130 II 482
41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 5A.18/2004 vom 7. September 2004
Regeste (de):
- Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung (Art. 27
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz
BüG Art. 27 Wiedereinbürgerung nach Verwirkung, Entlassung und Verlust des Bürgerrechts - 1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen.
1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. 2 Nach Ablauf der in Absatz 1 erwähnten Frist kann die Wiedereinbürgerung beantragen, wer seit drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz hat. SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz
BüG Art. 41 Mehrfaches kantonales Bürgerrecht - 1 Bei Schweizerinnen und Schweizern mit Bürgerrecht mehrerer Kantone kann das Gesuch bei einem der Heimatkantone eingereicht werden.
1 Bei Schweizerinnen und Schweizern mit Bürgerrecht mehrerer Kantone kann das Gesuch bei einem der Heimatkantone eingereicht werden. 2 Entscheidet ein Heimatkanton über die Entlassung, so bewirkt die Zustellung des Entscheides den Verlust des Schweizer Bürgerrechts sowie aller Kantons- und Gemeindebürgerrechte. 3 Der Kanton, welcher über die Entlassung entschieden hat, informiert von Amtes wegen die übrigen Heimatkantone. - Voraussetzungen für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts und die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung (E. 2).
- Besteht auf Grund des Ereignisablaufs die tatsächliche Vermutung, die Einbürgerung sei erschlichen worden, obliegt es dem Betroffenen, die Vermutung durch den Gegenbeweis umzustürzen (E. 3.2 und 3.3).
Regeste (fr):
- Annulation d'une naturalisation facilitée (art. 27 et 41 LN); preuve des conditions de naturalisation; présomption de fait.
- Conditions de l'octroi de la nationalité suisse et de l'annulation de la naturalisation facilitée (consid. 2).
- Si l'enchaînement des événements fonde la présomption de fait que la naturalisation a été obtenue frauduleusement, il incombe à l'intéressé de renverser cette présomption en apportant la contre-preuve (consid. 3.2 et 3.3).
Regesto (it):
- Annullamento di una naturalizzazione agevolata (art. 27 e 41 LCit); prova dei presupposti per la naturalizzazione; presunzione di fatto.
- Presupposti per l'acquisto della cittadinanza svizzera e annullamento della naturalizzazione agevolata (consid. 2).
- Se in base al decorso degli eventi sussiste la presunzione di fatto che il matrimonio sia stato ottenuto in modo fraudolento, spetta all'interessato rovesciare la presunzione apportando la controprova (consid. 3.2 e 3.3).
Sachverhalt ab Seite 482
BGE 130 II 482 S. 482
A.
A.a X. reiste am 3. Juli 1989 in die Schweiz ein und ersuchte hier um Asyl. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wurde er aufgefordert, die Schweiz bis zum 30. November 1992 zu verlassen. Stattdessen meldete er im November 1992 das
BGE 130 II 482 S. 483
Eheversprechen mit der um 26 Jahre älteren Schweizer Bürgerin Y. an. Am 22. Januar 1993 fand dann die Heirat statt. Am 2. September 1998 erhielt X. durch erleichterte Einbürgerung nach Art. 27
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz BüG Art. 27 Wiedereinbürgerung nach Verwirkung, Entlassung und Verlust des Bürgerrechts - 1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
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1 | Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
2 | Nach Ablauf der in Absatz 1 erwähnten Frist kann die Wiedereinbürgerung beantragen, wer seit drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz hat. |
A.b Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) teilte am 27. August 2001 X. die Eröffnung eines Verfahrens um Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung mit. Sein Parteivertreter nahm dazu mit Eingabe vom 10. September 2001 Stellung. Mit Verfügung vom 19. August 2003 erklärte das IMES die erleichterte Einbürgerung von X. vom 2. September 1998 für nichtig. Am 30. April 2004 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die von X. eingereichte Beschwerde ab.
