Urteilskopf

128 III 209

40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A.S. und B.S. gegen Stiftung T. und Eidgenössisches Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 5A.2/2002 vom 20. März 2002

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Sachverhalt ab Seite 210

BGE 128 III 209 S. 210

Die Stiftung T. (nachfolgend die Stiftung), eine Stiftung im Sinne von Art. 80 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
. ZGB mit dem Zweck, in Chile ein Kinderdorf zu errichten und zu betreiben, wurde mit Stiftungsurkunde vom 11. April 1994 errichtet und am 28. Juni 1994 in das Handelsregister eingetragen. Ihrem Stiftungsrat gehörten die Eheleute A.S. und B.S. an. Die Stiftung steht unter der Stiftungsaufsicht des Bundes (Eidgenössischen Departements des Innern [EDI]). Mit Zirkularbeschluss des Stiftungsrates vom 8. November 2001 wurden A.S. und B.S. als Stiftungsräte abgesetzt. Dagegen gelangte A.S. an das EDI, welches mit Verfügung vom 21. Dezember 2001 (Nr. 413/1564) vom Zirkularbeschluss Kenntnis nahm (Dispositiv-Ziff. 1) und gleichzeitig die neue Zusammensetzung des Stiftungsrates feststellte (Dispositiv-Ziff. 2). Gegen diese Verfügung haben A.S. und B.S. in einer gemeinsamen Eingabe beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragen im Wesentlichen, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Angelegenheit unter bestimmten Auflagen an das EDI zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Strittig ist im vorliegenden Fall zunächst die Frage, ob die Beschwerdeführer mit Zirkularbeschluss vom 8. November 2001 rechtsgültig abgesetzt wurden, bzw. ob die diesbezüglichen - bestätigenden bzw. sinngemäss zustimmenden - Kenntnisnahmen und Feststellungen des EDI vom 21. Dezember 2001 (Dispositiv-Ziff. 1 und 2) rechtsbeständig sind. a) In diesem Zusammenhang verweisen die Beschwerdeführer auf Art. 5 der Stiftungsurkunde, wonach dem Stiftungsrat mindestens ein Mitglied ihrer Familie angehören sollte, und halten gestützt auf diesen Wortlaut dafür, ihre Absetzung verstosse gegen den Stifterwillen und sei daher rechtswidrig. Die Beschwerdeführer scheinen davon auszugehen, sie hätten beide zwingend dem Stiftungsrat anzugehören. Der Formulierung von Art. 5 der Stiftungsurkunde lässt sich indes zum einen nur entnehmen, dass mindestens ein Mitglied der Familie der Beschwerdeführer
BGE 128 III 209 S. 211

