130 III 321
40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen Versicherung Y. (Berufung) 5C.184/2003 vom 29. Januar 2004
Regeste (de):
- Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 39 - 1 Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind.
1 Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. 2 Der Vertrag kann verfügen: 1 dass der Anspruchsberechtigte bestimmte Belege, deren Beschaffung ihm ohne erhebliche Kosten möglich ist, insbesondere auch ärztliche Bescheinigungen, beizubringen hat; 2 dass die in Absatz 1 und Absatz 2 Ziffer 1 dieses Artikels vorgesehenen Mitteilungen, bei Verlust des Versicherungsanspruches, binnen bestimmter, angemessener Frist gemacht werden müssen. Die Frist läuft von dem Tage an, an dem das Versicherungsunternehmen den Anspruchsberechtigten, unter Androhung der Säumnisfolgen, schriftlich aufgefordert hat, diese Mitteilungen zu machen. - Beweislast, Beweismass und Gegenbeweis im Zusammenhang mit dem Eintritt des Versicherungsfalls (Präzisierung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 8 CC et art. 39 LCA; survenance du sinistre; preuve.
- Fardeau de la preuve, degré de la preuve et contre-preuve en relation avec la survenance du sinistre (précision de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 8 CC e art. 39 LCA; sopravvenienza del sinistro; prova.
- Onere della prova, grado della prova e controprova in relazione all'insorgere del sinistro (precisazione della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 321
BGE 130 III 321 S. 321
Der Kläger war als Schmuck- und Edelsteinhändler selbstständig erwerbstätig. Am 19. August 1996 erneuerte er seine Schadenversicherung bei der Beklagten. Insbesondere gegen Einbruchdiebstahl und Beraubung waren versichert Schmuck, Edelsteine und Geldwerte im Tresor "BAUER PE 1600" für die Summe von 1,05 Millionen Franken. Am 6. September 1997 meldete der Kläger der Beklagten einen bewaffneten Raubüberfall, der sich am Vortag ereignet haben soll. Die Beklagte verweigerte ihre Leistungen. Ende 1998 leitete der Kläger den Forderungsprozess ein und begehrte, die Beklagte zur Zahlung von 1,05 Millionen Franken nebst Zins zu verpflichten. Die kantonalen Gerichte wiesen die Klage ab. Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab, soweit darauf eingetreten werden kann.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss unangefochtener Vertragsauslegung des Obergerichts beschränkt sich der Versicherungsschutz auf Werte im Tresor
BGE 130 III 321 S. 322
"BAUER PE 1600". Beweisthema hat damit gebildet, dass eine unbekannte Täterschaft die vom Kläger aufgelisteten Wertsachen aus dem genannten Tresor gestohlen hat, d.h. den Tresor geöffnet und die näher bezeichneten Wertsachen heraus- und mitgenommen hat. Das Obergericht hat festgestellt, der Kläger habe den Beweis für diese anspruchsbegründenden Tatsachen nicht erbracht. Der Kläger macht eine Verletzung des bundesrechtlichen Beweismasses geltend.