B. Mit Eingabe vom 2. Juni 2004 führt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des EJPD vom 30. April 2004 sowie die Verfügung des IMES vom 19. August 2003 seien vollumfänglich aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 27 Abs. 1
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz BüG Art. 27 Wiedereinbürgerung nach Verwirkung, Entlassung und Verlust des Bürgerrechts - 1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
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1 | Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
2 | Nach Ablauf der in Absatz 1 erwähnten Frist kann die Wiedereinbürgerung beantragen, wer seit drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz hat. |
BGE 130 II 482 S. 484
Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art. 27
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz BüG Art. 27 Wiedereinbürgerung nach Verwirkung, Entlassung und Verlust des Bürgerrechts - 1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
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1 | Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
2 | Nach Ablauf der in Absatz 1 erwähnten Frist kann die Wiedereinbürgerung beantragen, wer seit drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz hat. |
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz BüG Art. 41 Mehrfaches kantonales Bürgerrecht - 1 Bei Schweizerinnen und Schweizern mit Bürgerrecht mehrerer Kantone kann das Gesuch bei einem der Heimatkantone eingereicht werden. |
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1 | Bei Schweizerinnen und Schweizern mit Bürgerrecht mehrerer Kantone kann das Gesuch bei einem der Heimatkantone eingereicht werden. |
2 | Entscheidet ein Heimatkanton über die Entlassung, so bewirkt die Zustellung des Entscheides den Verlust des Schweizer Bürgerrechts sowie aller Kantons- und Gemeindebürgerrechte. |
3 | Der Kanton, welcher über die Entlassung entschieden hat, informiert von Amtes wegen die übrigen Heimatkantone. |
3.
3.1 Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) hat am 19. August 2003 die erleichterte Einbürgerung des Beschwerdeführers vom 2. September 1998 für nichtig erklärt. Es hat sich dabei insbesondere auf die Scheidungsakten und die Befragung der Ex-Ehefrau vom 11. Oktober 2002 abgestützt und im Weiteren bei der früheren Arbeitgeberin des Beschwerdeführers die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgeklärt. Das EJPD hat diese tatbeständlichen Grundlagen in seinem Entscheid übernommen und auf Grund der Einwände des
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Beschwerdeführers in seiner Verwaltungsbeschwerde sich seinerseits nochmals sehr ausführlich damit auseinander gesetzt. Es ist auf Grund der gesamten Umstände davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer durch ein planmässiges Vorgehen das Schweizer Bürgerrecht erschlichen habe und es ihm von allem Anfang an nicht darum gegangen sei, mit Y. eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art. 27 Abs. 1
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz BüG Art. 27 Wiedereinbürgerung nach Verwirkung, Entlassung und Verlust des Bürgerrechts - 1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
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1 | Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
2 | Nach Ablauf der in Absatz 1 erwähnten Frist kann die Wiedereinbürgerung beantragen, wer seit drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz hat. |
SR 141.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG) - Bürgerrechtsgesetz BüG Art. 27 Wiedereinbürgerung nach Verwirkung, Entlassung und Verlust des Bürgerrechts - 1 Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
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1 | Wer das Schweizer Bürgerrecht verloren hat, kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen. |
2 | Nach Ablauf der in Absatz 1 erwähnten Frist kann die Wiedereinbürgerung beantragen, wer seit drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz hat. |
3.2 In der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 19
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 19 - Auf das Beweisverfahren finden ergänzend die Artikel 37, 39-41 und 43-61 BZP50 sinngemäss Anwendung; an die Stelle der Straffolgen, die die BZP gegen säumige Parteien oder Dritte vorsieht, tritt die Straffolge nach Artikel 60 dieses Gesetzes. |
