124 V 253
41. Auszug aus dem Urteil vom 30. Juni 1998 i.S. T. gegen Ausgleichskasse Gross- und Transithandel und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste (de):
- Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. 2 Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.293 3 Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts294 über die unerlaubten Handlungen.295 4 Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.296 5 In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG297 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. 6 Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. - Bei der Beurteilung der Frage, ob die verantwortlichen Arbeitgeberorgane ihren Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Beitragszahlungspflicht nachgekommen sind, ist ein mit der Ausgleichskasse vereinbarter Zahlungsaufschub mit Tilgungsplan mitzuberücksichtigen, soweit dem Beitragspflichtigen damit ein Abweichen von den ordentlichen Zahlungsterminen zugestanden wird (Präzisierung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 52 LAVS: examen du caractère fautif en cas de sursis au paiement assorti d'un plan d'amortissement.
- Pour trancher le point de savoir si les organes d'une personne morale ont observé leur devoir de diligence en relation avec l'obligation de l'employeur de s'acquitter du paiement des cotisations, il y a lieu de prendre en considération un accord passé avec la caisse de compensation prévoyant un sursis au paiement assorti d'un plan d'amortissement, pour autant que cet accord modifie les termes ordinaires de paiement en faveur des débiteurs des cotisations (précision de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 52 LAVS: valutazione della colpa nel caso di proroga dei termini di pagamento con piano d'ammortamento.
- Al fine di valutare se gli organi responsabili abbiano soddisfatto al dovere di diligenza loro incombente in tema d'obbligo del datore di lavoro di pagare i contributi, occorre prendere in considerazione, fra l'altro, un accordo concluso con la cassa di compensazione che prevede una proroga dei termini di pagamento con piano d'ammortamento, ciò nella misura in cui simile accordo modifichi a favore dei debitori dei contributi i termini di pagamento usuali (precisazione della giurisprudenza).
Erwägungen ab Seite 254
BGE 124 V 253 S. 254
Aus den Erwägungen:
3. a) Gegenstand der Schadenersatzforderung gemäss Verfügung vom 30. Oktober 1995 und der Klage vom 15. Dezember 1995 bilden unbezahlt gebliebene paritätische Sozialversicherungsbeiträge aus - der Beitragsrechnung für Dezember 1994 vom 16. Dezember 1994 über 18'624 Franken,
- der Jahresabrechnung 1994 vom 17. Januar 1995 über
Fr. 116'797.35 und
- der Jahresabrechnung 1995 vom 4. August 1995 über
Fr. 90'646.55.
Bis Oktober 1994 ist die X AG der Beitragspflicht ordnungsgemäss nachgekommen. Den Pauschalbetrag für November 1994 hat sie nach erfolgter Mahnung und eingeleiteter Betreibung bezahlt. Für die am 16. Dezember 1994 in Rechnung gestellten Beiträge für Dezember 1994 wurde sie am 5. Februar 1995 gemahnt. Nachdem die Firma bereits zuvor die Jahresabrechnung für 1994 vom 17. Januar 1995 erhalten hatte, ersuchte sie um Zahlungsaufschub, welchem Begehren die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 22. Februar 1995 in der Weise entsprach, dass der geschuldete Restbetrag für 1994 von Fr. 135'421.35 mit einer Zahlung von 18'624 Franken Ende Mai 1995 und monatlichen Zahlungen von Fr. 23'359.45 auf Ende Juli, August, September, Oktober und November 1995 getilgt werden sollte. Gleichzeitig erklärte sich die Ausgleichskasse mit den von der Firma vorgeschlagenen Zahlungsterminen für die Pauschalrechnungen ab Januar 1995 einverstanden. b) In BGE 108 V 202 Erw. 2 hat das Eidg. Versicherungsgericht ausgeführt, dass eine Zahlungsvereinbarung ein grobfahrlässiges Verschulden nicht ausschliesst, weil im Zahlungsaufschub lediglich der Versuch zu erblicken ist, den bereits widerrechtlich eingetretenen Zahlungsrückstand nachträglich wieder in Ordnung zu bringen. Der Zahlungsaufschub vermöge die nicht rechtzeitige Bezahlung sowohl der bereits verfallenen als auch der erst fällig werdenden Beiträge nicht zu entschuldigen bzw. zu rechtfertigen; es frage sich lediglich, ob die Zahlungsrückstände, welche zur Stundung Anlass gegeben hätten, sich durch ein entschuldbares oder gerechtfertigtes Verhalten begründen liessen. Diese (in der nicht publizierten Erw. 8b des in AHI 1994 S. 36 auszugsweise veröffentlichten Urteils K. vom 13. September 1993 bestätigte und auf einer
