Urteilskopf

128 V 95

19. Urteil i.S. K. gegen IV-Stelle Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern I 395/00 vom 29. April 2002
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 95

BGE 128 V 95 S. 95

A.- Die 1991 geborene K. leidet seit ihrer Geburt an einem Strabismus convergens (congenitales Schielsyndrom) sowie an stark vermindertem Sehvermögen beidseits und einer psychomotorischen Retardation. Seit frühester Kindheit hat die Invalidenversicherung deswegen medizinische Massnahmen gewährt, Kostengutsprachen für diverse Hilfsmittel geleistet und ab 1. September 1998 einen Pflegebeitrag für leichte Hilflosigkeit zugesprochen. Mit Verfügung vom 7. Oktober 1999 lehnte die IV-Stelle Bern ein Gesuch um Übernahme der Kosten für eine wöchentliche Lektion Psychomotorik-Therapie ab 1. August 1998 ab.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 22. Mai 2000 ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Vater von K. wiederum die Übernahme der Psychomotorik-Therapie durch die Invalidenversicherung beantragen. Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
D.- Am 29. April 2002 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. a) An die Sonderschulung bildungsfähiger Versicherter, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben und denen infolge Invalidität der Besuch der Volksschule nicht möglich oder nicht
BGE 128 V 95 S. 96

zumutbar ist, werden Beiträge gewährt (Art. 19 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
Satz 1 IVG). Die Beiträge umfassen u.a. besondere Entschädigungen für zusätzlich zum Sonderschulunterricht notwendige Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art, wie Sprachheilbehandlung für schwer Sprachgebrechliche, Hörtraining und Ableseunterricht für Gehörgeschädigte sowie Sondergymnastik zur Förderung gestörter Motorik für Sinnesbehinderte und hochgradig geistig Behinderte (Art. 19 Abs. 2 lit. c
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG). Gemäss Art. 19 Abs. 3
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG bezeichnet der Bundesrat im Einzelnen die gemäss Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Beiträgen und setzt deren Höhe fest (Satz 1). Er erlässt Vorschriften über die Gewährung entsprechender Beiträge an Massnahmen für invalide Kinder im vorschulpflichtigen Alter, insbesondere zur Vorbereitung auf die Sonderschulung sowie an Massnahmen für invalide Kinder, die die Volksschule besuchen (Satz 2). b) Im Rahmen dieser formellgesetzlichen Ausgangslage, namentlich gestützt auf die Rechtsetzungsdelegation in Art. 19 Abs. 3
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG, hat der Bundesrat in Art. 8 ff
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
. IVV Vorschriften über Massnahmen für die Sonderschulung aufgestellt. In der hier massgebenden Fassung vom 25. November 1996, in Kraft seit 1. Januar 1997, differenziert er dabei zwischen I. Sonderschulunterricht, II. Massnahmen zur Ermöglichung des Volksschulbesuches und III. Massnahmen zur Vorbereitung auf den Sonder- und Volksschulunterricht, wobei überall eine Entschädigung für Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art vorgesehen ist. So umfassen die von der Invalidenversicherung zu übernehmenden Kosten für Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art, die zusätzlich zum Sonderschulunterricht notwendig sind, gemäss Art. 8ter
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV unter bestimmten Voraussetzungen Sprachheilbehandlung, Hörtraining und Ableseunterricht, Massnahmen zum Spracherwerb und Sprachaufbau sowie - für geistig behinderte, blinde und sehbehinderte sowie gehörlose und hörbehinderte Versicherte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 lit. a
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
-c IVV - Sondergymnastik zur Förderung gestörter Motorik. Demgegenüber beinhalten die von der Invalidenversicherung zu übernehmenden Kosten für die Durchführung pädagogisch-therapeutischer Massnahmen, die für die Teilnahme am Volksschulunterricht notwendig sind, gemäss Art. 9
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV Sprachheilbehandlung für sprachbehinderte Versicherte mit schweren Sprachstörungen im Sinne von Art. 8 Abs. 4 lit. e
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV sowie Hörtraining und Ableseunterricht für gehörlose und hörbehinderte Versicherte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 lit. c
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV. Dementsprechend sind auch die pädagogisch-therapeutischen
BGE 128 V 95 S. 97

