128 III 113
20. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. M.W. und K.S. gegen Kantonsgericht Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 5A.15/2001 vom 6. Dezember 2001
Regeste (de):
- Eheverbot zwischen Stiefelter und Stiefkind (Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169
1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 2 Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.
- Das Eheverbot zwischen Stiefelter und Stiefkind, das in seiner heutigen Fassung gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169
1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 2 Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. - Das Verbot der Eheschliessung zwischen Stiefelter und Stiefkind ist mit Art. 12
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.
Regeste (fr):
- Prohibition du mariage avec l'enfant de son conjoint (art. 95 al. 1 ch. 2 CC, art. 12 CEDH).
- Selon la volonté du législateur, la prohibition du mariage entre une personne et l'enfant de son conjoint, actuellement prévue par l'art. 95 al. 1 ch. 2 CC entré en vigueur le 1er janvier 2000, prévaut même lorsque des enfants sont issus de cette relation (consid. 2).
- La prohibition du mariage avec l'enfant de son conjoint est conforme à l'art. 12 CEDH (consid. 3-5).
Regesto (it):
- Impedimento di contrarre matrimonio tra patrigno e figliastra (art. 95 cpv. 1 cf. 2 CC, art. 12 CEDU).
- Secondo la volontà del legislatore, l'impedimento di contrarre matrimonio tra patrigno o matrigna e i rispettivi figliastri, previsto attualmente all'art. 95 cpv. 1 cf. 2 CC entrato in vigore il 1o gennaio 2000, sussiste anche qualora dalla relazione tra patrigno e figliastra siano nati dei figli (consid. 2).
- La proibizione di contrarre matrimonio con i figliastri è conforme all'art. 12 CEDU (consid. 3-5).
Sachverhalt ab Seite 113
BGE 128 III 113 S. 113
A.- M.W. heiratete am 7. Juni 1985 V.S., welche die zwei Kinder K.S., geboren im Jahr 1971, und L.S., geboren im Jahr 1976, in die Ehe brachte. Diese Ehe wurde am 14. Mai 1991 geschieden.
BGE 128 III 113 S. 114
Am 19. Juni 1991 brachte K.S. einen Sohn zur Welt; der Vater des Kindes ist ihr Stiefvater M.W. Am 22. März 1994 gebar sie diesem einen zweiten Sohn. Am 9. März 1995 wurde der Nachname der beiden Söhne von S. auf W. geändert.
B.- Am 25. September 2000 stellten M.W. und K.S., die seit Jahren im Konkubinat leben, beim Zivilstandsamt des Kreises Chur ein Gesuch um Vorbereitung der Eheschliessung. Mit Verfügung vom 26. September 2000 lehnte das Zivilstandsamt das Gesuch wegen Vorliegens eines Ehehindernisses gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
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1 | Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
2 | Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. |
C.- Das Bundesgericht weist die von den Heiratswilligen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit darauf eingetreten wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Das Kantonsgericht hat die Abweisung des Gesuchs der Beschwerdeführenden um Vorbereitung der Eheschliessung gestützt auf das Eheverbot gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
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1 | Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
2 | Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. |
BGE 128 III 113 S. 115
(BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 224 ff.; BGE 124 III 229 E. 3c S. 235 f.; BGE 127 III 415 E. 2 mit Hinweisen; KRAMER, Juristische Methodenlehre, 1998, S. 161 f. und 169 f.). b) Gemäss dem Wortlaut von Art. 95 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
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1 | Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
2 | Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. |
BGE 128 III 113 S. 116
d) Aus dem Umstand, dass diese Einschränkung verworfen wurde, kann geschlossen werden, dass das Eheverbot nach dem Willen des Gesetzgebers in Stiefverhältnissen absolut gilt, dass der Gesetzgeber also auch einen Ausschluss der Fälle, in denen aus der Beziehung zwischen Stiefelter und Stiefkind Kinder hervorgehen, abgelehnt hat. Ratio legis ist die Wahrung des Friedens in der - das Stiefverhältnis begründenden - Familie. Im Hinblick auf das zu schützende Rechtsgut macht es keinen sachlich relevanten Unterschied, ob der Beziehung zwischen Stiefelter und Stiefkind Kinder entspringen oder nicht. Käme das Eheverbot im einen Fall zur Anwendung und im anderen nicht, so läge darin eine rechtsungleiche Behandlung. Daraus folgt, dass keine Ausnahmelücke vorliegt, dass das geltende Bundeszivilrecht eine Eheschliessung im vorliegenden Fall also nicht zulässt.
