128 III 34
8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. K. gegen B. (Berufung) 5C.89/2000 vom 5. November 2001
Regeste (de):
- Unfallversicherung; Kürzung oder Verweigerung der Leistung im Todesfall.
- Leistungen aus Summen- wie Schadensversicherung können wegen Obliegenheitsverletzung gekürzt oder verweigert werden (E. 3). Grobe Verletzung der vertraglichen Pflicht zur ärztlichen Behandlung; Höhe der daherigen Kürzung (E. 5c).
Regeste (fr):
- Assurance contre les accidents; réduction ou refus de la prestation en cas de décès.
- Les prestations versées par une assurance de sommes, de même que par une assurance contre les dommages, peuvent être réduites ou refusées en raison de la violation d'une incombance (consid. 3). Violation grave du devoir contractuel de traitement médical; montant de la réduction qui en résulte (consid. 5c).
Regesto (it):
- Assicurazione contro gli infortuni; riduzione o rifiuto della prestazione in caso di morte.
- Le prestazioni da un'assicurazione di somma fissa come pure quelle da un'assicurazione contro i danni possono essere ridotte o rifiutate in seguito alla lesione di un obbligo (consid. 3). Grave violazione del dovere contrattuale di seguire un trattamento medico; ammontare della riduzione che ne risulta (consid. 5c).
Sachverhalt ab Seite 35
BGE 128 III 34 S. 35
X., Jahrgang 1904, Doktor der Medizin (Urologie), war bei der B. unfallversichert. Die Leistungen umfassten unter anderem eine Todesfallsumme von Fr. 50'000.- an den Ehegatten. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sahen nebst weiteren Obliegenheiten eine "Pflicht zur ärztlichen Behandlung" vor (Art. 16 AVB). Bei Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung war die Versicherung grundsätzlich befugt, ihre Leistungen zu kürzen oder zu verweigern (Art. 18 AVB). Am Abend des 11. August 1993 erlitt X. bei rund 100 km/h einen Autounfall (Frontalkollision) und wurde mit Verletzungen des Brustkorbs (Thoraxkontusion mit Fraktur der 5. Rippe rechts ventral) nebst einer Schädelprellung und Rissquetschwunden im Gesicht per Helikopter in ein Spital eingeliefert. Entgegen ärztlicher Empfehlung zur stationären Überwachung und nach Unterzeichnung der Bescheinigung, dass "er auf die möglichen medizinischen und rechtlichen Folgen des vorzeitigen Austrittes aufmerksam gemacht worden ist, sowie auf mögliche lebensbedrohliche Komplikationen", verliess X. gleichentags das Spital und reiste mit dem Taxi in seine Ferienwohnung. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1993 verstarb X., nachdem er am Abend noch über starke Schmerzen im Thorax-Bereich geklagt hatte. Das Begehren der anspruchsberechtigten K., die Versicherung zur Bezahlung des Todesfallkapitals nebst Zins zu verurteilen, wies das Handelsgericht ab. Das Bundesgericht heisst die von K. erhobene Berufung und deren Klage teilweise gut und verpflichtet die Versicherung zur Bezahlung von Fr. 25'000.- nebst Zins.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Aus der Rechtsnatur der Unfallversicherung mit Todesfallkapital hat das Handelsgericht abgeleitet, als Folge der Obliegenheitsverletzung könne nur die vollumfängliche Leistungsverweigerung in Betracht fallen. Bei der Summenversicherung werde die vom Versicherer zu erbringende Summe von den Vertragsparteien im Voraus festgelegt. Unabhängig vom Vorhandensein eines Schadens resp. der finanziellen Folgen des Unfallereignisses verändere sich die Höhe des Todesfallkapitals nicht. Bei Eintritt des befürchteten Ereignisses habe der Versicherer die Versicherungsleistung vollumfänglich zu erbringen, oder er könne sie ganz verweigern. Eine blosse Leistungskürzung könne nur dort von Relevanz sein, wo
BGE 128 III 34 S. 36
Abstufungen auf Grund eines eingetretenen Schadens möglich seien. Nach Ansicht der Klägerin besteht zwischen dem Charakter einer Versicherung und der Frage einer Leistungskürzung wegen Obliegenheitsverletzung kein Zusammenhang. a) Das im Todesfall durch Unfall geschuldete Kapital ist eine typische Summenleistung; sie hat nicht den Zweck, einen konkreten Schaden zu decken, und ist unabhängig von einer Vermögenseinbusse zu leisten. Parteien und Handelsgericht haben zu Recht nichts Abweichendes aus den massgebenden AVB abgeleitet (zur Abgrenzung der Summen- von der Schadensversicherung: BGE 104 II 44 E. 4 S. 47 ff.; BGE 119 II 361 E. 4 S. 364 f.; zuletzt: BREHM, L'assurance privée contre les accidents, Bern 2001, N. 6 S. 38 und N. 16 S. 42 f.; STOESSEL, N. 27 ff. der Allgemeinen Einleitung; BOLL, N. 2 ff. der Vorbem. zu Art. 48
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 96 - In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 96 - In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 73 - 1 Der Anspruch aus einem Summenversicherungsvertrag kann weder durch Indossierung noch durch einfache Übergabe der Police abgetreten oder verpfändet werden. Abtretung und Verpfändung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form und der Übergabe der Police sowie der schriftlichen Anzeige an das Versicherungsunternehmen.117 |
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1 | Der Anspruch aus einem Summenversicherungsvertrag kann weder durch Indossierung noch durch einfache Übergabe der Police abgetreten oder verpfändet werden. Abtretung und Verpfändung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form und der Übergabe der Police sowie der schriftlichen Anzeige an das Versicherungsunternehmen.117 |
2 | Bestimmt die Police, dass das Versicherungsunternehmen an den Inhaber leisten darf, so ist das gutgläubige Versicherungsunternehmen befugt, jeden Inhaber als anspruchsberechtigt zu betrachten. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 96 - In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 96 - In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. |
