129 III 641
100. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. von Senger und Mitb. gegen Ammann und Gosteli sowie Eidgenössisches Departement des Innern, Eidg. Stiftungsaufsicht (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 5A.14/2003 vom 20. August 2003
Regeste (de):
- Stiftungsaufsicht (Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. 1bis Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112 2 Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. 3 Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113 - Soweit die Stiftungsurkunde oder -reglemente nichts anderes bestimmen, ist in organisatorischer Hinsicht das Vereinsrecht auf körperschaftlich organisierte Stiftungen analog anzuwenden. Nichtigkeit von Vereins- und entsprechend auch von Stiftungsratsbeschlüssen ist von Amtes wegen festzustellen (E. 3.4).
- Ist der Stiftungsrat in seiner internen Handlungsfähigkeit blockiert, weil Stiftungsräte in ihrem Amt eingestellt worden sind, kommt der Aufsichtsbehörde, die diese Einstellungen verfügt hat, kraft ihrer Aufsichtsgewalt die Befugnis zu, an deren Stelle bei der Ernennung neuer Stiftungsräte mitzuwirken (E. 3.5).
Regeste (fr):
- Surveillance des fondations (art. 84 CC).
- Autant que l'acte ou le règlement de fondation ne prévoient rien d'autre, le droit de l'association s'applique de façon analogue à l'organisation des fondations corporatives. La nullité des décisions d'une association et, partant, d'un conseil de fondation, doit être examinée d'office (consid. 3.4).
- Si le fonctionnement interne du conseil de fondation est paralysé parce que des membres ont été suspendus de leur fonction, il incombe, en vertu de son pouvoir de surveillance, à l'autorité de surveillance qui a décidé la suspension de participer à la place des membres suspendus, à la nomination de nouveaux membres du conseil (consid. 3.5).
Regesto (it):
- Vigilanza sulle fondazioni (art. 84 CC).
- Nella misura in cui l'atto di fondazione o i regolamenti non dispongono altrimenti, alle fondazioni strutturate in modo corporativo si applica per analogia, per quanto riguarda le questioni organizzative, il diritto delle associazioni. La nullità di decisioni di associazioni e di conseguenza anche di risoluzioni del consiglio di fondazione dev'essere rilevata d'ufficio (consid. 3.4).
- Se il consiglio di fondazione è bloccato nella sua capacità di agire interna, perché alcuni suoi membri sono stati sospesi dalla loro funzione, all'autorità di vigilanza che ha ordinato tali sospensioni spetta, in virtù del suo potere di sorveglianza, il compito di partecipare in luogo e vece dei membri sospesi alla nomina dei nuovi membri del consiglio di fondazione (consid. 3.5).
Sachverhalt ab Seite 642
BGE 129 III 641 S. 642
A.- Die Antonie Deusser-Stiftung ist eine Stiftung im Sinne von Art. 80 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck. |
BGE 129 III 641 S. 643
mit Entscheid vom 20. August 2002 die Nichtigkeit der Wahl von Eliane Pires vom 27. März 1999 in die beiden Stiftungsräte fest. Im Übrigen wies es die Dossiers zur Abklärung der gegen Hugo Ammann und Kurt Gosteli erhobenen Vorwürfe an das EDI zurück. In der Folge verfügte das EDI am 14. Februar 2003, dass Hugo Ammann und Kurt Gosteli unter Entzug der Unterschriftenberechtigung in ihrer Funktion als Stiftungsräte eingestellt blieben, und zwar bis zum Widerruf der Einstellung oder bis zur definitiven Abberufung nach Beendigung der aufsichtsrechtlichen Abklärungen. Entsprechend erscheinen Hugo Ammann und Kurt Gosteli im Handelsregister als Mitglieder des Stiftungsrats ohne Zeichnungsberechtigung. Demgegenüber ist Alexander von Senger als Stiftungsrat mit Kollektivunterschrift zu zweien eingetragen.
B.- Ohne Rücksprache mit dem EDI oder dem bereits am 20. August 2000 ernannten Stiftungsbeistand wählte Alexander von Senger am 7. Mai 2003 in seiner Funktion als Stiftungsrat seine beiden Rechtsvertreter in der Stiftungsangelegenheit, Michael E. Dreher und Bruno Baer, deren ebenfalls mit dem Dossier betrauten Mitarbeiter Andreas Textor sowie Roland Anton Brun und Roland Paul Dirk Friedrich zu Stiftungsräten. Diese Ernennungen wurden dem Handelsregisteramt sogleich mitgeteilt und von diesem im Handelsregister eingetragen.