3. Die Beschwerdeführenden bringen des Weiteren vor, das Eheverbot verletze ihr durch Art. 12
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. |
BGE 128 III 113 S. 117
Interesse an der Eheschliessung nicht klar unterlegen sein darf (HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 319). c) Die Voraussetzungen der Wahrung des Kerngehalts sowie der gesetzlichen Grundlage sind vorliegend offensichtlich erfüllt. Zu prüfen ist, ob sich das für Stiefverhältnisse statuierte Eheverbot auf allgemein anerkannte Gründe des öffentlichen Interesses stützt und ob dieses das Interesse der Beschwerdeführenden an der Eheschliessung überwiegt.
4. a) Bei der Beibehaltung des Eheverbots für Stiefverhältnisse stand die Wahrung des Familienfriedens im Vordergrund. Zwar hat die Familie viele ihrer früheren Funktionen verloren: so stellt sie heute kaum mehr eine Produktionsgemeinschaft dar, die Wissensvermittlung und die Berufsvorbereitung beim heranwachsenden Kind sind ihr weitgehend entzogen, und auch die Aufgabe, für kranke, schwache oder alte Familienmitglieder zu sorgen, hat sie teilweise an andere Institutionen abgetreten. Als ein Bezirk besonders enger emotionaler Bindungen fallen ihr heute jedoch vornehmlich die folgenden zwei Aufgaben zu: die primäre Sozialisation des Kindes und die gewissermassen private Verarbeitung von Konflikten, die im gesellschaftlichen Bereich, besonders im Beruf, auftreten (STRATENWERTH, Inzest und Strafrecht, in: Familienrecht im Wandel, 1976, S. 301 ff., S. 311). Angesichts dieser Funktionen ist die Stabilität der Familie möglichst zu wahren. Eine Geschlechtsverbindung zwischen Stiefelter und Stiefkind würde nicht nur die Ehe, auf der die Stieffamilie gründet, destabilisieren, sondern auch die weiteren Beziehungen unter den Familienmitgliedern - etwa zwischen leiblichem Elternteil und Kind sowie zwischen Geschwistern - erheblich gefährden (HÜRLIMANN, Die Eheschliessungsverbote zwischen Verwandten und Verschwägerten, Diss. Bern 1987, S. 147 und S. 151). b) Von erheblicher Bedeutung ist ferner der Schutz der freien Entfaltung und der sexuellen Integrität des Stiefkindes: Die Familie bildet nach wie vor regelmässig den engsten ursprünglichsten Rahmen des Zusammenlebens, der Rahmen, in dem Kinder ihr Leben beginnen und heranwachsen. Sie soll deshalb von sexuellen Beziehungen und erotischen Spannungen freigehalten werden. Entsprechend steht die Verletzung der sexuellen Integrität des Abhängigen unter Strafe (Art. 188
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 188 - Wer mit einer minderjährigen Person von mindestens 16 Jahren, die von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis oder auf andere Weise abhängig ist, eine sexuelle Handlung vornimmt, indem er diese Abhängigkeit ausnützt, |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 299 - Jeder Ehegatte hat dem andern in der Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber dessen Kindern in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern. |
BGE 128 III 113 S. 118
seinem Ehegatten in der Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber dessen Kindern in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern. Damit befindet sich der Stiefelternteil regelmässig in einer Autoritätsstellung und das Stiefkind in einem Abhängigkeitsverhältnis. Es gilt demnach zu verhindern, dass dieses faktische Eltern-Kind-Verhältnis nahtlos in ein Paarverhältnis übergeht (HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 4. Aufl. 2000, Rz. 4.13; KARLHEINZ MUSCHELER, Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschliessungsrechts, in: Juristenzeitung [JZ] 1997 S. 1142, S. 1145).
