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BGE-126-V-484


Urteilskopf

126 V 484

81. Urteil vom 7. Dezember 2000 i. S. Visana gegen G. und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 484

BGE 126 V 484 S. 484

A.- Der 1928 geborene G. ist bei der Visana obligatorisch krankenversichert. Er ist bevormundet. Die Vormundschaft wird von der Einwohnergemeinde X im Kanton Solothurn geführt. Diese hat E. als Vormund ernannt. G. hält sich seit 1979 als Pensionär im Heim Y im Kanton Bern auf und ist leicht pflegebedürftig. Bis Ende 1996 hat die Visana einen Pflegeheimbeitrag von 30 Franken pro Tag ausgerichtet, wie er im Kanton Bern für leichte Pflegebedürftigkeit gilt. Ab 1. Januar 1997 gestand sie ihm nur noch den Pflegeheimbeitrag des Kantons Solothurn für leichte Pflegebedürftigkeit von 11 Franken pro Tag zu. Nach Interventionen des Vormunds des Versicherten erliess die Visana am 8. Juni 1998 eine Verfügung, wonach für den Aufenthalt von G., mit gesetzlichem Wohnsitz in X (Kanton Solothurn), im Heim Y (Kanton Bern), ab 1. Januar 1997 bis auf weiteres der Pflegeheimbeitrag des Kantons Solothurn entsprechend der jeweiligen Pflegebedarfsstufe erbracht werde. An diesem Standpunkt hielt die Krankenkasse mit Einspracheentscheid vom 17. Juli 1998 fest.
BGE 126 V 484 S. 485

B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher der Vormund des Versicherten ab 1. Januar 1997 bis auf weiteres die Ausrichtung des Pflegeheimbeitrages des Kantons Bern entsprechend der jeweiligen Pflegebedarfsstufe beantragen liess, hat das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 21. Mai 1999 gutgeheissen.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Visana die Aufhebung des Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn. Der Vormund des Versicherten und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Streitig und zu prüfen ist, welche Leistungen die Visana dem Beschwerdegegner an den Aufenthalt im Heim Y zu entrichten hat. Unbestritten ist dabei die Einstufung in die Kategorie der leichten Pflegebedürftigkeit.
2. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt nach Art. 24
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 24 Grundsatz - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen gemäss den Artikeln 25-31 nach Massgabe der in den Artikeln 32-34 festgelegten Voraussetzungen.
KVG die Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
-31
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 31 Zahnärztliche Behandlungen - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlung, wenn diese:
KVG nach Massgabe der in den Art. 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
-34
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 34 Umfang - 1 Die Versicherer dürfen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Artikeln 25-33 übernehmen.
KVG festgelegten Voraussetzungen. Die Leistungen umfassen u.a. Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchgeführt werden von Ärzten oder Ärztinnen, Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen und Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen (Art. 25 Abs. 2 lit. a
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
KVG). Nach Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG können die Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen (Satz 1). Bei ambulanter Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt (Satz 2). Bei stationärer oder teilstationärer Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gilt (Satz 3). Beanspruchen Versicherte aus medizinischen Gründen einen anderen Leistungserbringer, so richtet sich laut Art. 41 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für diesen Leistungserbringer gilt (Satz 1). Medizinische Gründe liegen bei einem Notfall vor oder wenn die erforderlichen Leistungen
BGE 126 V 484 S. 486