Massnahmen, die im vorschulpflichtigen Alter zur Vorbereitung auf den Sonder- und Volksschulunterricht notwendig sind, gemäss Art. 10
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV auf diese zwei Kategorien sowie zusätzlich auf heilpädagogische Früherziehung beschränkt.
2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Invalidenversicherung die Kosten für die Psychomotorik-Therapie als pädagogisch-therapeutische Massnahme zu übernehmen hat. Unbestritten und aktenkundig ist dabei, dass die Versicherte an einer für die Sonderschulung grundsätzlich vorausgesetzten schweren Sehbehinderung nach Art. 8 Abs. 4 lit. b
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV leidet, jedoch zumindest im für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) die Volksschule besuchte.
3. a) Die Vorinstanz begründete die Ablehnung der Übernahme der Kosten für eine wöchentliche Lektion Psychomotorik-Therapie durch die Invalidenversicherung damit, dass diese Therapie in der abschliessenden Aufzählung der von der Invalidenversicherung zu übernehmenden, für die Teilnahme am Volksschulunterricht notwendigen Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art in Art. 9 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV nicht enthalten ist, welcher sich auf eine gesetzliche Grundlage abstütze. Im Weiteren legte das kantonale Gericht dar, dass die unterschiedliche Regelung der Übernahme pädagogisch-therapeutischer Massnahmen eine Folge der mit der Revision klarer geregelten subventionsrechtlichen Zuständigkeiten betreffend Sonder- und Volksschule sei, indem die Invalidenversicherung für die Sonderschulung sowie die sie ergänzenden pädagogisch-therapeutischen Massnahmen, die Kantone dagegen für den Unterricht an der Volksschule und damit grundsätzlich auch für die ihn ermöglichenden Massnahmen aufzukommen haben. Das Recht der versicherten Person auf die durch die Invalidenversicherung garantierten Leistungen sei nicht eingeschränkt und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes liege nicht vor. b) Die Beschwerdeführerin rügt eine Gesetz- und Verfassungswidrigkeit durch die unterschiedliche Behandlung von Kindern, welche die Sonderschule absolvieren und solchen, die mit Hilfe des ambulanten Dienstes einer Sonderschule "integrativ" die Regelschule besuchen. Der Verordnungsgeber sei trotz des ihm eingeräumten Ermessens an die verfassungsmässigen Grundsätze der Rechtsgleichheit und des Willkürverbotes gebunden. Es bestünden keine sachlichen Gründe, schwer sehbehinderte Kinder, welche einer psychomotorischen Therapie bedürften, anders zu behandeln je
BGE 128 V 95 S. 98

nachdem, ob sie die Sonder- oder die Volksschule besuchen, wohingegen sprach- oder hörbehinderte Kinder die Massnahme sowohl in der Sonder- wie auch in der Volksschule erhielten. Der Volksschulbereich sei sodann bei der Verordnungsänderung nicht generell den Kantonen zugewiesen worden. An der Ungleichbehandlung ändere auch der von der Vorinstanz angerufene Art. 12
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV nichts, erlaube er der Invalidenversicherung eine Delegation der Leistungspflicht mit Abgeltung an die Kantone doch nur in denjenigen Bereichen, in welchen sie gestützt auf Art. 9
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV als leistungspflichtig bezeichnet worden ist.

4. a) Wie das kantonale Gericht zutreffend dargelegt hat, treten die in Art. 8ter
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV aufgeführten pädagogisch-therapeutischen Massnahmen zusätzlich zum Sonderschulunterricht und setzen mithin voraus, dass die versicherte Person die Sonderschule effektiv besucht. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. b) Unter den für die Teilnahme am Volksschulunterricht notwendigen, von der Invalidenversicherung zu übernehmenden Massnahmen gemäss Art. 9
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV ist die in Frage stehende psychomotorische Therapie hingegen nicht erwähnt. Nach der Rechtsprechung (AHI 2000 S. 74 Erw. 3b) enthält der anlässlich der Revision vom 25. November 1996 aufgenommene Art. 9
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV in seinem zweiten Absatz, im Unterschied zu dem bis Ende 1996 gültig gewesenen altArt. 8 Abs. 1 lit. c IVV (vgl. BGE 121 V 14 Erw. 3b) eine abschliessende Aufzählung der von der Invalidenversicherung im Falle des Volksschulbesuchs zu entschädigenden Massnahmen. Daran ist festzuhalten. Die vorliegend beantragte Psychomotorik-Therapie fällt nicht in diese Kategorien und kann nach Art. 9
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV unter dem Titel der pädagogisch-therapeutischen Massnahmen zur Ermöglichung des Volksschulbesuches nicht gewährt werden.
5. Zu prüfen bleibt die von der Beschwerdeführerin gerügte Gesetz- und Verfassungswidrigkeit der Differenzierung zwischen pädagogisch-therapeutischen Massnahmen zusätzlich zum Sonderschulunterricht einerseits und zur Ermöglichung des Volksschulbesuchs andererseits sowie des Fehlens pädagogisch-therapeutischer Massnahmen für Sehbehinderte bei der zweiten Kategorie. a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidgenössische Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten
BGE 128 V 95 S. 99

Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen Art. 8 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
BV, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (BGE 127 V 7 Erw. 5a, BGE 126 II 404 Erw. 4a, 573 Erw. 41, BGE 126 V 52 Erw. 3b, 365 Erw. 3, 473 Erw. 5b, je mit Hinweisen). b) Nach der Delegationsnorm des Art. 19 Abs. 3
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG bezeichnet der Bundesrat im Einzelnen die gemäss Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Beiträgen und setzt deren Höhe fest. Er hat zudem Vorschriften über die Gewährung entsprechender Beiträge an Massnahmen für invalide Kinder im vorschulpflichtigen Alter, insbesondere zur Vorbereitung auf die Sonderschulung sowie an Massnahmen für invalide Kinder, die die Volksschule besuchen, zu erlassen. Die Beiträge an die Sonderschulung, vor allem auch besondere Entschädigungen für zusätzlich zum Sonderschulunterricht notwendige Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art sind im Gegensatz zu den Massnahmen beim Volksschulbesuch in den Grundzügen in der Gesetzesnorm umschrieben (Art. 19 Abs. 2 lit. c
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG). Die Differenzierung zwischen Massnahmen im Zusammenhang mit der Sonderschule oder mit der Volksschule mit der Konsequenz allfälliger unterschiedlicher Regelungen ist somit bereits im Gesetz vorgesehen und kann nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden (Art. 191
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 191 Zugang zum Bundesgericht - 1 Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht.
1    Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht.
2    Für Streitigkeiten, die keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betreffen, kann es eine Streitwertgrenze vorsehen.
3    Für bestimmte Sachgebiete kann das Gesetz den Zugang zum Bundesgericht ausschliessen.
4    Für offensichtlich unbegründete Beschwerden kann das Gesetz ein vereinfachtes Verfahren vorsehen.
BV).
Da nebst dem die zu regelnden Massnahmen für Kinder, die die Volksschule besuchen, im Gesetz nicht erwähnt sind, steht dem Bundesrat diesbezüglich ein gewisser Spielraum der Gestaltungsfreiheit zu. Es kann daher nicht gesagt werden, die abschliessende Aufzählung in Art. 9 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV falle aus dem Rahmen der delegierten
BGE 128 V 95 S. 100

