131 IV 114
15. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Staatsanwalt- schaft des Kantons Basel-Landschaft gegen Y.(Nichtigkeitsbeschwerde) 6S.381/2004 vom 25. April 2005
Regeste (de):
- Art. 193 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937
CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria.
- Zwischen Psychiater und Patient besteht nicht zwingend eine Abhängigkeit im Sinne von Art. 193
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937
CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria.
- Offen gelassen, ob ein Ausnützen eines Abhängigkeitsverhältnisses generell auszuschliessen ist, wenn der Anstoss zu den sexuellen Kontakten vom Patienten ausgeht (E. 2.3).
Regeste (fr):
- Art. 193 al. 1 CP; abus de la détresse (lien de dépendance) du patient par un psychiatre.
- Entre un patient et son psychiatre, il n'existe pas nécessairement un lien de dépendance au sens de l'art. 193 CP. La question de savoir si c'est le cas et si la capacité de se déterminer du patient quant à l'acceptation des contacts sexuels avec le thérapeute était gravement limitée doit être examinée à la lumière des circonstances de l'espèce (consid. 1). Lien de dépendance admis dans le cas concret (consid. 2).
- Question laissée indécise de savoir si l'on doit, de façon générale, exclure l'abus de la dépendance lorsque l'initiative des contacts sexuels est le fait du patient (consid. 2.3).
Regesto (it):
- Art. 193 cpv. 1 CP; sfruttamento dello stato di bisogno (rapporto di dipendenza) del paziente da parte di uno psichiatra.
- Tra un paziente ed il suo psichiatra non esiste necessariamente un rapporto di dipendenza ai sensi dell'art. 193 CP. Per decidere se questo è il caso e se era considerevolmente limitata la capacità del paziente di determinarsi nella scelta di avere contatti sessuali con il terapeuta, occorre esaminare le circostanze concrete della fattispecie (consid. 1). Rapporto di dipendenza ammesso nel caso in esame (consid. 2).
- Lasciata indecisa la questione di sapere se lo sfruttamento del rapporto di dipendenza vada escluso in maniera generale nei casi in cui è il paziente ad avere assunto l'iniziativa dei contatti sessuali (consid. 2.3).
Sachverhalt ab Seite 114
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A. Ab August 1993 begab sich A. auf Grund persönlicher Probleme in psychotherapeutische Behandlung zu Dr. med. Y., der als Psychiater eine Praxis führt. Im Verlauf der folgenden rund drei Jahre - zunächst anlässlich regelmässiger Einzelgespräche, später
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teils im Rahmen einer Paartherapie zusammen mit ihrem Ehemann, zum Teil aber auch weiterhin in Einzelgesprächen - entstand zwischen Y. und A. ein therapeutisches Vertrauensverhältnis. In den Einzelgesprächen wurden zunehmend Belange allgemeiner Natur und schliesslich auch das Privatleben von Y. thematisiert. Mit der Zeit dehnte dieser die Therapiesitzungen aus, bedachte A. mit persönlichen Komplimenten, umarmte sie zum Abschied oder küsste sie auf die Wangen und suchte sie gelegentlich auch privat zu Hause an ihrem Wohnort auf, einmal sogar zusammen mit seinen Kindern. Er versicherte A. seine jederzeitige Verfügbarkeit und gab ihr bei seiner Ferienabwesenheit auch die Telefonnummer des Ferienhotels an. Im Rahmen der Therapiesitzungen hielt er ihr hin und wieder die Hand, legte seine Hand auf ihren Arm oder umarmte sie auch. Bei der Verabschiedung nach einem Therapiegespräch im Herbst 1996 gab er ihr, nachdem er sie umarmt und auf die Wange geküsst hatte, unvermittelt erstmals einen Zungenkuss, worauf