Urteilskopf

128 III 1

1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. M.X. gegen N.S.X. (Berufung) 5C.233/2001 vom 16. November 2001

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 1

BGE 128 III 1 S. 1

Die Parteien heirateten 1997 in Biel und leben seit 1. Oktober 1999 getrennt. Mit Urteil vom 29. November 2000 schied der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises II Biel-Nidau die Ehe der Parteien gestützt auf Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB. Der Appellationshof des Kantons Bern bestätigte das vom Beklagten angefochtene Urteil. Das Bundesgericht weist die Berufung des Beklagten ab.
BGE 128 III 1 S. 2

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Die Vorinstanz hat die schwere psychische Krankheit des Beklagten angesichts ihrer erheblichen Auswirkungen auf die Ehe der Parteien und auf die Klägerin als schwerwiegenden Grund sowie die fortwährende eheliche Bindung der Klägerin an den Beklagten als unzumutbar erachtet und die Ehe gestützt auf Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB geschieden. Der Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe diese Bestimmung zu Unrecht angewandt. Die gesamte Situation seiner Krankheit und der Trennung belaste die Klägerin zwar möglicherweise, doch werde dadurch das im Rahmen einer Scheidung übliche Mass nicht überschritten. Da die Ehescheidung infolge seiner psychischen Krankheit ausgesprochen worden sei, müsse zur Auslegung von Art. 115 ZGB aArt. 141
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB beigezogen werden. Die dortigen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, die Ehe könne deshalb auch nach Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB nicht geschieden werden.
a) aa) Noch vor Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts wurde von der Lehre vorgeschlagen, im Zusammenhang mit dem Erfordernis des schwerwiegenden Grundes gemäss Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB Fallgruppen zu bilden. Unheilbare Krankheiten sind nach dieser Lehrmeinung in die Fallgruppe der objektiven Ursachen einzureihen; aus ethischen Gründen müsse dabei verlangt werden, dass die Voraussetzungen gemäss aArt. 141
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB erfüllt sind - allenfalls unter Verzicht auf die Erfordernisse des Gutachtens und der dreijährigen Frist (DANIEL STECK, Scheidungsklagen, in: Das neue Scheidungsrecht, 1999, S. 25 ff., S. 36).
bb) Gemäss aArt. 141
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB konnte ein Ehegatte die Scheidung beantragen, wenn ihm die Ehe aufgrund einer schon seit drei Jahren andauernden und von einem Sachverständigen für unheilbar erklärten Geisteskrankheit des anderen nicht mehr zugemutet werden durfte. Diese Bestimmung normierte zwar einen Scheidungsgrund, brachte aber - durch die sehr restriktiven Voraussetzungen - vor allem zum Ausdruck, dass Krankheit nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers als Scheidungsgrund weitgehend ausgeschlossen war. Dieser Ausschluss war darin begründet, dass die eheliche Beistandspflicht gebot, das Unglück einer Krankheit mit beidseitigem Opferwillen gemeinsam zu tragen (BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 1980, N. 102 zu Art. 142
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
BGE 128 III 1 S. 3

cc) Bei Erlass des geltenden Scheidungsrechts hat der Gesetzgeber auf die Normierung besonderer Scheidungsgründe bewusst verzichtet (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1, S. 83). Ein Wille, im Zusammenhang mit der Unzumutbarkeit gemäss Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB bestimmte Gründe auszuschliessen, ist nicht ersichtlich (Botschaft S. 92). Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB ist bewusst offen formuliert, damit die Gerichte den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragen können. Ob ein schwerwiegender Grund besteht, ist daher nach Recht und Billigkeit zu beurteilen (Art. 4
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 4 - Le juge applique les règles du droit et de l'équité, lorsque la loi réserve son pouvoir d'appréciation ou qu'elle le charge de prononcer en tenant compte soit des circonstances, soit de justes motifs.
ZGB; BGE 127 III 129 E. 3b S. 134, 347 E. 2a S. 349 mit weiteren Hinweisen). Beeinträchtigungen, die normalerweise mit einer Scheidung einhergehen, geben keinen solchen Grund ab (BGE 127 III 342 E. 3d). An dessen Vorliegen dürfen jedoch auch keine übertriebene Anforderungen gestellt werden. Massgeblich ist, ob unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände das Fortbestehen der Ehe der Klägerin seelisch zumutbar ist, beziehungsweise ob die geistig-emotionale Reaktion, das Fortbestehen der Ehe während vier Jahren als unerträglich zu betrachten, objektiv nachvollziehbar ist (BGE 127 III 129 E. 3b S. 134). In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob dem klagenden Ehepartner allenfalls aufgrund seiner ehelichen Beistandspflicht das Abwarten der vierjährigen Frist zuzumuten ist (HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, 4. Aufl. 2000, § 9 Rz. 9.37). b) Der Appellationshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Belastung der Klägerin nicht nur das bei Scheidungen übliche Mass klarerweise übersteigt, sondern die Fortdauer der Ehe auch bei getrennten Haushalten als für sie unzumutbar erscheinen lässt. Der Beklagte ist krankhaft auf die Klägerin fixiert. Vor seinen zahlreichen hartnäckigen Versuchen, mit ihr in Kontakt zu treten, kann sie sich kaum schützen. Angesichts dieser Hartnäckigkeit und Intensität, mit welcher der Beklagte sie in ihrem Privatleben beeinträchtigt, und angesichts der kurzen Dauer der Ehe kann ihr ein längeres Ertragen dieser Situation auch nicht aufgrund der ehelichen Beistandspflicht zugemutet werden. Vielmehr beurteilt das Bundesgericht diese Situation wie die Vorinstanz als für sie in nachvollziehbarer Weise unerträglich. Der Appellationshof hat die Ehe der Parteien demnach zu Recht in Anwendung von Art. 115
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
ZGB geschieden, weshalb die Berufung des Beklagten abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 128 III 1
Date : 16 novembre 2001
Publié : 31 décembre 2003
Source : Tribunal fédéral
Statut : 128 III 1
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : Divorce selon l'art. 115 CC; caractère insupportable du mariage en cas de maladie mentale d'un conjoint. La question de


Répertoire des lois
CC: 4 
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 4 - Le juge applique les règles du droit et de l'équité, lorsque la loi réserve son pouvoir d'appréciation ou qu'elle le charge de prononcer en tenant compte soit des circonstances, soit de justes motifs.
115 
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 115 - Un époux peut demander le divorce avant l'expiration du délai de deux ans, lorsque des motifs sérieux qui ne lui sont pas imputables rendent la continuation du mariage insupportable.
141  142
Répertoire ATF
127-III-129 • 127-III-342 • 128-III-1
Weitere Urteile ab 2000
5C.233/2001
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
mariage • défendeur • conjoint • autorité inférieure • cause de divorce • volonté • tribunal fédéral • mesure • délai • bienne • condition • durée • divorce • prolongation • code civil suisse • affection psychique • maladie mentale • 1995 • vie • état de fait • entrée en vigueur • ménage • action en divorce
... Ne pas tout montrer
FF
1996/I/1