2. Das Obergericht hat die beweisrechtlichen Besonderheiten bei Ansprüchen aus Versicherungsverträgen anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichts dargestellt (unter Verweis auf das Urteil 5C.11/2002 vom 11. April 2002, E. 2a/aa). Danach ist für den Eintritt des Versicherungsfalls behauptungs- und beweispflichtig, wer gegenüber dem Versicherer einen Anspruch erhebt. Da der Nachweis rechtsbegründender Tatsachen im Bereich des Versicherungsvertrags regelmässig mit Schwierigkeiten verbunden ist, geniesst der beweispflichtige Versicherungsnehmer insofern eine Beweiserleichterung, als er nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Versicherungsanspruchs darzutun hat. Allerdings kann der Versicherer im Rahmen des Gegenbeweises Indizien geltend machen, welche die Glaubwürdigkeit des Ansprechers erschüttern oder erhebliche Zweifel an der von ihm geschilderten Diebstahlsvariante erwecken. Gelingt dies dem Versicherer, ist vom Versicherungsnehmer der strikte Beweis des Eintritts des Versicherungsfalls zu fordern. Das zitierte Urteil 5C.11/2002, das die bundesgerichtliche Rechtsprechung zusammenfasst, ist in Fachzeitschriften veröffentlicht worden (SJZ 98/2002 S. 338 f. Nr. 17/2; JdT 2002 I S. 531 ff.; Haftung und Versicherung [HAVE] 2002 S. 376 ff.). Es hat zu teilweise kritischen Bemerkungen Anlass gegeben. Hervorgehoben werden einerseits begriffliche Ungenauigkeiten in Fragen des Beweismasses und andererseits Schwierigkeiten, die sich aus einem gleichsam zweistufigen ("doppelten") Beweismass ergeben (LEUENBERGER, in: ZBJV 139/2003 S. 652 ff.; ABRECHT, in: JdT 2002 I S. 534 ff.; NEF, in: HAVE 2002 S. 378 f.). Zudem wird beanstandet, aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehe nicht klar hervor, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit im Einzelnen erforderlich sei und was geschehe, wenn der Versicherer den Gegenbeweis erbringe (vgl. etwa NEF, in: Kommentar zum Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Basel 2001, N. 23 und 27 zu Art. 39
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 39 - 1 Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. |
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1 | Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. |
2 | Der Vertrag kann verfügen: |
1 | dass der Anspruchsberechtigte bestimmte Belege, deren Beschaffung ihm ohne erhebliche Kosten möglich ist, insbesondere auch ärztliche Bescheinigungen, beizubringen hat; |
2 | dass die in Absatz 1 und Absatz 2 Ziffer 1 dieses Artikels vorgesehenen Mitteilungen, bei Verlust des Versicherungsanspruches, binnen bestimmter, angemessener Frist gemacht werden müssen. Die Frist läuft von dem Tage an, an dem das Versicherungsunternehmen den Anspruchsberechtigten, unter Androhung der Säumnisfolgen, schriftlich aufgefordert hat, diese Mitteilungen zu machen. |
BGE 130 III 321 S. 323
Justification du sinistre et prétention frauduleuse en matière d'assurance privée, in: HAVE 2003 S. 31 ff., 33 ff. Ziff. II).
3. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Beweis des Eintritts des Versicherungsfalls ist zusammenzufassen und zu präzisieren wie folgt:
3.1 Gemäss Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 100 - 1 Soweit dieses Gesetz keine Vorschriften enthält, finden auf den Versicherungsvertrag die Bestimmungen des Obligationenrechtes Anwendung. |
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1 | Soweit dieses Gesetz keine Vorschriften enthält, finden auf den Versicherungsvertrag die Bestimmungen des Obligationenrechtes Anwendung. |
2 | Für Versicherungsnehmer und Versicherte, die nach Artikel 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982151 als arbeitslos gelten, sind überdies die Artikel 71 Absätze 1 und 2 und 73 KVG152 sinngemäss anwendbar.153 |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 39 - 1 Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. |
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1 | Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. |
2 | Der Vertrag kann verfügen: |
1 | dass der Anspruchsberechtigte bestimmte Belege, deren Beschaffung ihm ohne erhebliche Kosten möglich ist, insbesondere auch ärztliche Bescheinigungen, beizubringen hat; |