BGE 124 V 253 S. 255
Verschuldensvermutung beruhende) Rechtsprechung ist dahingehend zu präzisieren, dass ein Zahlungsaufschub mit Tilgungsplan zwar an der Widerrechtlichkeit der nicht ordnungsgemässen Bezahlung der Beiträge nichts ändert und sich die Verschuldensfrage primär nach den Umständen beurteilt, die zum Zahlungsrückstand geführt haben; bei der Beurteilung der Frage, ob die verantwortlichen Organe ihren Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der Beitragszahlungspflicht nachgekommen sind, ist eine Zahlungsvereinbarung jedoch mitzuberücksichtigen, soweit dem Beitragspflichtigen damit ein Abweichen von den ordentlichen Zahlungsterminen zugestanden wird.
4. a) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer T. als einziger Verwaltungsrat der X AG sich kurz nach Erhalt der für den eingetretenen Schaden massgebenden Beitragsforderungen mit der Ausgleichskasse in Verbindung gesetzt und einen Tilgungsplan für die fälligen sowie einen Zahlungsplan für die künftigen Beiträge unterbreitet, welchem die Verwaltung "unter Berücksichtigung kleiner Änderungen" entsprochen hat. Aus der diesbezüglichen Verfügung vom 22. Februar 1995 geht hervor, dass die Beiträge für Januar 1995 bis spätestens Ende März 1995 zu bezahlen waren. Am 12. April 1995 erfolgte die Mahnung für diese Beiträge; am 10. Mai 1995 wurde über die X AG der Konkurs eröffnet. Aufgrund der Verfügung vom 22. Februar 1995, welche - entgegen Art. 38bis Abs. 1
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SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
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1 | Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
2 | Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.293 |
3 | Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts294 über die unerlaubten Handlungen.295 |
4 | Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.296 |
5 | In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG297 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. |
6 | Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. |
BGE 124 V 253 S. 256
bestehen nicht. Am 20. Januar 1995 hatte der Beschwerdeführer für die X AG eine Vereinbarung mit der indischen R. Industries Ltd. abgeschlossen, mit welcher der X AG über eine Aktienkapitalerhöhung neue Mittel zugeflossen wären. Im Rahmen eines unter Mitwirkung der Bank S eingesetzten "Steering-Committees" wurden im Februar/März 1995 weitere Massnahmen zur Behebung der Liquiditätskrise geprüft. Dass diese Massnahmen von vornherein als nicht erfolgversprechend zu betrachten waren, lässt sich nicht sagen. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, war auch die Ausgleichskasse davon ausgegangen, dass es sich bei den finanziellen Schwierigkeiten der X AG um vorübergehende Liquiditätsprobleme handelte, hätte sie andernfalls doch keinen Zahlungsaufschub bewilligen, sondern die ausstehenden Beiträge in Betreibung setzen müssen. Wenn sich die Erwartungen auf eine finanzielle Gesundung der Firma in der Folge nicht erfüllt haben, so berechtigt dies die Verwaltung nicht, die gestundeten Beiträge auf dem Wege einer Schadenersatzforderung nach Art. 52
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SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
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1 | Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
2 | Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.293 |
3 | Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts294 über die unerlaubten Handlungen.295 |
4 | Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.296 |
5 | In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG297 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat. |
6 | Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen. |