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 40 - Der Richter würdigt die Beweise nach freier Überzeugung. Er wägt mit das Verhalten der Parteien im Prozesse, wie das Nichtbefolgen einer persönlichen Vorladung, das Verweigern der Beantwortung richterlicher Fragen und das Vorenthalten angeforderter Beweismittel. |
BGE 130 II 482 S. 486
(Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Tatsächliche Vermutungen können sich in allen Bereichen der Rechtsanwendung ergeben, namentlich auch im öffentlichen Recht. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die auf Grund der Lebenserfahrung gezogen werden (ULRICH HÄFELIN, Vermutungen im öffentlichen Recht, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel 1982, S. 626; vgl. auch PETER SUTTER, Die Beweislastregeln unter besonderer Berücksichtigung des verwaltungsrechtlichen Streitverfahrens, Diss. Zürich 1988, S. 56 ff., 178 ff. und FRITZ GYGI, a.a.O., S. 282 ff.; MAX KUMMER, Berner Kommentar, N. 362 f. zu Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 13 - 1 Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken: |
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1 | Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken: |
a | in einem Verfahren, das sie durch ihr Begehren einleiten; |
b | in einem anderen Verfahren, soweit sie darin selbständige Begehren stellen; |
c | soweit ihnen nach einem anderen Bundesgesetz eine weitergehende Auskunfts- oder Offenbarungspflicht obliegt. |
1bis | Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich nicht auf die Herausgabe von Gegenständen und Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei mit ihrem Anwalt, wenn dieser nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200034 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist.35 |
2 | Die Behörde braucht auf Begehren im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a oder b nicht einzutreten, wenn die Parteien die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigern. |
3.3 Bis zur Einreise am 3. Juli 1989 in die Schweiz lebte der Beschwerdeführer mit einer türkischen Frau zusammen, mit der er zwei Kinder gezeugt hat. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wurde er aufgefordert, die Schweiz bis zum 30. November 1992 zu verlassen. Stattdessen meldete er im November 1992 das Eheversprechen mit einer um 26 Jahre älteren Schweizer Bürgerin an. Die Heirat erfolgte am 22. Januar 1993. Am 6. September 1997 unterschrieb der Beschwerdeführer eine Erklärung, wonach er und seine Schweizer Ehefrau in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten. Das Schweizer Bürgerrecht wurde dem Beschwerdeführer am 2. September 1998 verliehen und am 1. März 1999 unterzeichnete er mit seiner Schweizer Ehefrau die Vereinbarung zur
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Auflösung des Haushaltes und der Ehe, worauf am 4. Mai 1999 die Scheidung ausgesprochen wurde. Am 6. Juli 1999 verheiratete sich der Beschwerdeführer mit seiner früheren Lebensgefährtin. Allein auf Grund dieser Eckdaten besteht die Vermutung, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau im fraglichen Zeitpunkt nicht (mehr) in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten und infolgedessen die unmittelbar vor der Scheidung und Wiederverheiratung erlangte erleichterte Einbürgerung erschlichen wurde. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde in der Hauptsache vor, die Ehe sei auf Grund der wirtschaftlichen Probleme nach der Kündigung (Januar 1999) gescheitert. Er sei deswegen psychisch angeschlagen und, bedingt durch die Stellensuche, häufig abwesend gewesen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wirtschaftlich angespannte Verhältnisse Ehen gefährden können. Hier geht es aber darum, ob nachvollziehbar ist, dass eine bis zum Januar 1999 angeblich intakte Ehe infolge der Kündigung der Arbeitsstelle innert nicht einmal ganz zweier Monate derart zerrüttet wurde, dass die Ehegatten eine Scheidungsvereinbarung unterzeichneten. Das ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu verneinen, weshalb der Beschwerdeführer die tatsächliche Vermutung nicht umzustossen vermag. Eine Auseinandersetzung mit den weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere dass die Ehe mit der Schweizer Ehefrau trotz seiner Ferienaufenthalte in der Türkei bis zur Ehescheidung intensiv gelebt worden sei, erübrigt sich daher.