2 | dass die in Absatz 1 und Absatz 2 Ziffer 1 dieses Artikels vorgesehenen Mitteilungen, bei Verlust des Versicherungsanspruches, binnen bestimmter, angemessener Frist gemacht werden müssen. Die Frist läuft von dem Tage an, an dem das Versicherungsunternehmen den Anspruchsberechtigten, unter Androhung der Säumnisfolgen, schriftlich aufgefordert hat, diese Mitteilungen zu machen. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 14 - 1 Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
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1 | Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
2 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, seine Leistung in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnisse zu kürzen. |
3 | Ist das Ereignis absichtlich oder grobfahrlässig von einer Person herbeigeführt worden, die mit dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder für deren Handlungen der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte einstehen muss, und hat er sich in der Beaufsichtigung, durch die Anstellung oder durch die Aufnahme jener Person einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht, so kann das Versicherungsunternehmen seine Leistung in einem Verhältnisse kürzen, das dem Grade des Verschuldens des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten entspricht. |
4 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt oder sich einer leichten Fahrlässigkeit im Sinne des vorhergehenden Absatzes schuldig gemacht, oder hat eine der übrigen dort aufgeführten Personen das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 40 - Hat der Anspruchsberechtigte oder sein Vertreter Tatsachen, welche die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens ausschliessen oder mindern würden, zum Zwecke der Täuschung unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen oder hat er die ihm nach Massgabe des Artikels 39 dieses Gesetzes obliegenden Mitteilungen zum Zwecke der Täuschung zu spät oder gar nicht gemacht, so ist das Versicherungsunternehmen gegenüber dem Anspruchsberechtigten an den Vertrag nicht gebunden. |
BGE 130 III 321 S. 324
E. 2-4, teilweise publ. in: Pra 90/2001 Nr. 119 S. 706 ff.). Das Gericht wird zwar die zum einen Beweisthema vorgebrachten Indizien auch im Hinblick auf das andere Beweisthema würdigen (zit. Urteil 5C.11/2002, E. 2a/cc; NEF, Kommentar, a.a.O., N. 58 zu Art. 40
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 40 - Hat der Anspruchsberechtigte oder sein Vertreter Tatsachen, welche die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens ausschliessen oder mindern würden, zum Zwecke der Täuschung unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen oder hat er die ihm nach Massgabe des Artikels 39 dieses Gesetzes obliegenden Mitteilungen zum Zwecke der Täuschung zu spät oder gar nicht gemacht, so ist das Versicherungsunternehmen gegenüber dem Anspruchsberechtigten an den Vertrag nicht gebunden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
3.2 Ein Beweis gilt als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Absolute Gewissheit kann dabei nicht verlangt werden. Es genügt, wenn das Gericht am Vorliegen der behaupteten Tatsache keine ernsthaften Zweifel mehr hat oder allenfalls verbleibende Zweifel als leicht erscheinen. Ausnahmen von diesem Regelbeweismass, in denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als ausreichend betrachtet wird, ergeben sich einerseits aus dem Gesetz selbst und sind andererseits durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet worden. Den Ausnahmen liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten (vgl. BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 275). Die Beweiserleichterung setzt demnach eine "Beweisnot" voraus. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich oder nicht zumutbar ist, insbesondere wenn die von der beweisbelasteten Partei behaupteten Tatsachen nur mittelbar durch Indizien bewiesen werden können. Eine Beweisnot liegt aber nicht schon darin begründet, dass eine Tatsache, die ihrer Natur nach ohne weiteres dem unmittelbaren Beweis zugänglich wäre, nicht bewiesen werden kann, weil der beweisbelasteten Partei die Beweismittel fehlen. Blosse Beweisschwierigkeiten im konkreten Einzelfall können nicht zu einer Beweiserleichterung führen (Urteil des Bundesgerichts 5C.175/1997 vom 17. Oktober 1997, E. 2 und 3; allgemein: HOHL, Procédure civile, t. I: Introduction et théorie générale, Bern 2001, N. 1098 S. 210, und ausführlich in: Le degré de la preuve, Festschrift Vogel, Freiburg i.Üe. 1991, S. 125 ff., 151 f.)