c) Der Umstand, dass das schweizerische Parlament anlässlich der mit Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 verabschiedeten Revision des Zivilgesetzbuches zwar weitergehende Eheverbote abgeschafft, am Eheverbot für Stiefverhältnisse aber ohne jede Diskussion festgehalten hat, deutet daraufhin, dass das Verbot und die dafür genannten Gründe in der Schweiz nach wie vor allgemein anerkannt sind (AB 1996 S 750 f., 1997 N 2670). Seine Geltung wird denn auch in der schweizerischen Lehre - zumindest für die Fälle, in welchen das Stiefkindverhältnis während der Unmündigkeit begründet wurde - nicht in Frage gestellt (HEUSSLER, Basler Kommentar, 1996, N. 7 zu aArt. 100
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 100 - Die Trauung kann innerhalb von drei Monaten stattfinden, nachdem der Abschluss des Vorbereitungsverfahrens mitgeteilt wurde. |
BGE 128 III 113 S. 119
S. 171, Art. 1 ff.; Italien, 142. Lieferung, S. 54 f., Art. 87; Fürstentum Liechtenstein, 118. Lieferung, S. 47, Art. 12 ff.; Luxemburg, 109. Lieferung, S. 53, Art. 161 ff.; Niederlande, 123. Lieferung, S. 63 f. Fn. 33; Norwegen, 138. Lieferung, §§ 3 f.; Österreich, 116. Lieferung, S. 141, Art. 4 ff.; Polen, 139. Lieferung, S. 40, Art. 14 § 1; Portugal, 132. Lieferung, S. 49, Art. 1602 lit. c; Schweden, 110. Lieferung, S. 22c, §§ 1 ff.; Spanien, 132. Lieferung, Art. 44 ff.; Türkei, 123. Lieferung, S. 24, Art. 92 Ziff. 2; Ungarn, 143. Lieferung, S. 37, § 8 Abs. 1 lit. d). e) Indem die Ehe zwischen Stiefelter und Stiefkind dauernd ausgeschlossen ist, wird das Verhältnis zwischen ihnen ganz auf die Ebene der familiären Beziehung gestellt und jeder Zweideutigkeit enthoben. Auf diesem Weg trägt das Eheverbot zur Aufrechterhaltung intakter Familienbeziehungen bei: Es ermöglicht dem Stiefkind, im Verhältnis zum Stiefelter Zuneigung und Identifikation zu entwickeln, ohne dass es Gefahr läuft, sexuell ausgebeutet zu werden (WERRO, a.a.O., S. 855; HEGNAUER, "Soll das Ehehindernis der Schwägerschaft beibehalten werden?, in: ZZW 1993 S. 86). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden kann auch der Umstand, dass sich in Einzelfällen wie dem vorliegenden dennoch eine sexuelle Beziehung entwickelt, nichts daran ändern, dass das Verbot sachlich gerechtfertigt ist.
