127 III 365
61. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Mai 2001 i.S. M. s.r.l. gegen B. AG (Berufung)
Regeste (de):
- Frachtvertrag; Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassenverkehr (CMR; SR 0.741.611); Substanziierung des Schadens.
- Anforderungen an die Substanziierung eines Totalschadens, wenn dieser von der Gegenpartei bestritten wird (E. 2).
- Keine Verrechnung eines nach der CMR nicht ersatzfähigen mittelbaren Schadens mit dem nach schweizerischem innerstaatlichem Recht zu beurteilenden Frachtlohnanspruch (E. 3).
Regeste (fr):
- Contrat de transport; Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (CMR; RS 0.741.611); allégation du dommage.
- Exigences relatives à la façon dont un dommage total doit être allégué lorsque celui-ci est contesté par la partie adverse (consid. 2).
- Compensation exclue entre un dommage indirect dont la CMR ne prévoit pas l'indemnisation et la prétention du transporteur à sa rémunération qu'il faut déterminer selon le droit interne suisse (consid. 3).
Regesto (it):
- Contratto di trasporto; Convenzione concernente il contratto di trasporto internazionale di merci su strada (CMR; RS 0.741.611); portata dell'obbligo di sostanziare il danno.
- Esigenze poste all'obbligo di sostanziare un danno totale quando questo viene contestato dalla controparte (consid. 2).
- Non è ammessa la compensazione di un danno indiretto non risarcibile giusta la CMR con la mercede dovuta al vettore, da determinarsi secondo il diritto interno svizzero (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 366
BGE 127 III 365 S. 366
Mit Vertrag vom 25. November 1996 kaufte die M. s.r.l. (Klägerin) von der A. AG eine gebrauchte Rollenoffsetanlage "MAN Rotoman C". Sie betraute in der Folge die B. AG (Beklagte) mit dem Transport der Anlage von X. nach Y. (Italien). Zu verladen war namentlich der zum Kaufgegenstand gehörende, mindestens 5,25 Tonnen schwere Wassertauscher, welcher im kantonalen Verfahren auch als "Kühlturm", "Kühlaggregat" oder "Warmwassertauscher" bezeichnet wurde und sich auf dem Dach des Gebäudes der A. AG befand. Um den strittigen Wassertauscher vom Dach zu heben und zu verladen, befestigte die Beklagte ein Vierer-Kettengehänge eines Kranes an vier Hängelaschen, welche am sog. Tropfenabscheider des Wassertauschers - von der Klägerin auch Deckel genannt - angeschraubt waren. Beim Hochheben des Wassertauschers rissen die Hängelaschen, da sie dem Gewicht nicht standzuhalten vermochten. Der Wassertauscher fiel aus ca. 3 bis 4 Metern auf das Dach und wurde dadurch beschädigt. Unter dem Tropfenabscheider, im Innern des Wassertauschers, befanden sich vier weitere, kräftigere Laschen, welche durch Entfernen des Tropfenabscheiders hätten freigelegt werden können und für das Heben des Wassertauschers bestimmt gewesen wären.
Da sich die Parteien nicht darüber einigen konnten, wer das unsachgemässe Hochheben und damit die Beschädigung des Wassertauschers zu verantworten hatte, machte die Klägerin gerichtlich einen Schadenersatzanspruch von Lit. 82'210'000.- geltend, worauf die Beklagte Widerklage auf Bezahlung des noch ausstehenden Frachtlohnes von Fr. 16'925.- erhob. Das Handelsgericht
BGE 127 III 365 S. 367
des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil vom 20. April 2000 ab und hiess die Widerklage im Umfang von Fr. 15'005.- nebst Zins gut. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Klägerin weist das Bundesgericht ab.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. In rechtlicher Hinsicht ist unbestritten, dass auf die vorliegende Streitigkeit grundsätzlich das Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassenverkehr (CMR; SR 0.741.611) Anwendung findet. Die Vorinstanz wies die Klage ab, weil einerseits der Klägerin ein Verschulden im Sinne von Art. 17 Ziff. 2 CMR vorzuwerfen sei und sie anderseits ihren Schaden nicht substanziiert habe. Die Klägerin ficht beide Begründungen als bundesrechtswidrig an.