Kompetenzen heraus oder sei sonstwie gesetzwidrig. Unter diesen Umständen darf das Gericht nur dann eine schwer wiegende, durch richterliches Eingreifen auszufüllende Lücke annehmen, wenn die Regelung in Art. 9 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV das Willkürverbot (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV) oder das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
BV) verletzen würde (BGE 127 V 7 Erw. 5a, BGE 126 V 52 Erw. 3b, 71 Erw. 4a, BGE 125 V 30 Erw. 6a, mit Hinweisen; AHI 2000 S. 240 Erw. 2b; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 19 Erw. 4a, Nr. U 373 S. 171 Erw. 3). c) Zu prüfen ist demzufolge, ob die Beschränkung bei den Massnahmen im Zusammenhang mit der Volksschule sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt (Willkür) oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt (rechtsungleiche Behandlung; vgl. BGE 127 V 7 Erw. 5a mit Hinweisen; AHI 2000 S. 240 Erw. 2b; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 20 Erw. 4a, Nr. U 373 S. 172 Erw. 3). Zu beurteilen ist mit andern Worten, ob der Bundesrat mit seiner Regelung innerlich unbegründete Unterscheidungen getroffen oder sonstwie unhaltbare, nicht auf ernsthaften sachlichen Gründen beruhende Kriterien aufgestellt hat (BGE 117 V 182 Erw. 3b; SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3b). Ein solcher Vorwurf kann dem Verordnungsgeber - wie die Vorinstanz einlässlich darlegt - nicht gemacht werden. Ausgangspunkt für die von der Beschwerdeführerin gerügte Regelung der Verordnungsänderung war - wie den Erläuterungen des BSV zu den Änderungen der IVV vom 25. November 1996 entnommen werden kann - die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die pauschale Kostenvergütung von Massnahmen an behinderte Versicherte, welche die Volksschule besuchen, an die Kantone. Grundsätzlich sollten diese Massnahmen im Volksschulbereich - im Gegensatz zum Sonderschulbereich - gestützt auf die Schulhoheit der Kantone deren Sache sein. Wenn Kantone behinderte Kinder in die Volksschule einschulen, sollen sie auch für die dazu notwendigen Massnahmen sorgen. Die Revision bezweckte zudem eine übersichtlichere Darstellung der Massnahmen der Invalidenversicherung im Sonderschulbereich, klarere Definitionen von Begriffen und eine genauere Umschreibung der Anspruchsvoraussetzungen im Bereich der Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art sowie der Transporte. Das Recht auf die durch die Invalidenversicherung garantierten Leistungen wurde dadurch - wie das BSV darlegt - nicht beschränkt. Zutreffend ist zwar der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die pauschale Kostenvergütung an die Kantone gemäss Art. 12
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV und somit die Leistungen des Wohnsitzkantons
BGE 128 V 95 S. 101

nur die in Art. 9
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
-11
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
IVV festgelegten Leistungen - und daher die vorliegend umstrittene Therapie eben nicht - betreffen, doch kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dass die zu übernehmenden Massnahmen im Bereich Volksschule nicht deckungsgleich sein müssen mit denjenigen im Bereich Sonderschule, ist - wie erwähnt - eine Konsequenz der Differenzierung im Gesetz. Aus dem gesetzlichen Auftrag an den Bundesrat, Vorschriften über die Gewährung entsprechender Beiträge an Massnahmen für invalide Kinder im vorschulpflichtigen Alter, insbesondere zur Vorbereitung auf die Sonderschulung sowie an Massnahmen für invalide Kinder, die die Volksschule besuchen, zu erlassen, kann kein Anspruch auf Beiträge an alle vier in Art. 19 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG erwähnten Kategorien, insbesondere auch nicht auf alle in lit. c dieser Bestimmung erwähnten Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art abgeleitet werden. Es können denn auch gar nicht für alle invaliden Versicherten, welche einer der drei Gruppen I, II oder III gemäss Art. 8 bis
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
11 IVV angehören, Beiträge aller vier Kategorien des Art. 19 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG und alle in Art. 19 Abs. 2 lit. c
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVG aufgelisteten Massnahmen in Betracht kommen. Vielmehr haben Versicherte mit unterschiedlichen Behinderungen auch unterschiedliche Schulungsbedürfnisse und ergibt sich aus verschiedenen schulischen Situationen verschiedener Handlungsbedarf für Massnahmen. Eine Differenzierung war vom Gesetzgeber gewollt und lässt sich auf sachliche Gründe stützen. Die grösstenteils bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 128 V 95
Datum : 29. April 2002
Publiziert : 31. Dezember 2003
Quelle : Bundesgericht
Status : 128 V 95
Sachgebiet : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Gegenstand : Art. 19 Abs. 3 IVG; Art. 9 Abs. 2 IVV. Die Nichtaufnahme der Finanzierung von Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art


Gesetzesregister
BV: 8 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 191 Zugang zum Bundesgericht - 1 Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht.
1    Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht.
2    Für Streitigkeiten, die keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betreffen, kann es eine Streitwertgrenze vorsehen.
3    Für bestimmte Sachgebiete kann das Gesetz den Zugang zum Bundesgericht ausschliessen.
4    Für offensichtlich unbegründete Beschwerden kann das Gesetz ein vereinfachtes Verfahren vorsehen.
IVG: 19
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 19
IVV: 8  8bis  8ter  9  10  11  12
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