im Stiftungsrat Einsitz nehmen "sollte". Zum andern ist fraglich, ob aus dem Wortlaut ("sollte") der besagten Satzung geschlossen werden darf, dass nach dem Willen des Stifters auch tatsächlich mindestens ein Mitlied der Familie im Stiftungsrat Aufnahme finden muss. Wie es sich damit verhält kann hier indes offen bleiben. Auch wenn die besagte Satzung im Sinne der Beschwerdeführer als zwingender Ausdruck des Stifterwillens zu verstehen wäre, vermöchte sie eine sachlich begründete Abwahl beider Eheleute nicht zu verhindern (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 101 zu Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
ZGB).
c) Des Weiteren beanstanden die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, sie seien mit Zirkularbeschluss abgesetzt worden, obwohl sich der Beschwerdeführer nicht daran beteiligt habe, was aber - in analoger Anwendung von Art. 713 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 713 - 1 Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen.
1    Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen.
2    Der Verwaltungsrat kann seine Beschlüsse fassen:
1  an einer Sitzung mit Tagungsort;
2  unter Verwendung elektronischer Mittel, in sinngemässer Anwendung der Artikel 701c-701e;
3  auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form, sofern nicht ein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Im Fall der Beschlussfassung auf elektronischem Weg ist keine Unterschrift erforderlich; vorbehalten bleibt eine anderslautende, schriftliche Festlegung des Verwaltungsrats.578
3    Über die Verhandlungen und Beschlüsse ist ein Protokoll zu führen; dieses wird vom Vorsitzenden und vom Protokollführer unterzeichnet.579
OR - Voraussetzung eines derartigen Beschlusses gewesen wäre. Von vornherein fehl geht der Hinweis auf eine analoge Anwendung von Art. 713 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 713 - 1 Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen.
1    Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen.
2    Der Verwaltungsrat kann seine Beschlüsse fassen:
1  an einer Sitzung mit Tagungsort;
2  unter Verwendung elektronischer Mittel, in sinngemässer Anwendung der Artikel 701c-701e;
3  auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form, sofern nicht ein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Im Fall der Beschlussfassung auf elektronischem Weg ist keine Unterschrift erforderlich; vorbehalten bleibt eine anderslautende, schriftliche Festlegung des Verwaltungsrats.578
3    Über die Verhandlungen und Beschlüsse ist ein Protokoll zu führen; dieses wird vom Vorsitzenden und vom Protokollführer unterzeichnet.579
OR. Da die Stiftungsurkunde nichts anderes bestimmt, ist auf den vorliegenden Fall vielmehr Art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 68 - Jedes Mitglied ist von Gesetzes wegen vom Stimmrechte ausgeschlossen bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit zwischen ihm, seinem Ehegatten oder einer mit ihm in gerader Linie verwandten Person einerseits und dem Vereine anderseits.
ZGB analog anzuwenden (zur grundsätzlichen Frage der analogen Anwendbarkeit von Vereinsrecht in diesem Zusammenhang auch BGE 112 II 97 E. 4, 471 E. 2 S. 471/472; Urteil 5A.23/1999 vom 27. März 2000, E. 2b; vgl. ferner RIEMER, Berner Kommentar, N. 32 zu Art. 83
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 83 - Die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung werden durch die Stiftungsurkunde festgestellt.
ZGB; derselbe, Berner Kommentar, N. 136 f. des Syst. Teils vor Art. 60
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
-79
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 79 - Ist der Verein im Handelsregister eingetragen, so hat der Vorstand oder das Gericht dem Registerführer die Auflösung behufs Löschung des Eintrages mitzuteilen.
ZGB). Danach waren die Beschwerdeführer an der Beratung und Abstimmung über ihre Abwahl gar nicht zu beteiligen (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 18 zu Art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 68 - Jedes Mitglied ist von Gesetzes wegen vom Stimmrechte ausgeschlossen bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit zwischen ihm, seinem Ehegatten oder einer mit ihm in gerader Linie verwandten Person einerseits und dem Vereine anderseits.
ZGB i.V.m. N. 53 zu Art. 69
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 69 - 1 Der Vorstand hat das Recht und die Pflicht, nach den Befugnissen, die die Statuten ihm einräumen, die Angelegenheiten des Vereins zu besorgen und den Verein zu vertreten.
1    Der Vorstand hat das Recht und die Pflicht, nach den Befugnissen, die die Statuten ihm einräumen, die Angelegenheiten des Vereins zu besorgen und den Verein zu vertreten.
2    Vereine, die zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet sind, müssen durch eine Person vertreten werden können, die Wohnsitz in der Schweiz hat. Diese Person muss Zugang zum Mitgliederverzeichnis haben.91
ZGB), weshalb es auch nicht entscheidend darauf ankam, ob sie mit der Abstimmung auf dem Wege des Zirkularbeschlusses einverstanden waren. Zu berücksichtigen galt es dabei einzig das rechtliche Gehör der Abzuberufenden (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 18 zu Art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 68 - Jedes Mitglied ist von Gesetzes wegen vom Stimmrechte ausgeschlossen bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit zwischen ihm, seinem Ehegatten oder einer mit ihm in gerader Linie verwandten Person einerseits und dem Vereine anderseits.
ZGB), welchem Erfordernis aber durch die - an sich nicht zulässige - Aufforderung zur Beteiligung an der Abstimmung Genüge getan wurde; die Beschwerdeführerin hat sich Gehör verschafft, indem sie an der Zirkularabstimmung betreffend ihre Abwahl teilnahm, während sich der Beschwerdeführer anderweitig hat vernehmen lassen. Eine Verletzung von Bundesrecht ist demnach nicht ersichtlich.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 128 III 209
Date : 20. März 2002
Published : 31. Dezember 2003
Source : Bundesgericht
Status : 128 III 209
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Abberufung von Stiftungsratsmitgliedern durch den Stiftungsrat (Art. 84 Abs. 2 ZGB). Der Stifterwille, wonach bestimmte


Legislation register
OR: 713
ZGB: 60  68  69  79  80  83  84
BGE-register
112-II-97 • 128-III-209
Weitere Urteile ab 2000
5A.2/2002 • 5A.23/1999
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