2. In Bezug auf die Substanziierung des Schadens erwog die Vorinstanz, die Vorbringen der Klägerin liessen trotz gerichtlicher Substanziierungshinweise konkrete, zum Beweis verstellbare Behauptungen über die Beschädigungen des Wassertauschers vermissen; ebenso fehlten Angaben über die ausgeführten Arbeiten und die Kosten für den Ersatz oder die Reparatur des Wassertauschers sowie für die Instandstellung der gesamten Anlage. Die Klage sei deshalb mangels Substanziierung abzuweisen. a) Gemäss Art. 25 Ziff. 1 CMR hat der Frachtführer bei Beschädigung des Frachtgutes grundsätzlich den Betrag der Wertverminderung zu zahlen, welche der Differenz zwischen dem Wert des Gutes bei der Übernahme und dem Wert infolge der Beschädigung entspricht (HERBER/PIPER, CMR, Internationales Strassentransportrecht, Kommentar, N. 2 zu Art. 25 CMR; THUME, in: Thume [Hrsg.], Kommentar zur CMR, N. 4 zu Art. 25 CMR; GLÖCKNER, Leitfaden zur CMR, 7. Aufl., N. 2 zu Art. 25 CMR). Dieser Schadensbegriff stimmt mit dem im schweizerischen innerstaatlichen Recht gebräuchlichen überein (dazu BGE 127 III 73 E. 4a S. 76 mit Hinweisen). Übersteigen die Wiederherstellungskosten den ursprünglichen Wert des Gutes, wird auch unter Herrschaft der CMR von einem Totalschaden ausgegangen, welcher dem Verlust der Sache gleichzusetzen ist (HERBER/PIPER, a.a.O., N. 1 zu Art. 25 CMR; THUME, a.a.O., N. 66 zu Art. 17 CMR; GLÖCKNER, a.a.O., N. 1 zu Art. 25 CMR; zum identischen Begriff des Totalschadens im innerstaatlichen Recht vgl. ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. II, 2. Aufl., S. 108; OFTINGER/STARK, Schweizerisches
BGE 127 III 365 S. 368
Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl., S. 368 Rz. 366). Diesfalls berechnet sich der Schadenersatz gemäss Art. 23 Ziff. 1 CMR nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung. b) Nach allgemeinen Grundsätzen hat die Schadenersatz beanspruchende Partei den Schaden zu beweisen (THUME, a.a.O., N. 62 zu Art. 23 und N. 33 zu Art. 25 CMR; GIEMULLA, in: Baumgärtel [Hrsg.], Handbuch der Beweislast im Privatrecht, N. 2 zu Art. 23 CMR; für das innerstaatliche Recht vgl. Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
|
1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
|
1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
BGE 127 III 365 S. 369
kantonalen Verfahren trotz gerichtlicher Substanziierungshinweise versäumt hat, die konkreten Beschädigungen bzw. Defekte des transportierten Wassertauschers zu beschreiben. Wenn die Klägerin davon ausgeht, dass sie dazu auch nicht verpflichtet war, verkennt sie die bundesrechtlichen Anforderungen an die Substanziierung des Schadens. Jedenfalls nachdem die Beklagte das Vorliegen eines Totalschadens bestritten hatte, wäre die Klägerin gehalten gewesen, ihre vorerst pauschale Behauptung in Einzeltatsachen zu zergliedern und darzulegen, aufgrund welcher konkreten Beschädigungen der Wassertauscher irreparabel war oder inwiefern die Reparaturkosten dessen Wert überstiegen (vgl. THUME, a.a.O., N. 62 zu Art. 23 CMR). Diese Angaben waren nicht nur Voraussetzung für die Subsumtion der klägerischen Vorbringen unter den Begriff des Totalschadens, sondern auch für ein substanziiertes Bestreiten durch die Beklagte und die beweismässige Abklärung des Sachverhaltes (vgl. BGE 108 II 337 E. 3 S. 341). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung genügt zur Substanziierung des Schadens nicht, dass der strittige Wassertauscher von der Beklagten hätte besichtigt werden können, liefe dies doch darauf hinaus, der Beklagten bundesrechtswidrig die Beweislast für das Nichtbestehen des Schadens aufzuerlegen. Ebenso fehl geht sodann der Hinweis der Klägerin auf eine gerichtliche Expertise, denn das kantonale Recht kann zur Verhinderung von unzulässigen Ausforschungsbeweisen vorschreiben, dass die Tatsachen, welche durch eine beantragte Beweismassnahme bewiesen werden sollen, genannt werden (FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., N. 5 zu § 113 ZPO). Es verstösst daher nicht gegen Bundesrecht, wenn eine rechtsgenügliche Substanziierung des geltend gemachten Anspruchs vor der Durchführung einer Beweismassnahme verlangt und eine Ergänzung der Substanziierung aufgrund des Beweisverfahrens nicht mehr zugelassen wird (BGE 108 II 337 E. 3 S. 341/2; BRÖNNIMANN, Die Behauptungslast, a.a.O., S. 64/5). Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Schadenersatzanspruch der Klägerin mangels rechtsgenüglicher Substanziierung abgewiesen hat. Damit erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Haftungsvoraussetzungen.
3. Die Vorinstanz hiess die Widerklage der Beklagten auf Bezahlung des restlichen Frachtlohnes im Umfang von Fr. 15'005.- nebst Zins gut. Die Klägerin wendet sich unter Hinweis auf BGE 124 III 423 gegen die Bezahlung der Honorarforderung der
BGE 127 III 365 S. 370
Beklagten, da der ihr neben dem unmittelbaren Schaden am Wassertauscher entstandene mittelbare Schaden - die Klägerin verweist namentlich auf die während des Ausfalls der Rollenoffsetanlage laufenden Leasingzinsen - den restlichen Honoraranspruch der Beklagten bei weitem übersteige. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie ihren weiteren Schaden mit dem Frachtlohnanspruch der Beklagten verrechnen kann. a) Wie die Vorinstanz zutreffend darlegte, regelt die CMR den Anspruch des Frachtführers auf den Frachtlohn nicht, weshalb insofern schweizerisches innerstaatliches Recht anzuwenden ist (Art. 117
SR 291 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) IPRG Art. 117 - 1 Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. |
|
1 | Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. |
2 | Es wird vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, in dem sich ihre Niederlassung befindet. |
3 | Als charakteristische Leistung gilt namentlich: |
a | bei Veräusserungsverträgen die Leistung des Veräusserers; |
b | bei Gebrauchsüberlassungsverträgen die Leistung der Partei, die eine Sache oder ein Recht zum Gebrauch überlässt; |
c | bei Auftrag, Werkvertrag und ähnlichen Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung; |
d | bei Verwahrungsverträgen die Leistung des Verwahrers; |
e | bei Garantie- oder Bürgschaftsverträgen die Leistung des Garanten oder des Bürgen. |
IR 0.741.611.2 Zusatzprotokoll vom 20. Februar 2008 zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief CMR Art. 1 Begriffsbestimmungen - Im Sinne dieses Protokolls bedeuten: |
IR 0.741.611.2 Zusatzprotokoll vom 20. Februar 2008 zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief CMR Art. 1 Begriffsbestimmungen - Im Sinne dieses Protokolls bedeuten: |
IR 0.741.611.2 Zusatzprotokoll vom 20. Februar 2008 zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief CMR Art. 1 Begriffsbestimmungen - Im Sinne dieses Protokolls bedeuten: |