124 IV 280
47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Oktober 1998 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 13e
ANAG und Art. 23a
ANAG.
- Die Missachtung einer fremdenpolizeilichen Verfügung betreffend Ausgrenzung oder Eingrenzung ist nur dann strafbar, wenn sich der Vollzug der Weg- oder Ausweisung des Ausländers als undurchführbar erweist. Massgebend sind insoweit die Verhältnisse nicht zur Zeit der Tat, sondern im Zeitpunkt des Urteils (E. 2). Verzicht auf die Anordnung des Vollzugs von einschlägigen Vorstrafen (E. 3).
Regeste (fr):
- Art. 13e LSEE et art. 23a LSEE.
- L'inobservation d'une interdiction de la police des étrangers de quitter un territoire ou de pénétrer dans une région n'est punissable que si l'exécution du renvoi ou de l'expulsion est impossible. Sont déterminantes les circonstances existant au moment du prononcé du jugement, non pas au moment de l'acte (consid. 2).
- Renonciation à ordonner l'exécution de peines antérieures prononcées pour des infractions de nature semblable (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 13e LDDS e 23a LDDS.
- L'inosservanza di un divieto della polizia degli stranieri di abbandonare o di accedere a un dato territorio, è punibile solo quando l'esecuzione dell'allontanamento o dell'espulsione è inattuabile. Determinanti sono le circostanze sussistenti al momento del giudizio, non quelle al momento dell'atto (consid. 2).
- Rinuncia ad ordinare l'esecuzione di condanne anteriori pronunciate per infrazioni simili (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 280
BGE 124 IV 280 S. 280
A.- Mit Verfügung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich vom 22. Juli 1997 wurde B. das Betreten der Stadt Zürich verboten. Am Abend des 16. Januar 1998 begab sich B. nach Zürich, um mit einem Kollegen eine Diskothek aufzusuchen.
BGE 124 IV 280 S. 281
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte B. am 19. Januar 1998 wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer im Sinne von Art. 23a
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2. a) Durch das Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Februar 1995, sind dem Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) mehrere neue Bestimmungen beigefügt worden, nämlich Art. 13a-13e und Art. 23a. Um die Durchführung eines Wegweisungsverfahrens sicherzustellen, kann die zuständige kantonale Behörde einen Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt, während der Vorbereitung des Entscheides über seine Aufenthaltsberechtigung gemäss Art. 13a
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BGE 124 IV 280 S. 282
b, c oder e vorliegen. Diese Haft im Sinne von Art. 13b
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BGE 124 IV 280 S. 283
Gesetz ergebenden Vorrangs der Ausschaffung vor einer Bestrafung muss der Strafrichter bei der Beurteilung der Missachtung einer Aus- bzw. Eingrenzungsverfügung auf die (ihm bekannten) Verhältnisse zur Zeit des Urteils abstellen. Dies gilt auch dann, wenn, wie offenbar im vorliegenden Fall, zur Zeit der Tat eine Ausschaffung des Ausländers und daher auch die Anordnung einer fremdenpolizeilichen Haft in Anbetracht der damaligen (den Behörden bekannten) Verhältnisse ausser Betracht fiel, diese Verhältnisse bzw. der Kenntnisstand der Behörden sich in der Folge, und sei es auch erst kurz vor der Ausfällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, dergestalt geändert haben, dass eine Ausschaffung möglich geworden ist. Auch in diesem Fall sind allein die den Behörden bekannten Verhältnisse zur Zeit des Urteils massgebend. Dass der Ausländer trotz Missachtung einer Aus- bzw. Eingrenzungsverfügung im Sinne von Art. 13e
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BGE 124 IV 280 S. 284
abhängt, die sich im Laufe der Zeit, sowohl zwischen der Tat und der Urteilsfällung als auch noch nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils, ändern können. d) Im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Berufungsurteils vom 2. März 1998 war der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdegegners durchführbar, da die jugoslawischen Behörden mit Schreiben vom 6. Januar 1998 ihre Zustimmung für die Ausstellung eines "Laissez-passer" für den Beschwerdegegner erteilt haben, wie das Bundesamt für Flüchtlinge mit Schreiben vom 20. Januar 1998 der Fremdenpolizei des Kantons Zürich mitteilte. Damit waren im Zeitpunkt der Urteilsfällung, der massgebend ist, die Voraussetzungen für eine Bestrafung des Beschwerdegegners gemäss Art. 23a
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3. Der Beschwerdeführer ist durch Strafbefehle der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 4. September 1997 und vom 25. Dezember 1997 zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von 30 Tagen beziehungsweise 90 Tagen verurteilt worden, weil er sich am 3. September 1997 bzw. am 24. Dezember 1997 in Missachtung der Ausgrenzungsverfügung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich vom 22. Juli 1997 in der Stadt Zürich aufgehalten hatte. a) Die 1. Instanz, die den Beschwerdegegner wegen Widerhandlung im Sinne von Art. 23a
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BGE 124 IV 280 S. 285
durch die erneute Missachtung der Ausgrenzungsverfügung während den Probezeiten jedenfalls im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
b) Ein bestimmtes Verhalten, das etwa wegen Fehlens eines Tatbestandsmerkmales, einer objektiven Strafbarkeitsbedingung oder einer Prozessvoraussetzung nicht strafbar ist, soll nicht kurzerhand als Täuschung des Vertrauens in anderer Weise im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt abzuweisen.