130 IV 97
16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Y. sowie Obergericht des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) 6S.278/2003 vom 26. August 2004
Regeste (de):
- Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; b als Gesellschafter; c als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder d ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. - Die Frist zur Stellung des Strafantrages beginnt erst zu laufen, wenn der Verletzte persönlich, und nicht schon, wenn sein bevollmächtigter Vertreter die Tat und den Täter kennt (E. 2).
Regeste (fr):
- Art. 29 CP; point de départ du délai pour porter plainte.
- Le délai pour porter plainte ne commence à courir que lorsque le lésé personnellement, et non seulement son mandataire, a connu l'infraction et l'auteur de celle-ci (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 29 CP; inizio del termine per sporgere querela.
- Il termine per sporgere querela penale inizia a decorrere soltanto quando la parte lesa in persona, e quindi non solo il suo mandatario, ha saputo del reato e conosciuto il suo autore (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 97
BGE 130 IV 97 S. 97
X. wurde Ende Mai 2002 von seiner Arbeitgeberin mit der Begründung entlassen, verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Namen ihm nicht mitgeteilt wurden, hätten ihn der sexuellen Belästigung bezichtigt. X. liess die Arbeitgeberin umgehend wissen, dass er die Kündigung als missbräuchlich erachte, den Kündigungsgrund als ehrverletzend empfinde und sich rechtliche Schritte vorbehalte. Am 3. Juli 2002 wurde dem Rechtsvertreter von X. Einsicht in die internen Unterlagen der Arbeitgeberin gewährt, aus welchen er die Namen der Personen, welche die Vorwürfe erhoben hatten, ersehen konnte. Er musste sich jedoch dazu verpflichten, seinem Klienten die entsprechenden Namen nicht bekannt zu geben, woran er sich hielt.
BGE 130 IV 97 S. 98
Spätestens am 26. Juli 2002 bevollmächtigte X. seinen Rechtsvertreter zur vollumfänglichen Wahrung seiner Interessen, einschliesslich der Stellung eines Strafantrages wegen Ehrverletzung gegen die ihn beschuldigenden Personen. Gleichentags ersuchte der Rechtsvertreter die Arbeitgeberin schriftlich darum, seinem Klienten die Namen der entsprechenden Personen bekannt geben zu dürfen, wozu diese mit Schreiben vom 13. August 2003 einwilligte. Am 13. November 2002 reichte X. beim Bezirksgericht Zürich Ehrverletzungsklage gegen Y. ein. Mit Beschluss vom 7. Februar 2003 trat das Gericht auf die Klage infolge Verspätung nicht ein. Einen dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 20. Juni 2003 ab. Auf eine gegen den Entscheid des Obergerichts eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ist das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 7. Mai 2004 nicht eingetreten. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben. Y. beantragt in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2004 die vollumfängliche Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 29
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
2.1 Die dreimonatige Strafantragsfrist beginnt mit dem Tag, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird (Art. 29
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
BGE 130 IV 97 S. 99
nur der Verletzte persönlich und nicht auch sein bevollmächtigter Vertreter zu verstehen ist, sodass die Antragsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Verletzte persönlich die Tat und den Täter kennt und nicht schon, wenn sein bevollmächtigter Vertreter diese Kenntnis hat (BGE 80 IV 209 E. 2; BGE 97 I 769 E. 2).
2.2 Nach Auffassung der Vorinstanzen rechtfertigt sich ein Abweichen von der dargelegten Rechtsprechung im vorliegenden Fall deshalb, weil der Beschwerdeführer seinen Rechtsvertreter schon vor dem Zeitpunkt, in welchem er Kenntnis vom Namen der Beschwerdegegnerin erhielt, mit der Stellung eines Strafantrages beauftragt hatte. Er habe sich dessen Kenntnis somit spätestens ab dem 26. Juli 2002 - dem Datum der Bevollmächtigung - anrechnen zu lassen, weshalb die Antragsfrist spätestens am 26. Oktober 2002 abgelaufen sei.
Die Vorinstanzen stützen ihre Ansicht auf REHBERG und RIEDO. REHBERG vertritt ohne weitere Begründung die Auffassung, auf die Kenntnis des bevollmächtigten Vertreters müsse es entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ankommen, wenn der Verletzte diesen bereits zu einem Zeitpunkt zur Stellung eines Strafantrages ermächtigt habe, in welchem der Täter noch keinem von beiden bekannt gewesen sei (JÖRG REHBERG, Der Strafantrag, ZStrR 85/1969 S. 247 ff., 269). RIEDO teilt diese Meinung und schlägt vor, die Grundsätze anzuwenden, wie sie für das Handeln von Organen juristischer Personen gelten. Es sei stossend, wenn der Vertretene zur Wahrung seiner Interessen einen Vertreter bestellen könnte, um sich später darauf zu berufen, er selbst habe den Täter nicht gekannt (CHRISTOF RIEDO, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 29
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
2.3 Entgegen der Meinung der zitierten Autoren ist kein zwingender Grund ersichtlich, in Fällen wie dem vorliegenden von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und dem Vertretenen die Kenntnis seines Bevollmächtigten anzurechnen. Denn auch wenn ein Verletzter seinen Rechtsvertreter vor Kenntnis des Täters mit der Einreichung eines Strafantrags beauftragt, ist es durchaus denkbar, dass er, je nachdem, wer als Täter identifiziert wird, keine Strafverfolgung wünscht. Der Entscheid, Strafantrag zu stellen oder darauf zu verzichten, muss ihm daher persönlich erhalten bleiben. Weil der Vertretene, der Strafantrag stellen möchte, im Allgemeinen an einer möglichst baldigen Anhandnahme der
BGE 130 IV 97 S. 100
Strafverfolgung interessiert sein dürfte, ist die Gefahr des Rechtsmissbrauchs gering. Im Einzelfall könnte einem solchen ohnehin Rechnung getragen werden. Die Rechtslage bei der bürgerlichen Stellvertretung ist sodann keineswegs mit derjenigen bei der Organvertretung vergleichbar, da juristische Personen naturgemäss nicht selbst, sondern nur durch ihre Organe Strafantrag stellen können. Viel eher scheint ein Vergleich mit der gesetzlichen Vertretung urteilsfähiger Entmündigter angebracht. Denn dem gesetzlichen Vertreter steht hier neben dem Verletzten ein selbständiges Antragsrecht zu (vgl. Art. 28 Abs. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
BGE 130 IV 97 S. 101
2.4 Nachdem der Name der Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer laut den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz vor der Aufhebung der Stillhaltevereinbarung nicht bekannt gegeben worden war, begann die Antragsfrist nach den vorstehenden Erwägungen frühestens am 13. August 2002 zu laufen. Mit Einreichung der Klage am 13. November 2002 war die dreimonatige Frist damit auf jeden Fall gewahrt, weshalb sich die Beschwerde als begründet erweist.