er sich dafür entschuldigte und anmerkte, er sei auch nur ein Mensch. Diese Begebenheit verunsicherte A. einerseits, da sie aus Respekt vor ihrem Ehemann keine Affäre eingehen wollte, und schmeichelte ihr anderseits. Als A. Y. bedeutete, keine Affäre zu wollen, entgegnete er ihr, dass er grosse Achtung für sie empfinde, was seine Attraktivität auf sie noch steigerte. In der Folge endeten die weiteren Therapien jeweils mit sexuellen Handlungen (Zungenküsse, gegenseitige Masturbation und Massagen, orale Befriedigung, Betasten der Brüste, Rückenbisse). Im Nachgang zu einem solchen Kontakt im Februar 1997 hatte A. unangenehme Gefühle und entschloss sich im anschliessenden Urlaub, die Therapie abzubrechen und Y. nicht mehr zu treffen, was sie ihm nach ihrer Rückkehr telefonisch mitteilte. Von Schuldgefühlen befallen, weil sie den Grund für den Therapieabbruch nicht offen gelegt hatte, suchte sie die Praxis von Y. Ende März 1997 erneut auf, worauf es zu einer Aussprache zwischen den beiden kam. Kurze Zeit später suchte A. auf Grund neuer ehelicher Konflikte wiederum den therapeutischen Rat von Y., worauf es anlässlich der folgenden Treffen in seiner Praxis und am Wohnort von A. regelmässig zum Austausch sexueller Handlungen kam. Am Abend des 13. Juni 1997 vollzog Y. mit A. an ihrem Wohnort erstmals auch den Geschlechtsverkehr. Schliesslich besuchte er sie auf ihren Wunsch hin am frühen Nachmittag des 31. Oktober 1997 an ihrem Wohnort, um ihre Halloween-Dekoration zu
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besichtigen. Anlässlich dieses Treffens, an dem sich Y. unwirsch verhielt, kam es letztmals zu körperlichen Kontakten. In den folgenden zwei Wochen wandte sich A. auf Grund des veränderten Verhaltens von Y. von diesem ab, worauf keine weiteren Kontakte mehr stattfanden. Am 26. Januar 1998 stellte Y. A. das Treffen an ihrem Wohnort vom 31. Oktober 1997 als Konsultation in Rechnung.
B. Am 14. August 2003 sprach die Dreierkammer 3 des Strafgerichts Basel-Landschaft Y. vom Vorwurf der Ausnützung einer Notlage frei, verfügte die Rückgabe der beschlagnahmten Krankengeschichte an ihn nach Rechtskraft des Urteils und verwies die Forderungen des Opfers und der B. Versicherungen AG auf den Zivilweg. Gegen dieses Urteil appellierten die Staatsanwaltschaft und A. Am 17. August 2004 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, die Appellation der Staatsanwaltschaft ab, hiess hingegen diejenige von A. teilweise gut. Es hob die Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Urteils auf, sprach A. zu Lasten von Y. eine Genugtuung von Fr. 5'000.- zu, hiess die Schadenersatzansprüche von A. und der B. Versicherungen AG in Anwendung von Art. 9 Abs. 3
SR 312.5 Legge federale del 23 marzo 2007 concernente l'aiuto alle vittime di reati (LAV) LAV Art. 9 Offerta - 1 I Cantoni provvedono affinché siano a disposizione consultori privati o pubblici autonomi nel loro settore di attività. Tengono conto al riguardo dei bisogni particolari delle diverse categorie di vittime. |
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1 | I Cantoni provvedono affinché siano a disposizione consultori privati o pubblici autonomi nel loro settore di attività. Tengono conto al riguardo dei bisogni particolari delle diverse categorie di vittime. |
2 | I consultori possono essere istituiti in comune da più Cantoni. |
C. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft aufzuheben und die Sache zur Verurteilung von Y. wegen Ausnützung einer Notlage im Sinne von Art. 193 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 193 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