bei ambulanter Behandlung am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung (Satz 2 lit. a), bei stationärer oder teilstationärer Behandlung im Wohnkanton oder in einem auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführten ausserkantonalen Spital nicht angeboten werden (Satz 2 lit. b). Bei Aufenthalt in einem Pflegeheim (Art. 39 Abs. 3
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 39 Spitäler und andere Einrichtungen - 1 Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind zugelassen, wenn sie:
KVG) vergütet der Versicherer gemäss Art. 50
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 50 Kostenübernahme im Pflegeheim - Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim (Art. 39 Abs. 3) vergütet der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege nach Artikel 25a. Die Absätze 7 und 8 von Artikel 49 sind sinngemäss anwendbar.
KVG die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege und bei Krankenpflege zu Hause.
3. Die Visana stellte sich in ihrer Verfügung vom 8. Juni 1998 und im Einspracheentscheid vom 17. Juli 1998 im Wesentlichen auf den Standpunkt, der Versicherer müsse bei stationärer oder teilstationärer Behandlung gemäss Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gelte. Bevormundete hätten ihren Wohnsitz laut Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB am Sitz der Vormundschaftsbehörde. Da sich der gesetzliche Wohnsitz des Beschwerdegegners demzufolge in X im Kanton Solothurn befinde, gelte der Aufenthalt im Heim Y im Kanton Bern als ausserkantonale Behandlung, was wiederum zur Folge habe, dass der Versicherer höchstens die Leistungen nach dem Tarif des Wohnkantons Solothurn erbringen müsse. Das kantonale Gericht hat diese Ausführungen bestätigt, die gegen den Einspracheentscheid gerichtete Beschwerde jedoch mit der Begründung gutgeheissen, der Versicherte könne die erforderlichen Leistungen in einer Institution im Wohnkanton nicht beziehen und beanspruche aus medizinischen Gründen im Sinne von Art. 41 Abs. 2 lit. b
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG einen andern Leistungserbringer. Dem 70-jährigen Mann sei nach rund 20-jährigem Aufenthalt im Heim Y ein Wohnwechsel sowohl aus medizinischer wie auch aus sozialer Sicht nicht zumutbar. In ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde verneint die Krankenkasse das Vorliegen medizinischer Gründe gemäss Art. 41 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG.
4. Was zunächst die Frage des Vorliegens medizinischer Gründe anbelangt, ist festzuhalten, dass Art. 41 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG abschliessend bestimmt, was darunter zu verstehen ist. Es sind dies einerseits der Notfall, d.h. die Lage, in welcher medizinische Hilfe unaufschiebbar und für die notwendige ambulante Behandlung eine Rückkehr in die Wohn- oder Arbeitsregion bzw. für die stationäre oder teilstationäre Behandlung in den Wohnkanton nicht möglich oder angemessen ist, und anderseits der Umstand, dass die erforderlichen Leistungen innerhalb der örtlichen Grenzen gar nicht angeboten werden (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz 318).
BGE 126 V 484 S. 487

Die Vorinstanz hat sich bei der Gewährung des Tarifschutzes gemäss Art. 41 Abs. 2 lit. b
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG auf das Attest des Ärztlichen Dienstes des Heims Y vom 13. Oktober 1998 gestützt, wonach es für den 70-jährigen Versicherten, der in der Vergangenheit psychisch labil gewesen sei, sehr belastend und hinsichtlich seines nun seit Jahren stabilen Gesundheitszustandes kontraproduktiv und gefährdend wäre, wenn er in ein anderes Heim verlegt werden müsste. Für solche in der Person liegenden Gründe haben die Krankenkassen indessen - wie dies die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt - nicht einzustehen. Würden in Art. 41 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG als Voraussetzung nur medizinische Gründe genannt, wäre die Interpretation des kantonalen Gerichts, wonach es aus medizinischen Gründen für den Versicherten vorteilhafter wäre, im Heim Y zu bleiben, durchaus in Erwägung zu ziehen. Auf Grund der - wie erwähnt - abschliessenden Definition des Gesetzgebers in Art. 41 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG kann es jedoch nicht darauf ankommen, ob es für die versicherte Person medizinisch ganzheitlich gesehen besser wäre, im bisherigen Heim bleiben zu können. Vielmehr kommt es, nachdem eine Notfallsituation unbestrittenermassen auszuschliessen ist, darauf an, ob im Kanton Solothurn die erforderlichen Leistungen nicht angeboten werden. Vorliegend wird nun aber weder behauptet, noch sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es im Kanton Solothurn keine Pflegeheime gäbe, welche die für den Versicherten erforderlichen Leistungen anbieten würden.
5. a) Im Weitern ist zu prüfen, wie der Aufenthalt in einem Pflegeheim von Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG erfasst wird. Krankenkasse, Vorinstanz und BSV gehen davon aus, dass diesbezüglich Satz 3 von Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG zur Anwendung kommt, der die Kostenübernahme bei stationärer oder teilstationärer Behandlung regelt, dies obwohl in Art. 50
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 50 Kostenübernahme im Pflegeheim - Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim (Art. 39 Abs. 3) vergütet der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege nach Artikel 25a. Die Absätze 7 und 8 von Artikel 49 sind sinngemäss anwendbar.
KVG bestimmt wird, dass beim Aufenthalt in einem Pflegeheim der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege vergütet. b) Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren
BGE 126 V 484 S. 488

Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 126 V 105 Erw. 3 mit Hinweisen). c) Die Abgrenzung zwischen ambulanter Behandlung (Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 2 KVG) einerseits und stationärer oder teilstationärer Behandlung (Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 3 KVG) andererseits wie auch die Qualifizierung des langjährigen Aufenthalts in einem Pflegeheim als stationäre oder teilstationäre Behandlung erscheinen auf den ersten Blick im deutschsprachigen Gesetzestext klar. Diskrepanzen ergeben sich jedoch bei Hinzuziehen des französischen und italienischen Gesetzestextes, wo die Gegenüberstellung "traitement ambulatoire"/"traitement hospitalier ou semihospitalier" bzw. "cura ambulatoriale"/"cura ospedaliera o semiospedaliera" lautet und demzufolge die im deutschsprachigen Text mit "stationär oder teilstationär" bezeichnete Behandlung nur spitalbezogen ist. Betrachtet man damit zusammenhängende Gesetzesbestimmungen, zeigt sich, dass diese Unterscheidung mehrmals vorkommt. So differenziert auch Art. 25 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
KVG nach "ambulant/sous forme ambulatoire/ ambulatorialmente", "stationär/en milieu hospitalier/in ospedale", "teilstationär/en milieu semi-hospitalier/parzialmente in ospedale" und "in einem Pflegeheim/dans un établissement médico-social/in una casa di cura". In Art. 39
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 39 Spitäler und andere Einrichtungen - 1 Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind zugelassen, wenn sie:
KVG, welcher sich auf Spitäler und andere Einrichtungen bezieht, regelt sodann Abs. 1 den Aufenthalt in Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung dienen (Spitäler), Abs. 2 die Behandlung in Anstalten, Einrichtungen oder deren Abteilungen, die der teilstationären Krankenpflege dienen, während sich Abs. 3 zu Anstalten, Einrichtungen oder deren Abteilungen äussert, die der Pflege und medizinischen Betreuung sowie der Rehabilitation von Langzeitpatienten und -patientinnen dienen (Pflegeheim). In der Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung (BBl 1992 I 93 ff., namentlich S. 166) wird zu letzterer Bestimmung erläutert, dass die Gesetzesvorlage eben zwischen drei Kategorien von Einrichtungen unterscheidet, nämlich Spitäler als Anstalten (oder Abteilungen davon) für die stationäre Behandlung, teilstationäre Institutionen und schliesslich Pflegeheime. Dieser Kontext zeigt, dass die Begriffe "stationäre oder teilstationäre Behandlung" in Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 3 KVG dem Spital zuzuordnen sind, wie es im französischen und italienischen Gesetzestext zum Ausdruck kommt, während der deutschsprachige Text diesbezüglich missverständlich
BGE 126 V 484 S. 489

formuliert ist. Klar ist, dass ein zwanzigjähriger Aufenthalt in einem Pflegeheim im gewöhnlichen Sprachgebrauch als stationärer Aufenthalt bezeichnet wird, doch sind Pflegeheime in Bezug auf die Tarifierung - wie dies auch aus Art. 50
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 50 Kostenübernahme im Pflegeheim - Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim (Art. 39 Abs. 3) vergütet der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege nach Artikel 25a. Die Absätze 7 und 8 von Artikel 49 sind sinngemäss anwendbar.
KVG hervorgeht - eben nicht wie Spitäler zu behandeln, sondern es werden an den dortigen Aufenthalt die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege erbracht. Dies entspricht auch dem Zweck der Regelung, sind doch die Hotelleriekosten (Unterkunft und Verpflegung) in einem Pflegeheim im Gegensatz zum Spital nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen und dementsprechend nicht im Leistungsbereich gemäss Art. 7
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung
KLV Art. 7 Umschreibung des Leistungsbereichs - 1 Als Leistungen nach Artikel 33 Buchstabe b KVV gelten Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die aufgrund der Bedarfsabklärung nach Absatz 2 Buchstabe a und nach Artikel 8 erbracht werden:55
der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) enthalten (vgl. EUGSTER, a.a.O., Rz 307; RKUV 1999 Nr. KV 86 S. 381). Aus dem Gesagten folgt, dass der vorliegende Aufenthalt in einem Pflegeheim nicht als stationäre oder teilstationäre Behandlung im Sinne von Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 3 KVG, sondern als ambulante Behandlung im Sinne von Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 2 KVG zu qualifizieren ist. d) Bei der ambulanten Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt (Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 2 KVG). Unter Wohnort ist gemäss Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts - wie bereits unter altem Recht - der Aufenthaltsort, nicht etwa der Wohnsitz, zu verstehen (BGE 126 V 17 Erw. 3 mit Hinweisen auf Judikatur, Literatur und Materialien). Der Aufenthaltsort des Beschwerdegegners ist unbestrittenermassen die Ortschaft Z im Kanton Bern, lebt er doch seit rund 20 Jahren dort in einem Pflegeheim. Daran ändert nichts, dass er bevormundet ist, da dies nur einen Einfluss auf den Wohnsitz hat. Die Frage aber, ob in Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 3 KVG unter "Wohnkanton" ("canton où réside l'assuré", "cantone di domicilio") der "Wohnsitzkanton" ("canton de domicile", "cantone di domicilio") zu verstehen ist, kann vorliegend offen gelassen werden. e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Kostenübernahme für den Aufenthalt des Beschwerdegegners im Pflegeheim nach der Regelung für ambulante Behandlung gemäss Art. 41 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
Satz 2 KVG richtet, was zur Folge hat, dass die Krankenkasse auch ab 1. Januar 1997 bis auf weiteres die Pflegeheimbeiträge des Kantons Bern, wo sich der Versicherte aufhält, zu entrichten hat. Dementsprechend hat der Versicherte auch die Prämien des Kantons Bern zu bezahlen.
126 V 484 07. Dezember 2000 31. Dezember 2000 Bundesgericht 126 V 484 BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)

Gegenstand Art. 41 Abs. 1 und 2, Art. 50 KVG: Leistungspflicht bei Aufenthalt in einem Pflegeheim. - Die Kostenübernahme für den Aufenthalt

Gesetzesregister
KLV 7
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung
KLV Art. 7 Umschreibung des Leistungsbereichs - 1 Als Leistungen nach Artikel 33 Buchstabe b KVV gelten Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die aufgrund der Bedarfsabklärung nach Absatz 2 Buchstabe a und nach Artikel 8 erbracht werden:55
KVG 24
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 24 Grundsatz - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen gemäss den Artikeln 25-31 nach Massgabe der in den Artikeln 32-34 festgelegten Voraussetzungen.
KVG 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
KVG 31
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 31 Zahnärztliche Behandlungen - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlung, wenn diese:
KVG 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
KVG 34
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 34 Umfang - 1 Die Versicherer dürfen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Artikeln 25-33 übernehmen.
KVG 39
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 39 Spitäler und andere Einrichtungen - 1 Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind zugelassen, wenn sie:
KVG 41
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 41 - 1 Die Versicherten können für die ambulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den gewählten Leistungserbringer gilt.126 127
KVG 50
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 50 Kostenübernahme im Pflegeheim - Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim (Art. 39 Abs. 3) vergütet der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege nach Artikel 25a. Die Absätze 7 und 8 von Artikel 49 sind sinngemäss anwendbar.
ZGB 25
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
BGE Register
BBl