Mit Eingaben vom 12. Mai 2003 teilten die beiden Stiftungen dem EDI mit, die Stiftungsräte seien nun ordentlich besetzt, und verlangten die Aufhebung der Stiftungsbeistandschaft. Am 14. Mai 2003 teilten die Stiftungsräte die Neubesetzung allen Banken mit, bei denen die Stiftungen Vermögensanlagen besitzen; ausserdem baten sie diese um Auszüge über sämtliche Konti und Depots sowie um Neuordnung der Unterschriftenkarten. Des Weiteren veranlassten sie eine Postumleitung. Mit Verfügung vom 23. Mai 2003 ordnete das EDI im Wesentlichen an, dass die Geschäftsführung beim Stiftungsbeistand verbleibe, und es untersagte den Stiftungsräten unter Androhung der Straffolgen von Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
C.- Gegen diese Verfügung haben Alexander von Senger und die fünf neu gewählten Stiftungsräte am 25. Juni 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht erhoben.
BGE 129 III 641 S. 644
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.3 Es bleibt zu klären, ob Alexander von Senger einziger verbleibender Stiftungsrat und damit zur Ergänzung des jeweiligen Stiftungsrates berechtigt war, wie dies die Beschwerdeführer behaupten. Dabei geht es nicht etwa um die Vertretungsmacht gegen aussen (Art. 54
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 54 - Die juristischen Personen sind handlungsfähig, sobald die nach Gesetz und Statuten hiefür unentbehrlichen Organe bestellt sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 55 - 1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben. |
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1 | Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben. |
2 | Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten. |
3 | Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 83 - Die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung werden durch die Stiftungsurkunde festgestellt. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 54 - Die juristischen Personen sind handlungsfähig, sobald die nach Gesetz und Statuten hiefür unentbehrlichen Organe bestellt sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 55 - 1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben. |
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1 | Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben. |
2 | Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten. |
3 | Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich. |
3.4 Soweit die Stiftungsurkunde oder -reglemente nichts anderes bestimmen, ist in organisatorischer Hinsicht, namentlich betreffend Willensbildung und Beschlussfassung, das Vereinsrecht auf körperschaftlich organisierte Stiftungen analog anzuwenden (RIEMER, Berner Kommentar, N. 32 zu Art. 83
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 83 - Die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung werden durch die Stiftungsurkunde festgestellt. |
BGE 129 III 641 S. 645
5A.23/1999 vom 27. März 2000, E. 2b; 5A.2/2002 vom 20. März 2002, E. 4c; 5A.8/2002 vom 20. August 2002, E. 2.3). Liegt wie vorliegend gar kein Beschluss, sondern lediglich ein Scheinbeschluss vor, ist der Schein durch Nichtigerklärung zu beseitigen (RIEMER, a.a.O., N. 95 zu Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten. |
3.5 Dies bedeutet nun freilich nicht, dass bis zum Abschluss der aufsichtsrechtlichen Abklärungen die Ernennung zusätzlicher Stiftungsräte - namentlich die seinerzeit vom EDI gewünschten Fachpersonen für den kulturellen und den operativen Bereich - von vornherein ausgeschlossen wäre: Ist nicht die statutarisch vorgesehene Konstellation gegeben, dass das (verbleibende) Stiftungsratsmitglied den Stiftungsrat durch Kooptation ergänzen kann, sind vielmehr mehrere Stiftungsräte vorhanden und demnach die Stiftungsräte als Gesamtheit dazu berufen, und ist dieses Kollektiv in seiner internen Handlungsfähigkeit blockiert,
BGE 129 III 641 S. 646
weil zwei der drei Stiftungsräte in ihrem Amt eingestellt sind, muss der Aufsichtsbehörde, die diese Einstellungen gestützt auf Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. |
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1 | Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. |
1bis | Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112 |
2 | Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. |
3 | Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. |
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1 | Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. |
1bis | Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112 |
2 | Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. |
3 | Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113 |
Im Rahmen seiner Mitwirkungskompetenz könnte das EDI gemeinsam mit Alexander von Senger nach weiteren Stiftungsräten suchen, soweit es dies für notwendig erachtet. Es wäre aber auch denkbar, dass jener allfällige Stiftungsräte vorschlägt. Diesfalls dürfte es entbehrlich sein, dass das EDI bei der Ernennung neuer Stiftungsräte an einer förmlichen Sitzung teilnimmt; vielmehr wird es seine Befugnisse auch so wahrnehmen können, dass es allfällige Ernennungsvorschläge prüft und anschliessend über die Genehmigung eine positive oder negative Verfügung erlässt.