BGE 131 IV 114 S. 117
Der Tatbestand schützt die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung. Das Opfer ist abhängig im Sinne des Tatbestandes, wenn es auf Grund eines im Gesetz genannten Umstandes nicht ungebunden bzw. frei ist und damit objektiv oder auch nur subjektiv auf den Täter bzw. seine Fürsorge angewiesen ist. Soweit es um ein Abhängigkeitsverhältnis geht, muss dieses die Entscheidungsfreiheit wesentlich einschränken. Für die Bestimmung des Ausmasses der Abhängigkeit sind die konkreten Umstände des Einzelfalles massgebend. Dem Abhängigkeitsverhältnis liegt in der Regel eine besondere Vertrauensbeziehung und immer ein ausgeprägtes Machtgefälle zu Grunde.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht zwischen Psychotherapeut und Patientin ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des altrechtlichen Tatbestandes des Missbrauchs der Notlage oder Abhängigkeit einer Frau (Art. 197 aStGB), das ihre Entschlussfreiheit grundlegend beeinträchtigt (BGE 124 IV 13 E. 2c mit ausführlicher Begründung). Das Bundesgericht hat diese Aussage in seiner Rechtsprechung zu Art. 193
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
BGE 131 IV 114 S. 118
therapeutischer Distanz des Therapeuten in den Gesprächen mit dem Patienten und anderes mehr sein. Ein besonderes Vertrauensverhältnis und eine rechtserhebliche Abhängigkeit können zwar mitunter wegen der Kürze der Therapie oder anderer Gründe wie des nicht tief in die Persönlichkeit des Patienten greifenden Gegenstandes der Behandlung und Gespräche (z.B. bei psychologischem Verhaltenstraining) oder der distanzierten, kritischen oder gar ablehnenden Haltung des Patienten gegenüber dem Therapeuten fehlen, doch können sie sich je nach Umständen bereits nach sehr kurzer Zeit einstellen. Über das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses hinaus verlangt der Tatbestand, dass der Täter die abhängige Person unter Ausnützung der genannten Machtkonstellation zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen veranlasst hat. Der Täter muss sich somit die wesentlich eingeschränkte Entscheidungsfreiheit oder Abwehrfähigkeit der abhängigen Person und ihre dadurch gegebene Gefügigkeit bewusst im Hinblick auf deren sexuelles Entgegenkommen zunutze gemacht haben. Art. 193
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BGE 131 IV 114 S. 119
Fall hatte das Bundesgericht eine sexuelle Beziehung zwischen einem Musiklehrer und seiner 57 Jahre jüngeren Schülerin zu beurteilen. Es verneinte eine Ausnützung der bestehenden Abhängigkeit, weil die junge Frau sich nicht gegen das Ansinnen des Lehrers gewehrt hatte, dem sexuellen Verhältnis nicht ablehnend gegenüber gestanden, ja sogar verliebt war und die Liebesbeziehung gewollt hatte. Das Bundesgericht nahm dort an, die blosse Verführung durch den überlegenen Teil sei noch kein Ausnützen. Ein solches erfordere in objektiver Hinsicht, dass der Abhängige die sexuelle Handlung "eigentlich nicht wolle", dass er sich, entgegen seiner inneren Widerstände, nur unter dem Eindruck der Autorität des anderen füge (Urteil des Bundesgerichts 6S.219/ 2004 vom 1. September 2004, E. 5 mit ausführlichen Hinweisen). In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muss wissen oder zumindest damit rechnen, dass sich die betroffene Person nur deshalb auf die sexuellen Handlungen einlässt, weil sie von ihm abhängig ist (BGE 99 IV 161 E. 2 S. 163 f.; GÜNTER STRATENWERTH/GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6. Aufl., Bern 2003, § 7 N. 53 mit weiteren Hinweisen).
2.