BGE 130 III 321 S. 325
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Im Zusammenhang mit dem Eintritt des Versicherungsfalls geht die Rechtsprechung davon aus, dass - namentlich bei der Diebstahlversicherung - in der Regel eine Beweisnot gegeben ist, so dass sich die Herabsetzung des Beweismasses rechtfertigt (zuletzt: Urteile 5C.47/2002 vom 17. April 2002, E. 2b, und 5C.99/2002 vom 12. Juni 2002, E. 2.1).
3.3 Das Beweismass ist für den Eintritt des Versicherungsfalls auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ("la vraisemblance prépondérante"; "la verosimiglianza preponderante") herabgesetzt (BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276). Gelegentlich verwendete das Bundesgericht andere Begriffe, ohne dass damit beabsichtigt war, das Beweismass inhaltlich anders zu umschreiben. Es empfiehlt sich, inskünftig eine einheitliche Terminologie zu verwenden. Das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit muss insbesondere von der Glaubhaftmachung ("la simple vraisemblance"; "la semplice verosimiglianza") abgegrenzt werden. Denn zum einen umschreibt "Glaubhaftmachen" oftmals das Beweismass, das im Rahmen von vorläufigen, zumeist mit Beweismittelbeschränkungen getroffenen Entscheiden, namentlich vorsorglichen Massnahmen, gilt. Zum anderen unterscheidet sich der jeweilen geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (vgl. BGE 120 II 393 E. 4c S. 398; BGE 104 Ia 408 E. 4 S. 413; BGE 88 I 11 E. 5a S. 14). Demgegenüber sind die Anforderungen beim Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit höher: Die Möglichkeit, dass es sich auch anders verhalten könnte, schliesst die überwiegende Wahrscheinlichkeit zwar nicht aus, darf aber für die betreffende Tatsache weder eine massgebende Rolle spielen noch vernünftigerweise in Betracht fallen (HOHL, Procédure civile, t. I, a.a.O., N. 1061 f. S. 200 f. und N. 1096 f. S. 210, sowie in: Procédure civile, t. II: Organisation judiciaire, compétence, procédures et voies de recours, Bern 2002, N. 2760-2763 S. 225). Ausdrücklich abgelehnt hat das Bundesgericht sodann ein gleichsam "variables Beweismass", wonach an den Beweis einer Tatsache um so höhere Anforderungen zu stellen sind, je weniger wahrscheinlich die Behauptung ist (zit. Urteil 5C.99/2002, E. 2.4). Es trifft zwar zu, dass eine bestimmte Tatsache je nach den
BGE 130 III 321 S. 326
Umständen des konkreten Einzelfalls dem Gericht mehr oder weniger rasch als überwiegend wahrscheinlich erscheint. Diese Überlegung gehört aber in den Bereich der Beweiswürdigung (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 322 Ziff. IV/1).
3.4 Dem Versicherer steht ein - aus Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 39 - 1 Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. |
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1 | Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsunternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen erteilen, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignisses dienlich sind. |
2 | Der Vertrag kann verfügen: |
1 | dass der Anspruchsberechtigte bestimmte Belege, deren Beschaffung ihm ohne erhebliche Kosten möglich ist, insbesondere auch ärztliche Bescheinigungen, beizubringen hat; |
2 | dass die in Absatz 1 und Absatz 2 Ziffer 1 dieses Artikels vorgesehenen Mitteilungen, bei Verlust des Versicherungsanspruches, binnen bestimmter, angemessener Frist gemacht werden müssen. Die Frist läuft von dem Tage an, an dem das Versicherungsunternehmen den Anspruchsberechtigten, unter Androhung der Säumnisfolgen, schriftlich aufgefordert hat, diese Mitteilungen zu machen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
Gelingt der Gegenbeweis, dürfen die vom Anspruchsberechtigten behaupteten Tatsachen nicht als bewiesen - d.h. als überwiegend wahrscheinlich gemacht - anerkannt werden. Der Hauptbeweis ist vielmehr gescheitert. Damit hat es sein Bewenden, wie das Bundesgericht erst kürzlich festgehalten hat (zit. Urteil 5C.99/2002, E. 2.4). Insoweit kann nicht daran festgehalten werden, der Anspruchsberechtigte habe den strikten Beweis des Eintritts des
BGE 130 III 321 S. 327
Ver sicherungsfalls zu leisten, wenn dem Versicherer der Gegenbeweis gelinge. Denn im Rahmen der Urteilsfindung erfolgt eine Gesamtwürdigung aller Ergebnisse des Beweisverfahrens durch das Gericht. Es macht zudem keinen Sinn, dem Anspruchsberechtigten den strikten Beweis zu überbinden, den er umso weniger erbringen könnte, als er schon an der tieferen Beweishürde scheiterte.
