128 IV 49
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. V. und M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft und O. (Nichtigkeitsbeschwerde) 6S.81/2001 vom 29. November 2001
Regeste (de):
- Art. 125 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. 2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. SR 514.54 Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) - Waffengesetz
WG Art. 26 Aufbewahren - 1 Waffen, wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteile sind sorgfältig aufzubewahren und vor dem Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen.
1 Waffen, wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteile sind sorgfältig aufzubewahren und vor dem Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen. 2 Jeder Verlust einer Waffe ist sofort der Polizei zu melden. - Die Eltern eines im gleichen Haushalt lebenden minderjährigen Kindes haften für die von ihm einem anderen Kind zugefügte Schussverletzung, wenn sie das hiezu verwendete Luftgewehr samt Munition unsorgfältig aufbewahrt haben. Die für die Auslegung der Aufbewahrungspflicht gemäss Waffengesetz wichtigen Gesichtspunkte lassen sich auf die bei der Aufbewahrung von Luftgewehren zu beachtende Sorgfalt übertragen (E. 2d).
Regeste (fr):
- Art. 125 al. 2 CP, art. 26 al. 1 LArm; lésions corporelles graves par négligence dues à une conservation imprudente d'une carabine à air comprimé.
- Les parents d'un enfant mineur, vivant dans le même ménage, répondent de la blessure occasionnée à un autre enfant sur lequel leur fils a tiré, s'ils ont entreposé la carabine à air comprimé et ses munitions de manière imprudente. Les éléments importants pour l'interprétation de la notion de devoir en matière de conservation selon la loi sur les armes sont transposables dans le domaine de la prudence requise pour la conservation des armes à air comprimé (consid. 2d).
Regesto (it):
- Art. 125 cpv. 2 CP, art. 26 cpv. 1 LArm; lesioni colpose gravi per negligenza dovute alla custodia non diligente di una carabina ad aria compressa.
- I genitori di un minorenne, tutti e tre vivendo sotto lo stesso tetto, sono responsabili della ferita provocata a un altro bambino sul quale ha tirato loro figlio, se hanno riposto la carabina ad aria compressa e le munizioni senza la necessaria diligenza. Gli elementi importanti per l'interpretazione del dovere di custodia secondo la legge sulle armi sono trasferibili nell'ambito della diligenza richiesta per la custodia di armi ad aria compressa (consid. 2d).
Sachverhalt ab Seite 50
BGE 128 IV 49 S. 50
A.- S., der im Frühjahr 1985 geborene Sohn von M. und V., erhielt im Frühjahr 1995 von seinem Vater ein Luftgewehr geschenkt. Anlässlich von Schiessübungen im Wald instruierten die Eltern ihren Sohn im Umgang mit dem Luftgewehr. Als sich der Vater beim Manipulieren einmal versehentlich ins Bein schoss, erklärten sie ihm, es könne bei einem solchen Vorfall nicht viel passieren, es sei denn, man treffe empfindliche Stellen. Sie untersagten ihm aber ausdrücklich, auf Personen zu schiessen. Das Luftgewehr wurde zu Hause samt Munition in einem abgeschlossenen Kleiderschrank im Elternschlafzimmer aufbewahrt, wobei der Schlüssel dazu im Türschloss stecken gelassen wurde. Die Eltern hatten ihrem Sohn den Gebrauch des Gewehrs während ihrer Abwesenheit und hiezu auch das Betreten des Schlafzimmers verboten. Am 21. Februar 1996 liess sich S. von anderen Kindern, die ihm nicht glauben wollten, dass er ein Luftgewehr besass, dazu provozieren, dieses hervorzuholen und damit vom Balkon der im 5. Stock gelegenen Wohnung aus erst auf sie und dann auf den damals neunjährigen O. zu schiessen. Dabei traf er letzteren ins rechte Auge. Trotz zahlreicher operativer Eingriffe konnte das Auge nicht gerettet werden. Gemäss den ärztlichen Berichten hat O. nicht nur einen totalen, irreparablen Sehverlust auf dem rechten Auge erlitten, sondern es ist auch mit späteren kosmetischen Problemen zu rechnen.
B.- Mit Strafbefehl vom 14. März 2000 wurde die Mutter der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 25 Tagen und einer Busse von Fr. 1'000.- verurteilt. Der Vater wurde zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 25 Tagen und einer Busse von Fr. 1'400.- verurteilt, wobei er der fahrlässigen schweren Körperverletzung und mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht zusammenhängender Tätlichkeiten schuldig erklärt wurde. M. und V. wurden zudem zur Zahlung einer Genugtuungssumme von Fr. 10'000.- zuzüglich Zinsen und mit Mehrforderungsvorbehalt verurteilt. Auf Einsprache von M. und V. hin bestätigte das Strafgericht Basel-Landschaft am 15. August 2000 die Verurteilung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
BGE 128 IV 49 S. 51
C.- M. und V. erheben Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 19. Dezember 2000 sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung und zur Abweisung der Adhäsionsklage des Beschwerdegegners an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Die Beschwerdeführer haben nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
Im Gegensatz hiezu hatten die Beschwerdeführer ihrem Sohn Instruktionen erteilt, weshalb sich die Frage stellte, ob sie nicht darüber hinaus noch mehr Sorgfalt hätten walten lassen, d.h. das Luftgewehr und die Munition wegsperren müssen. Im kantonalen Verfahren hatten die Beschwerdeführer geltend gemacht, konsequenterweise müssten auch Messer und andere gefährliche Gegenstände beständig unter Verschluss aufbewahrt werden. Es ist richtig, dass sich in jedem Haushalt Gegenstände befinden, die bei unsachgemässem Gebrauch gefährlich sein können. Auch deshalb dürfen kleine Kinder nicht unbeaufsichtigt in einer Wohnung gelassen werden. Von einem fast elfjährigen Kind kann jedoch erwartet werden, dass ihm derartige Gefahren bewusst sind. Zudem üben haushaltsübliche gefährliche Gegenstände wie beispielsweise Küchenmesser im Normalfall keine besondere Anziehungskraft auf Kinder und Jugendliche aus. Anders sieht es hingegen bei Luftgewehren aus, weshalb dort auch höhere Anforderungen an die hierbei zu erfüllende Sorgfalt bei der Aufbewahrung gestellt werden müssen.