2.1 Die Vorinstanz bejaht sowohl sexuelle Handlungen als auch ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von Art. 193
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2.2 Der Anstoss zur ersten sexuellen Handlung ging mit dem Kuss im Herbst 1996 vom Beschwerdegegner aus. Seine Patientin äusserte zwar zunächst weder verbal noch durch ihr Verhalten Widerstand, doch erklärte sie ihm bei der nächsten Therapiesitzung aus Rücksicht auf den Ehemann keine Affäre zu wünschen. Gleichwohl kam es anlässlich der späteren Therapiesitzungen regelmässig zu sexuellen Handlungen zwischen ihnen, wobei
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dannzumal laut den Aussagen des Opfers die Initiative von beiden ausging. Die Vorinstanz verneint ein (bewusstes) Ausnützen im Sinne von Art. 193
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2.3 Nach dem Kuss des Beschwerdegegners im Herbst 1996 war seine Patientin schockiert, fühlte sich aber zugleich geschmeichelt und erregt. Beim Abschied erklärte sie dem Beschwerdegegner, die Therapie sei damit nun wohl beendet. Auch wenn sie sich dem ersten sexuellen Kontakt mit dem Beschwerdegegner nicht widersetzte und sie darauf ambivalent ansprach, ergibt sich aus ihrer Reaktion auf den Kuss und ihren Äusserungen gegenüber dem Beschwerdegegner anlässlich der darauf folgenden Therapiesitzung, dass sie sexuelle Kontakte mit ihrem Therapeuten innerlich ablehnte. Der Umstand, dass sich das Opfer nach dem ersten Übergriff durch den Beschwerdegegner anschliessend auf eine sexuelle Beziehung einliess, spricht entgegen der Einschätzung der Vorinstanz weder für ein freiverantwortliches Handeln der abhängigen Person noch gegen ein Ausnützen der Abhängigkeit durch den Beschwerdegegner. Angesichts der zunächst ablehnenden Haltung des Opfers und der vom Beschwerdegegner ausgehenden Initiative zu den sexuellen Kontakten kann hier offen gelassen werden, ob ein Ausnützen eines Abhängigkeitsverhältnisses generell auszuschliessen ist, wenn das Opfer den Anstoss für die sexuellen Handlungen gegeben hat, oder ob in Psychotherapien sich auch der sexuell "verführte" Therapeut nach Art. 193
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BGE 131 IV 114 S. 121
Abstinenzregel und einer stillen Reflektierung einer allfälligen Gegenübertragung zu helfen, solche Gefühle oder Wünsche zu verstehen, einzuordnen und zu bearbeiten (vgl. MONIKA BECKER-FISCHER, Psychodynamische Aspekte bei sexuellem Missbrauch in der Psychotherapie, in: Christoph J. Schmidt-Lellek/Barbara Heimannsberg [Hrsg.], Macht und Machtmissbrauch in der Psychotherapie, Köln 1995, S. 195 ff.; MONIKA BECKER-FISCHER/GOTTFRIED FISCHER, Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie - was tun?, Heidelberg 1996, S. 38 ff.; JEANNETTE BOSSI, Sexueller Missbrauch in Psychotherapie und Psychiatrie, in: Kurt Marc Bachmann/Wolfgang Böker [Hrsg.], Sexueller Missbrauch in Psychotherapie und Psychiatrie, Bern usw. 1994, S. 45 ff., insbes. S. 59 f. und 62 f.; WERNER TSCHAN, Missbrauchtes Vertrauen, Sexuelle Grenzverletzungen in professionellen Beziehungen, 2. Aufl., Basel usw. 2005, S. 68; zur alleinigen Verantwortung des Therapeuten für den Behandlungsprozess ferner BGE 124 IV 13 E. 2c/cc).
2.4 Die Vorinstanz verneint ein hinreichend starkes Abhängigkeitsverhältnis und ein Ausnützen im Sinne von Art. 193
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2.4.1 Dem ersten sexuellen Kontakt ging eine längere und intensive Psychotherapie voraus. Aus der Länge und der Art der Behandlung und dem auch von der Vorinstanz bejahten tiefen Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdegegner und seiner
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Patientin ergibt sich ohne weiteres, dass diese ihre Hemmungen und Schutzmechanismen gegenüber dem Therapeuten weitgehend ablegte und insoweit besonders verletzlich und abhängig war (vgl. BGE 124 IV 13 E. 2c/cc).