3.5 Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Wer gegenüber dem Versicherer einen Anspruch erhebt, ist für den Eintritt des Versicherungsfalls behauptungs- und beweispflichtig (E. 3.1). Da dieser Beweis regelmässig mit Schwierigkeiten verbunden ist, geniesst der beweispflichtige Anspruchsberechtigte insoweit eine Beweiserleichterung (E. 3.2) und genügt seiner Beweislast, wenn er den Eintritt des Versicherungsfalls überwiegend wahrscheinlich zu machen vermag (E. 3.3). Gelingt es dem Versicherer im Rahmen des ihm zustehenden Gegenbeweises, an der Sachdarstellung des Anspruchsberechtigten erhebliche Zweifel zu wecken, so ist der Hauptbeweis des Anspruchsberechtigten gescheitert (E. 3.4).
4. Aus den dargelegten Gründen ist das Obergericht von den zutreffenden rechtlichen Annahmen ausgegangen, indem es vom Kläger den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Diebstahls verlangt und die Beklagte zum Gegenbeweis zugelassen hat. Soweit der Kläger eine Verletzung des Beweismasses einwendet, muss seine Berufung abgewiesen werden.
5. Zur Hauptsache erblickt der Kläger eine "Beweismassverletzung" darin, dass das Obergericht seine Glaubwürdigkeit als erschüttert angesehen habe und deshalb eine überwiegende Wahrscheinlichkeit seiner Sachdarstellung nicht habe genügen lassen. Beweislastverteilung (Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 130 III 321 S. 328
Soweit der Kläger die Berücksichtigung seiner Steuerunterlagen und die daraus gezogenen Schlüsse kritisiert und soweit er seine Aussagen im Gerichtsverfahren und die Protokolle über seine Sachdarstellung gegenüber den Ermittlungsbehörden anders würdigt und namentlich festgestellte Widersprüche erklärt oder behebt, kann auf seine Berufung nicht eingetreten werden. Denn zur unüberprüfbaren Indizienbeweiswürdigung gehören die Feststellungen des Obergerichts, gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers sprächen sowohl das Verheimlichen von Vermögenswerten gegenüber Steuerbehörden als auch die offenkundigen Widersprüche und Ungereimtheiten zwischen den ersten Aussagen gegenüber den Ermittlungsbehörden und den späteren Sachdarstellungen im gerichtlichen Verfahren (vgl. dazu insbesondere PANTLI/KIESER/PRIBNOW, Die "Aussage der ersten Stunde" im Schadensausgleichsrecht - und die Mangelhaftigkeit ihrer Aufzeichnung, AJP 2000 S. 1195 ff., 1199 f. Ziff. II/B/3).
6. Erweist sich nach dem Gesagten die eine der beiden Begründungen als bundesrechtskonform, so ist es auch das obergerichtliche Urteil selbst. Es erübrigt sich damit, auf die andere selbstständige Begründung einzugehen, wonach für die angeblich gestohlenen Wertsachen keine Versicherungsdeckung bestehen soll. Blosse Erwägungen bedeuten keine Beschwer (BGE 103 II 155 E. 3 S. 159 f.; BGE 129 III 320 E. 5.1 S. 323).