5. Die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs setzt ferner voraus, dass der angestrebte Zweck im konkreten Fall in einem vernünftigen Verhältnis zu den zu seiner Erreichung notwendigen Grundrechtsbeschränkungen steht (BGE 117 Ia 472 E. 3g mit Hinweisen). a) aa) Wird das Gesuch der Beschwerdeführenden abgewiesen, so können sie nicht heiraten. Sie werden ihre Beziehung voraussichtlich für deren ganze Dauer in der Form eines Konkubinats fortführen müssen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Konkubinat heute in unserer Gesellschaft eine weit verbreitete Form des Zusammenlebens darstellt, welche die Beschwerdeführenden schon seit Jahren freiwillig praktizieren. Rechtlich ist das Konkubinat der Ehe nur in einzelnen Bereichen gleichgestellt. Dies wirkt sich aber nicht in jedem Fall zum Nachteil der Konkubinatspartner aus (WERRO, a.a.O., N. 115 ff. und beispielsweise N. 139). Im Übrigen besteht teilweise die Möglichkeit, die Rechtsverhältnisse im Konkubinat durch Vereinbarungen jenen in der Ehe anzugleichen: so können unverheiratete Eltern beispielsweise gemeinsam die elterliche Sorge beantragen (Art. 298a Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 298a - 1 Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und anerkennt der Vater das Kind oder wird das Kindesverhältnis durch Urteil festgestellt und die gemeinsame elterliche Sorge nicht bereits im Zeitpunkt des Urteils verfügt, so kommt die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer gemeinsamen Erklärung der Eltern zustande. |
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1 | Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und anerkennt der Vater das Kind oder wird das Kindesverhältnis durch Urteil festgestellt und die gemeinsame elterliche Sorge nicht bereits im Zeitpunkt des Urteils verfügt, so kommt die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer gemeinsamen Erklärung der Eltern zustande. |
2 | In der Erklärung bestätigen die Eltern, dass sie: |
1 | bereit sind, gemeinsam die Verantwortung für das Kind zu übernehmen; und |
2 | sich über die Obhut und den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile sowie über den Unterhaltsbeitrag für das Kind verständigt haben. |
3 | Vor der Abgabe der Erklärung können sich die Eltern von der Kindesschutzbehörde beraten lassen. |
4 | Geben die Eltern die Erklärung zusammen mit der Anerkennung ab, so richten sie sie an das Zivilstandsamt. Eine spätere Erklärung haben sie an die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes zu richten. |
5 | Bis die Erklärung vorliegt, steht die elterliche Sorge allein der Mutter zu. |
BGE 128 III 113 S. 120
Sozialversicherungsrechtlich sind Verheiratete im Hinblick auf die Witwenrente besser gestellt. Sie sind aber im Bereich der Altersrente gegenüber Konkubinatspartnern benachteiligt, ist doch die Ehepaarrente tiefer als die Summe von zwei Einzelrenten. Der Eingriff in das Recht der Beschwerdeführenden auf Eheschliessung ist damit zwar von Dauer, aber nicht von einer ausserordentlichen Schwere. bb) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit berufen sich die Beschwerdeführenden auch auf die Interessen ihrer Kinder. Im schweizerischen Zivilrecht sind die ausserehelichen Kinder den ehelichen vollkommen gleichgestellt. Dass ein Kind nicht ehelich ist, kommt heute häufig vor und erscheint nicht mehr als etwas besonderes. Bei einer grossen Anzahl ehelicher Kinder wird überdies die Ehe der Eltern im Lauf ihrer Kindheit geschieden, so dass sich diese in einer Situation befinden, die jener der ausserehelichen Kinder sehr ähnlich ist. Unter diesen Umständen sind heute weder spezielle Vorurteile Dritter noch eine besondere soziale Benachteiligung zu erwarten, wie sie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vor einigen Jahren noch befürchtete (Urteil i.S. F. c. Schweiz vom 18. Dezember 1987, Serie A, Bd. 128, Ziff. 36). Im Übrigen dürften auch die Beschwerdeführenden nicht von einer erheblichen Benachteiligung ausserehelicher Kinder ausgegangen sein, andernfalls hätten sie ihre Kinder nicht ausserhalb der Ehe gezeugt. b) Dem Recht der Beschwerdeführenden auf Eheschliessung und Familie stehen hochrangige Rechtsgüter gegenüber: der Schutz des Familienfriedens sowie die Gewährleistung der freien Entfaltung und der sexuellen Integrität des unmündigen bzw. abhängigen Stiefkindes. Käme das Bundesgericht zum Schluss, dass ein Eheverbot vorliegend gegen das Grundrecht der Beschwerdeführenden verstösst, würde dies nicht nur zur Nichtanwendung von Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
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1 | Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
2 | Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. |
c) Unter diesen Umständen geht das Bundesgericht davon aus, dass der Integration des Kindes in die Stieffamilie und seiner freien Entwicklung und Entfaltung ein allgemein anerkanntes öffentliches Interesse zukommt, das die Grundrechtsbeschränkung auf Seiten der Beschwerdeführenden rechtfertigt. Die Anwendung von Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 95 - 1 Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
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1 | Die Eheschliessung ist zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, gleichgültig ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind, verboten.169 |
2 | Die Adoption hebt das Ehehindernis der Verwandtschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 12 Recht auf Eheschliessung - Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. |