125 IV 124
19. Urteil des Kassationshofes vom 22. Januar 1999 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 146
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.206 3 Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Die Zechprellerei ist kein Spezialtatbestand, der im Bereich des Gastgewerbes dem Betrug vorgeht, sondern gelangt nur zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des Betrugs nicht erfüllt sind (E. 2c).
- Arglist verneint, weil sich der Hotelgast keiner besonderen Machenschaften bediente, um seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit vorzutäuschen, und es den Hoteliers möglich gewesen wäre, die Zahlungsfähigkeit zu überprüfen (E. 3b).
Regeste (fr):
- Art. 146 CP et art. 149 CP; relation entre la filouterie d'auberge et l'escroquerie, astuce.
- La filouterie d'auberge n'est pas une infraction spéciale qui, dans le domaine de l'hôtellerie et de la restauration, aurait le pas sur l'escroquerie; au contraire, elle ne peut être retenue que si les éléments constitutifs de l'escroquerie ne sont pas réalisés (consid. 2c).
- Astuce non réalisée car le client de l'hôtel n'a pas entrepris des manoeuvres particulières pour faire croire à sa capacité et à sa volonté de payer et l'hôtelier avait la possibilité de vérifier la solvabilité de son hôte (consid. 3b).
Regesto (it):
- Art. 146 CP e art. 149 CP; relazione tra la frode dello scotto e la truffa, astuzia.
- La frode dello scotto non costituisce un reato speciale che, nell'ambito alberghiero e della ristorazione, prevarrebbe sulla truffa; al contrario, essa va ammessa soltanto laddove non siano adempiuti i presupposti della truffa (consid. 2c).
- Assenza d'astuzia non avendo il cliente dell'albergo messo in opera manovre particolari destinate a far credere alla propria volontà e capacità di pagare e avendo l'albergatore avuto la possibilità di verificare la solvibilità dell'ospite (consid. 3b).
Sachverhalt ab Seite 125
BGE 125 IV 124 S. 125
C. liess sich von Ende Januar 1997 bis Anfang August 1997 in der Region Chur sowie in Vororten von Zürich in verschiedenen Hotels über mehrere Tage bis Wochen beherbergen, wobei er die Beherbergungs- und Bewirtungskosten von insgesamt ca. Fr. 8'000.-- nicht oder nur zum Teil bezahlte. Das Kreisgericht Chur verurteilte C. am 4. Dezember 1997 zu vier Monaten Gefängnis unbedingt wegen mehrfacher Zechprellerei. Von der Anklage des Betrugs sprach es ihn frei. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Kantonsgericht von Graubünden am 1. April 1998 das erstinstanzliche Urteil. Die Staatsanwaltschaft Graubünden führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung und Schuldigsprechung von C. wegen Betrugs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1. a) Die Vorinstanz hält fest, dass der Beschwerdegegner die Beherbergung und Verköstigung in den Hotels über das Verschweigen seiner Zahlungsunfähigkeit hinaus nicht durch irgendwelche Vorkehren erschwindelt habe. Das blosse Nichtbezahlen der Rechnung ohne zusätzliche Täuschungsmanöver stelle keine arglistige Täuschung dar, weshalb Betrug zu verneinen und nur der Tatbestand der Zechprellerei erfüllt sei. Dass der Beschwerdegegner in zwei Fällen während des Hotelaufenthalts eine Teilzahlung geleistet und anschliessend den Aufenthalt verlängert habe, ohne die Restschuld zu begleichen, sei nicht als täuschende Vorkehr zu bewerten, sondern weise vielmehr auf den Willen des Beschwerdegegners
BGE 125 IV 124 S. 126
hin, im Rahmen seiner eingeschränkten Möglichkeiten für die beanspruchten Leistungen aufzukommen. b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Beschwerdegegner sei dauernd weder zahlungswillig noch zahlungsfähig gewesen, habe aber mit seinem Auftreten offensichtlich keine Zweifel an seiner Solvenz entstehen lassen und somit seinen Zahlungswillen und seine Zahlungsfähigkeit vorgetäuscht. Für die geschädigten Hoteliers sei es nicht zumutbar gewesen, die vorgetäuschte Zahlungsfähigkeit des Beschwerdegegners zu überprüfen, und es widerspreche den Usanzen im Gastgewerbe, Erkundigungen über die wirtschaftliche Situation eines Gasts einzuholen. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist sei daher gegeben, weshalb der Beschwerdegegner wegen Betrugs und nicht wegen Zechprellerei zu verurteilen sei. Zudem habe er zweimal seinen Aufenthalt verlängert oder eine Anzahlung geleistet im Wissen darum, dass er die Restzahlung nicht werde leisten können, was ebenfalls für Arglist spreche.
2. a) Gemäss Art. 146 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.206 |
3 | Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 125 IV 124 S. 127
Der Tatbestand der Zechprellerei wurde geschaffen, um dem Wirt zusätzlichen Schutz zu gewähren für Fälle, die vom Betrug nicht erfasst werden, weil dessen besondere Tatbestandsmerkmale fehlen. Als Auffangtatbestand bildete sich die Zechprellerei im Laufe des 19. Jahrhunderts im französischen Strafrecht heraus, da der Betrugs-tatbestand des art. 313
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 313 - Ein Beamter, der, um sich oder einen anderen zu bereichern, Taxen, Gebühren oder Vergütungen erhebt, die nicht geschuldet werden oder die gesetzlichen Ansätze überschreiten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. |
3. a) Das Tatbestandsmerkmal der Arglist ist gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines anderen ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient, aber auch, wenn er bloss falsche Angaben macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie wenn er den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses
BGE 125 IV 124 S. 128
unterlassen werde (BGE 122 IV 246 E. 3a). Ebenso ist die alleinige Vortäuschung des Erfüllungswillens nicht in jedem Fall arglistig, sondern nur, wenn die Überprüfung der Erfüllungsfähigkeit unzumutbar oder unmöglich ist und daher auch keine Schlüsse auf den Erfüllungswillen des Täters gezogen werden können (BGE 118 IV 359 E. 2 mit Hinweisen). Bei der Beantwortung der Frage, ob Arglist gegeben sei, ist zudem der Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung zu berücksichtigen. Dabei ist auf die jeweilige Lage und Schutzbedürftigkeit des Betroffenen im Einzelfall abzustellen und zu prüfen, ob er sich allenfalls in einer untergeordneten Stellung befand, die der Täter ausgenützt hat (BGE 120 IV 186 E. 1a und c mit Hinweisen). b) In rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz ausgeführt, dass nicht mehr nur Zechprellerei, sondern Betrug gegeben sei, sobald über das Verschweigen der Zahlungsfähigkeit und des Zahlungswillens hinaus die Beherbergung oder Bewirtung durch zusätzliche Täuschungsmanöver erschwindelt worden sei. In tatsächlicher Hinsicht hält sie fest, dass es vorliegend nicht zu solchen Handlungen gekommen sei. Der Beschwerdegegner habe mit der Anzahlung und der Verlängerung des Hotelaufenthalts lediglich seinem Willen Ausdruck verliehen, die beanspruchten Leistungen entsprechend seinen Möglichkeiten mindestens teilweise zu bezahlen. Diese Feststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich (Art. 277bis
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. |