BGE 128 IV 49 S. 52
d) Gemäss Art. 26 Abs. 1
SR 514.54 Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) - Waffengesetz WG Art. 26 Aufbewahren - 1 Waffen, wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteile sind sorgfältig aufzubewahren und vor dem Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen. |
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1 | Waffen, wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteile sind sorgfältig aufzubewahren und vor dem Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen. |
2 | Jeder Verlust einer Waffe ist sofort der Polizei zu melden. |
SR 514.54 Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) - Waffengesetz WG Art. 34 Übertretungen - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |
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1 | Mit Busse wird bestraft, wer: |
a | einen Waffenerwerbsschein oder eine Waffentragbewilligung mit falschen oder unvollständigen Angaben erschleicht oder zu erschleichen versucht oder dazu Gehilfenschaft leistet, ohne dass ein Tatbestand nach Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe a erfüllt ist; |
b | ohne Berechtigung mit einer Feuerwaffe schiesst (Art. 5 Abs. 3 und 4); |
c | seine Sorgfaltspflichten bei der Übertragung von Waffen, wesentlichen oder besonders konstruierten Waffenbestandteilen, Munition oder Munitionsbestandteilen missachtet (Art. 10a und 15 Abs. 2); |
d | seinen Pflichten nach Artikel 11 Absätze 1 und 2 nicht nachkommt oder auf dem Vertrag falsche oder unvollständige Angaben macht; |
e | als Privatperson Waffen, wesentliche oder besonders konstruierte Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition oder Munitionsbestandteile nicht sorgfältig aufbewahrt (Art. 26 Abs. 1); |
f | als Privatperson Waffen, wesentliche oder besonders konstruierte Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition oder Munitionsbestandteile in das schweizerische Staatsgebiet verbringt, ohne diese Gegenstände anzumelden oder richtig zu deklarieren, oder bei der Durchfuhr im Reiseverkehr nicht anmeldet; |
g | den Verlust von Waffen nicht sofort der Polizei meldet (Art. 26 Abs. 2); |
h | die Waffentragbewilligung nicht mit sich führt (Art. 27 Abs. 1); |
i | seinen Meldepflichten nach Artikel 7a Absatz 1, 9c, 11 Absätze 3 und 4, 11a Absatz 2, 17 Absatz 7 oder 42 Absatz 5 nicht nachkommt; |
j | als Erbe seinen Pflichten nach Artikel 6a, 8 Absatz 2bis oder 11 Absatz 4 nicht nachkommt; |
k | verbotene Formen des Anbietens anwendet (Art. 7b); |
l | den Begleitschein mit falschen oder unvollständigen Angaben erschleicht; |
lbis | Feuerwaffen, deren wesentliche Bestandteile oder Munition (Art. 22b Abs. 1) in einen Schengen-Staat ausführt, ohne dass der Begleitschein der Sendung beiliegt; |
m | bei der Einreise aus einem Schengen-Staat, Feuerwaffen, wesentliche oder besonders konstruierte Waffenbestandteile oder Munition ohne Europäischen Feuerwaffenpass mit sich führt (Art. 25a Abs. 4); |
n | eine Feuerwaffe transportiert, ohne Waffe und Munition zu trennen (Art. 28 Abs. 2); |
o | auf andere Weise einer Bestimmung dieses Gesetzes vorsätzlich zuwider handelt, deren Übertretung der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen für strafbar erklärt. |
2 | ...166 |
SR 514.54 Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) - Waffengesetz WG Art. 2 Geltungsbereich - 1 Dieses Gesetz gilt weder für die Armee noch für den Nachrichtendienst des Bundes noch für die Zoll- und die Polizeibehörden. Es gilt mit Ausnahme der Artikel 32abis, 32c und 32j auch nicht für die Militärverwaltungen.6 |
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1 | Dieses Gesetz gilt weder für die Armee noch für den Nachrichtendienst des Bundes noch für die Zoll- und die Polizeibehörden. Es gilt mit Ausnahme der Artikel 32abis, 32c und 32j auch nicht für die Militärverwaltungen.6 |
2 | Für antike Waffen gelten nur die Artikel 27 und 28 sowie die entsprechenden Strafbestimmungen dieses Gesetzes. Als antike Waffen gelten vor 1870 hergestellte Feuerwaffen sowie vor 1900 hergestellte Hieb-, Stich- und andere Waffen. |
3 | Die Bestimmungen der eidgenössischen Jagd- und Militärgesetzgebung bleiben vorbehalten. |
BGE 128 IV 49 S. 53
dabei nicht um ganz aussergewöhnliche Umstände, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste. Kinder pflegen zu provozieren und sich provozieren zu lassen, namentlich im Zusammenhang mit prestigeträchtigen Gegenständen wie eben Luftgewehren. Auch dass der Schuss trotz der Distanz von ca. 25 Metern eine schwere Augenverletzung verursacht hat, ist nicht ungewöhnlich. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet.