125 IV 237
37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. November 1999 i.S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 100bis
StGB; Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt; Voraussetzungen.
- Eine Einweisung ist auch nach schweren Anlasstaten möglich. In dem Masse aber, in dem der junge Erwachsene in Person und Tat dem Erwachsenenstrafrecht zugeordnet werden muss, erhöhen sich die Anforderungen für eine Einweisung. Gefährliche Gewalttäter gehören nicht in diese Anstalt (E. 6b; Konkretisierung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 100bis CP; conditions du placement en maison d'éducation au travail.
- Un tel placement est possible également en présence de graves infractions. Cependant, dans la mesure où le jeune adulte, pour des motifs relevant de sa personne ou de ses actes, doit être soumis au droit pénal applicable aux adultes, les exigences en vue d'un placement seront plus sévères. Les délinquants violents et dangereux n'ont pas leur place dans une maison d'éducation au travail (consid. 6b; concrétisation de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 100bis CP; condizioni per il collocamento in una casa d'educazione al lavoro.
- Tale collocamento è possibile ugualmente in presenza di reati gravi. Tuttavia, nella misura in cui il giovane adulto, per motivi inerenti alla sua personalità o agli atti da lui commessi, deve soggiacere alle disposizioni applicabili agli adulti, le esigenze ai fini di un collocamento devono essere più rigorose. I delinquenti violenti e pericolosi non devono essere collocati in una casa d'educazione al lavoro (consid. 6b; concretizzazione della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 237
BGE 125 IV 237 S. 237
Das Obergericht des Kantons Zürich fand am 27. November 1998 P. schuldig des Mordes, des mehrfachen Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
|
1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
|
1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
|
1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
BGE 125 IV 237 S. 238
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
6. a) Der Gutachter diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung (unreife Persönlichkeit, krisenhafte Adoleszenzentwicklung). Er sei aber weder psychisch krank noch suchtkrank; er sei körperlich gesund. Auch die Begleitumstände der Tat und das Verhalten nach der Tat wiesen nicht auf eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit oder des Bewusstseins hin. Die Tat stehe letztlich in einem Zusammenhang mit der Störung seiner charakterlichen Entwicklung, wodurch er in eine Lebenssituation geraten sei, in der man ihn mit den Worten des Gesetzes als "verwahrlost" und "arbeitsscheu" bezeichnen könne. Der Gutachter hielt in der Fragebeantwortung eine Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt für zweckmässig, denn der Beschwerdeführer sei in seiner charakterlichen Entwicklung erheblich gestört und weiterhin gefährdet. Seine Tat stehe damit im Zusammenhang. Es lasse sich durch pädagogische Massnahmen eine Nachreifung erreichen und dadurch zweifelsfrei die Gefahr künftiger Delikte vermindern. Die Vorinstanz führt - das Gutachten zusammenfassend - aus, der Beschwerdeführer habe als Kleinkind die Trennung seiner Eltern erlebt, sei aber bei seinen Grosseltern in stabilen Verhältnissen aufgewachsen und habe sich dort wohl gefühlt. Der Vater habe in der Schweiz gearbeitet und durch jährliche Besuche den Kontakt aufrechterhalten. Die Mutter habe ihn regelmässig besucht. Er sei mit 13 Jahren in die Schweiz gekommen, habe aber eine herbe Enttäuschung erlebt, weil sich die Möglichkeit eines freien und kulturell weniger gebundenen Lebens nicht erfüllte. Der Vater habe sich als streng erwiesen und ihn zurück in die Türkei geschickt. Er sei aber bald wieder in die Schweiz gekommen, habe sich vom Vater getrennt, in einem Lehrlingswohnheim gelebt, verschiedene Jobs gefunden und die ersehnten Freiheiten geniessen können. Heute distanziere er sich von seiner "wilden" Jugend mit dem "Zukunftsentwurf": Arbeit, Heirat, Kinder, werde dazu aber noch anstrengende Jahre brauchen. Er habe jedoch eine gute Intelligenz und gute soziale Fähigkeiten, sei nicht grundsätzlich emotional oder erzieherisch verwahrlost und in seiner Persönlichkeitsstruktur nicht chaotisch oder dissozial. Es sei durchaus ein gutes Fundament vorhanden. Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, aufgrund dieser Beurteilung des Gutachters - der durchaus gefolgt werden könne - liessen sich die Voraussetzungen einer Einweisung nicht dartun.
BGE 125 IV 237 S. 239
Wenn auch mit dem Gutachter von einer Störung der charakterlichen Entwicklung gesprochen werden müsse, könne diese nicht als erheblich im Sinne von Art. 100bis
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
BGE 125 IV 237 S. 240
sich der Betroffene infolge einer protrahierten Entwicklungskrise auch entwicklungsmässig noch in einem Übergangsalter befindet (BGE 123 IV 113 E. 4c/bb). Es sollen junge Erwachsene eingewiesen werden, deren Entwicklung sich noch wesentlich beeinflussen lässt und die dieser Erziehung zugänglich erscheinen (BGE 123 IV 113 E. 4c; BGE 118 IV 351 E. 2b und d). Die Einweisung wird daher um so weniger in Betracht kommen, je weniger der Betroffene beeinflussbar erscheint. Damit zusammenhängend sind um so höhere Anforderungen zu stellen, je länger die Strafe gegen einen jungen Erwachsenen zu bemessen wäre (BGE 118 IV 351 E. 2d). Dies widerspricht nicht der Tatsache, dass sich die Frage der schuldangemessenen Strafe grundsätzlich nicht stellt (BGE 118 IV 351 E. 2d und e). Diese Tatsache besagt nur, dass die Einweisung - die an Stelle einer Strafe angeordnet wird (Art. 100bis Ziff. 1
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
BGE 125 IV 237 S. 241
berücksichtigt werden. Erweist sich in dieser Prüfung ein Täter als gefährlich, wird diese Tatsache zum einen eher gegen eine Erziehbarkeit im Sinne von Art. 100bis
![](media/link.gif)
Zusammenfassend ist zu berücksichtigen, dass die Massnahme mit ihren aus dem Jugendstrafrecht hereinwirkenden Gesichtspunkten nach ihrer Zielsetzung auf Täter zugeschnitten ist, die sich nach Persönlichkeitsstruktur und Begehungsweise noch in den weiteren Umkreis der Adoleszenzdelinquenz einordnen lassen. Die straftatrelevanten Entwicklungsdefizite müssen erzieherisch behebbar sein, jedenfalls insoweit, dass angenommen werden kann, dadurch lasse sich künftige Delinquenz verhüten. Schliesslich muss sich ebenfalls prognostisch eine Gefährlichkeit des Einzuweisenden verneinen lassen. Wesentliche Beurteilungskriterien für eine Einweisung bilden demnach Fehlentwicklung, Erziehbarkeit, Delinquenzverhütung und Ungefährlichkeit. Sind die Voraussetzungen von Art. 100
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 100 - Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird. Bei der bedingten Strafe oder beim vorausgehenden Vollzug einer Massnahme beginnt sie mit dem Tag, an dem der Vollzug der Strafe angeordnet wird. |
![](media/link.gif)
BGE 125 IV 237 S. 242
Eine Berufsausbildung ist dem Beschwerdeführer auch im Vollzug möglich und damit verbunden eine gewisse sozialpädagogische Einflussnahme (vgl. auch Art. 46 Ziff. 2
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 46 - 1 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet es in sinngemässer Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe.40 |
|
1 | Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet es in sinngemässer Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe.40 |
2 | Ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf einen Widerruf. Es kann den Verurteilten verwarnen oder die Probezeit um höchstens die Hälfte der im Urteil festgesetzten Dauer verlängern. Für die Dauer der verlängerten Probezeit kann das Gericht Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. Erfolgt die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anordnung. |
3 | Das zur Beurteilung des neuen Verbrechens oder Vergehens zuständige Gericht entscheidet auch über den Widerruf. |
4 | Entzieht sich der Verurteilte der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen, so ist Artikel 95 Absätze 3-5 anwendbar. |
5 | Der Widerruf darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der Probezeit drei Jahre vergangen sind. |
![](media/link.gif)