon von C. zu unterlassen. Sie befand sich rechtlich in einer ähnlichen Lage wie eine Person, die nichtsahnend einen Raum betritt, in den über eine Abhöranlage ein fremdes nichtöffentliches Gespräch übertragen wird, und die, weil sie die Gefahr des Lauschens nicht geschaffen hat, durch das Mithören den Tatbestand nicht erfüllt (siehe dazu GUNTHER ARZT, a.a.O., S. 251, 254). Die Beschwerdeführerin war zufällig in eine Situation geraten, in der sie das im Mobiltelefon von C. hörbare fremde nichtöffentliche Gespräch mitverfolgen konnte.
3.7 Die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Abhörens fremder Gespräche im Sinne von Art. 179bis Abs. 1
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