BGE 128 III 34 S. 37
Praxis: z.B. das Genfer Urteil vom 24. Mai 1991, in: SVA XVIII/1990-1991 Nr. 48 E. b S. 303). Die Folgerung des Handelsgerichts aus der Rechtsnatur der Summenversicherung trifft deshalb nicht zu. Was die Frage eines abstufbaren Schadens angeht, darf nicht übersehen werden, dass die vereinbarte Summenleistung zwar nicht durch eine Schadensberechnung variiert wird. Auch die Summenversicherung bezweckt jedoch, einen für möglich gehaltenen Vermögensnachteil abzudecken (BGE 119 II 361 E. 4 S. 365; vgl. dazu RÜTSCHE/DUCKSCH, a.a.O., S. 47 ff.). Diesbezüglich können Obliegenheiten im Versicherungsfall entstehen, deren Verletzung - gleichwie die schuldhafte Herbeiführung des befürchteten Ereignisses (Art. 14
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 14 - 1 Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
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1 | Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
2 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, seine Leistung in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnisse zu kürzen. |
3 | Ist das Ereignis absichtlich oder grobfahrlässig von einer Person herbeigeführt worden, die mit dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder für deren Handlungen der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte einstehen muss, und hat er sich in der Beaufsichtigung, durch die Anstellung oder durch die Aufnahme jener Person einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht, so kann das Versicherungsunternehmen seine Leistung in einem Verhältnisse kürzen, das dem Grade des Verschuldens des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten entspricht. |
4 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt oder sich einer leichten Fahrlässigkeit im Sinne des vorhergehenden Absatzes schuldig gemacht, oder hat eine der übrigen dort aufgeführten Personen das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 96 - In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. |
5. c) Das Handelsgericht hat die Frage, in welchem Umfang das Verschulden des Versicherungsnehmers eine Leistungskürzung bis hin zur -verweigerung rechtfertige, nicht mehr beurteilt in der unzutreffenden Annahme, dass eine Summenleistung nicht gekürzt werden könne. Dem Urteil lässt sich lediglich entnehmen, dass der Versicherte die vertraglich vereinbarte Obliegenheit gemäss Art. 16 AVB krass verletzt haben soll, indem er sich, den ärztlichen Ratschlägen nicht folgend, schon wenige Stunden nach dem Unfallereignis der Spitalüberwachung und -pflege entzog. In seinem ersten Urteil hat das Handelsgericht zur gestellten Frage ausführlicher Stellung genommen und dabei den Vorwurf der Beklagten zurückgewiesen, der Versicherungsnehmer hätte eventualvorsätzlich gehandelt. Es ist von einer eher bewussten Fahrlässigkeit ausgegangen und hat das Verschulden den gezeigten Umständen nach weder als leicht noch als schwer eingestuft, weshalb eine hälftige Kürzung des Todesfallkapitals gerechtfertigt sei.
BGE 128 III 34 S. 38
Die handelsgerichtliche Leistungsbemessung, die auf gerichtlichem Ermessen beruht (Art. 4
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 96 - In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. |
Obgleich Art. 14
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 14 - 1 Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
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1 | Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
2 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, seine Leistung in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnisse zu kürzen. |
3 | Ist das Ereignis absichtlich oder grobfahrlässig von einer Person herbeigeführt worden, die mit dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder für deren Handlungen der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte einstehen muss, und hat er sich in der Beaufsichtigung, durch die Anstellung oder durch die Aufnahme jener Person einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht, so kann das Versicherungsunternehmen seine Leistung in einem Verhältnisse kürzen, das dem Grade des Verschuldens des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten entspricht. |
4 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt oder sich einer leichten Fahrlässigkeit im Sinne des vorhergehenden Absatzes schuldig gemacht, oder hat eine der übrigen dort aufgeführten Personen das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. |
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SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 14 - 1 Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
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1 | Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
2 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, seine Leistung in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnisse zu kürzen. |
3 | Ist das Ereignis absichtlich oder grobfahrlässig von einer Person herbeigeführt worden, die mit dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder für deren Handlungen der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte einstehen muss, und hat er sich in der Beaufsichtigung, durch die Anstellung oder durch die Aufnahme jener Person einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht, so kann das Versicherungsunternehmen seine Leistung in einem Verhältnisse kürzen, das dem Grade des Verschuldens des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten entspricht. |
4 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt oder sich einer leichten Fahrlässigkeit im Sinne des vorhergehenden Absatzes schuldig gemacht, oder hat eine der übrigen dort aufgeführten Personen das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. |