2.4.2 Das Therapieverhältnis zeichnete sich bereits lange vor dem ersten sexuellen Kontakt aus durch fehlende professionelle Distanz sowie sukzessive Grenzüberschreitungen und -verletzungen des Beschwerdegegners wie unangebrachte persönliche Komplimente, körperliche Kontakte (Umarmungen, Küsse auf die Wangen, Händehalten während der Therapie), Thematisierung des Privatlebens des Beschwerdegegners in den Therapiesitzungen, Ausdehnung der therapeutischen Sitzungen und Versicherung jederzeitiger Verfügbarkeit seitens des Beschwerdegegners sogar während seiner Urlaubsabwesenheit. Dies ist bezeichnend für die Entwicklung therapeutischer Beziehungen, in denen es schliesslich zu sexuellen Übergriffen kommt (eingehend BECKER-FISCHER, a.a.O., S. 203 ff. mit Fallbeispielen; FRIEDEMANN PFÄFFLIN, Sexuelle Grenzverletzungen im therapeutischen Raum, in: Venzlaff/Foerster [Hrsg.], Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., München 2004, S. 308). Die Versicherung jederzeitiger und vollständiger Verfügbarkeit ohne therapeutische Notwendigkeit beispielsweise impliziert eine Abhängigkeit und vermittelt dem betroffenen Patienten indirekt, dass er nicht selbständig, ohne Hilfe des Therapeuten leben kann. Das Ziel jeder Therapie, den Therapeuten letztlich überflüssig zu machen, wird damit ins Gegenteil verkehrt und die Fähigkeit des Patienten zur Selbständigkeit negiert (BECKER-FISCHER, a.a.O., S. 203; TSCHAN, a.a.O., S. 66 f.). Täter testen durch diese Grenzüberschreitungen die Reaktion ihres Gegenübers. Der fachliche Auftrag wird dabei sowohl zur Legitimierung als auch zur Verschleierung eingesetzt. Werden solche vorbereitenden Handlungen von einer missbrauchenden Fachperson gezielt eingesetzt, lassen sich Patienten häufig ohne nennenswerten Widerstand manipulieren (TSCHAN, a.a.O., S. 67). So zeigt etwa die Bemerkung des Beschwerdegegners, er sei auch nur ein Mensch, als Reaktion auf seinen ersten klar sexuellen Übergriff eine weit verbreitete fehlende Einsicht in das Fehlverhalten und dessen charakteristisches Verharmlosen. Die Bemerkung impliziert zudem mindestens eine Mitverantwortung der Patientin, sei es auch nur durch ihre sexuell anziehende Präsenz, was bei sexuellen Übergriffen in der Therapie eine häufige Strategie des Therapeuten ist, mit welcher das
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bestehende Abhängigkeitsverhältnis noch vertieft wird (eingehend BECKER-FISCHER, a.a.O., S. 199 ff.; BOSSI, a.a.O., S. 62 ff.; vgl. auch TSCHAN, a.a.O., S. 80).
2.4.3 Auch das Verhalten der Patientin des Beschwerdegegners ist bezeichnend für sexuelle Übergriffe in der Therapie und ein tief reichendes Abhängigkeitsverhältnis. Sie reagierte auf den ersten sexuellen Übergriff mit Ambivalenz. Einerseits war sie schockiert, verunsichert und hatte Schuldgefühle, anderseits fühlte sie sich auch geschmeichelt, weil der Beschwerdegegner sie sexuell anziehend fand. Das ist eine häufige Reaktion auf sexuelle Übergriffe in der Therapie und weist deutlich auf eine erhebliche Abhängigkeit hin (vgl. BOSSI, a.a.O., S. 64). Das gilt auch für das weitere Verhalten der Patientin. Auf ihre unmittelbar dem Kuss folgende Äusserung, damit sei die Therapie wohl beendet, entgegnete der Beschwerdegegner, er könne ihr nach wie vor helfen, worauf sie erwiderte, dies sei in Ordnung. In der Strafuntersuchung erklärte die Patientin das Fortsetzen der Therapie damit, dass sie den Beschwerdegegner weiterhin habe sehen wollen oder gar müssen ("I did not want to not see him so I said OK"). Als sie dem Beschwerdegegner erklärte, kein Verhältnis zu wünschen, reagierte er scheinbar mit grossem Verständnis, was seine Anziehung auf sie noch verstärkte. Der Umstand, dass sich die Patientin in der Folge gleichwohl auf ein sexuelles Verhältnis mit dem Beschwerdegegner vorwiegend während der Therapiesitzungen einliess, spricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gegen, sondern vielmehr für ein starkes Abhängigkeitsverhältnis. Die Psychodynamik der Patient-Therapeuten-Beziehung ist insbesondere (zumindest zeitweise) von einer Idealisierung des Therapeuten geprägt. Sie zeichnet sich zudem typischerweise dadurch aus, dass der Patient seine Sehnsucht nach Geborgenheit, Harmonie, Anlehnung und Verständnis an den Therapeuten heranträgt (vgl. BECKER-FISCHER, a.a.O., S. 206 ff.; PFÄFFLIN, a.a.O., S. 309). Charakteristisch für ein Abhängigkeitsverhältnis ist auch die von der Patientin des Beschwerdegegners stark empfundene Rollenverwirrung. Wenn der Therapeut zum Intimpartner wird, findet eine Vermischung der Rollen statt, die für den therapeutischen Prozess verheerende Folgen hat, weil es zu einer Konfusion sowohl auf Seiten des Patienten als auch auf jener des Therapeuten führt. Betroffene Opfer können ihren Gefühlen und Wahrnehmungen nicht mehr vertrauen. Sie können den Behandlungsauftrag nicht auseinander
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halten von der durch den therapeutischen Prozess in Gang gesetzten Erotisierung der Beziehung zum Therapeuten (vgl. WERNER TSCHAN, Missbrauchtes Vertrauen - Grenzverletzungen in professionellen Beziehungen, Basel usw. 2001, S. 91; vgl. auch BOSSI, a.a.O., S. 63 ff.). Im Sinne einer Selbstheilungsstrategie verfallen die Opfer häufig der Selbsttäuschung (eingehend BECKER-FISCHER, a.a.O., S. 206 ff., insbes. S. 210 ff.). Eine sexuelle Beziehung zum Psychotherapeuten kann in einer ersten Phase zu einem Hochgefühl oder einem Erregungszustand führen (vgl. TSCHAN, a.a.O., Basel 2001, S. 124), weshalb die Aussage des Opfers, in der ersten Phase sei es ihr gut gegangen, nicht als Hinweis auf eine fehlende Abhängigkeit zum Beschwerdeführer gedeutet werden darf. Entsprechendes gilt auch für den Abbruch und die Wiederaufnahme der Therapie durch die Patientin. Den Entschluss zum Abbruch der Therapie fasste die Patientin während ihres Urlaubes in den USA. Sie nahm die Therapie aber später wieder auf, was sie wie folgt erklärte: "Als ich das nächste Mal Probleme mit C. [Ehemann] hatte, rief ich ihn [Beschwerdegegner] an und fiel sofort ins Alte zurück". Eindrücklicher als mit dieser Schilderung kann der Sog und die Macht, die der Therapeut auch nach Abbruch der Therapie auf seine Patientin ausgeübt hat, kaum gezeigt werden. Sie belegt zusammen mit den oben dargelegten Umständen deutlich die Stärke des Abhängigkeitsverhältnisses.
2.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Patientin des Beschwerdegegners zu ihm in einem derartigen Abhängigkeitsverhältnis stand, dass ihre Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Eingehen sexueller Handlung erheblich eingeschränkt war. Die Zustimmung zur Aufnahme der sexuellen Handlungen war durch das Therapieverhältnis bestimmt und durch die ausgeprägte Abhängigkeit zum behandelnden Arzt beeinflusst. Die Patientin konnte deshalb nicht freiverantwortlich in die sexuellen Kontakte, die einen schweren Kunstfehler darstellten, einwilligen. Weil sich das Opfer der Abhängigkeiten und dem starken Machtgefälle gar nicht bewusst sein konnte, vermochte es auch nicht zu erkennen, welche verheerenden Folgen sexuelle Kontakte in einem therapeutischen Prozess haben können (vgl. PFÄFFLIN, a.a.O., S. 309). Demgegenüber war für den Beschwerdegegner die Abhängigkeit und deren Ausmass sowie die dadurch eingeschränkte Steuerungsfähigkeit seiner
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Patientin erkennbar. Indem er während der Behandlung gleichwohl sukzessive Grenzverletzungen beging und sich schliesslich seiner Patientin auch sexuell näherte, hat er im Sinne von Art. 193
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 193 - Chiunque, sfruttandone lo stato di bisogno o profittando di rapporti di lavoro o comunque di dipendenza, determina una persona a compiere o a subire un atto sessuale, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |