123 II 225
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. April 1997 i.S. D. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 16 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 32 Freiwillige Rückgabe des Führerausweises - Wird der Führerausweis der Behörde freiwillig zurückgegeben, so hat dies die Wirkung eines Entzuges. Die Behörde hat die Rückgabe schriftlich zu bestätigen.
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden.
- Bei der Festsetzung der Dauer des Führerausweisentzuges wegen Fahrens trotz Ausweisentzug darf der nicht verbüsste Rest der früheren rechtskräftigen Massnahme nicht berücksichtigt werden; die Entzugsbehörde hat dafür gegebenenfalls eine neue, selbständige Vollzugsanordnung zu treffen (E. 2a/bb; Änderung der Rechtsprechung).
- Die gesetzliche Mindestsanktionsdauer von sechs Monaten bei Fahren trotz Führerausweisentzug kann in leichten Fällen unterschritten werden (E. 2b/bb). Ein Führerausweisentzug von etwas mehr als zwei Monaten ist bei besonders leichtem Verschulden des fehlbaren Automobilisten unverhältnismässig (E. 2b/cc).
- Offengelassen, ob die Massnahmebehörde in besonders leichten Fällen auch die Mindestentzugsdauer von einem Monat gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden.
Regeste (fr):
- Art. 16 al. 3 LCR en relation avec l'art. 32 al. 1 OAC, art. 17 al. 1 let. a et c LCR; retrait de permis en cas de conduite malgré le retrait du permis.
- Il n'y a pas lieu de prendre en considération le solde non subi d'une mesure précédente passée en force, pour fixer la durée du retrait de permis (pour circulation malgré le retrait du permis); l'autorité compétente doit le cas échéant prendre pour cela une nouvelle décision indépendante (consid. 2a/bb; changement de jurisprudence).
- Dans les cas de peu de gravité, une mesure inférieure à la durée minimum de six mois de retrait prévue pour sanctionner une conduite malgré le retrait du permis peut être ordonnée (consid. 2b/bb). Un retrait de permis d'un peu plus de deux mois est exagéré en cas de faute particulièrement légère de l'automobiliste fautif (consid. 2b/cc).
- Demeure ouverte la question de savoir si l'autorité compétente peut, selon les circonstances, doit même descendre au-dessous de la durée minimum d'un mois prévue par l'art. 17 al. 1 LCR dans les cas de particulièrement peu de gravité (consid. 2b/cc).
Regesto (it):
- Art. 16 cpv. 3 LCStr in combinazione con l'art. 32 cpv. 1 OAC, art. 17 cpv. 1 lett. a e c LCStr; revoca della licenza in caso di guida nonostante la revoca della licenza.
- Al fine di determinare la durata della revoca della licenza per aver guidato nonostante la revoca della licenza, non va presa in considerazione la parte restante, non eseguita, del precedente provvedimento passato in giudicato; a questo proposito, l'autorità competente deve se del caso pronunciare una nuova ed indipendente decisione d'esecuzione (consid. 2a/bb; cambiamento di giurisprudenza).
- Nei casi di lieve gravità, la durata della revoca può essere inferiore alla durata legale minima di sei mesi prevista per il conducente che ha guidato nonostante la revoca della licenza (consid. 2b/bb). Una revoca della licenza di poco più di due mesi è sproporzionata qualora la colpa del conducente sia particolarmente lieve (consid. 2b/cc).
- Resta irrisolta la questione se, nei casi di gravità particolarmente lieve, l'autorità competente possa o, secondo le circostanze, addirittura debba scendere al di sotto della durata minima di un mese prevista dall'art. 17 cpv. 1 LCStr (consid. 2b/cc).
Sachverhalt ab Seite 226
BGE 123 II 225 S. 226
A.- Mit Verfügung vom 3. März 1995 entzog das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen (SVA) D. den Führerausweis für die Dauer von neun Monaten wegen wiederholter Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit. Diese Verfügung wurde D. zusammen mit der Aufforderung, seinen Ausweis bis spätestens am Morgen des 28. März 1995 abzugeben,
BGE 123 II 225 S. 227
sowohl mit gewöhnlicher als auch mit eingeschriebener Briefpostsendung zugesandt. D. erhielt den uneingeschriebenen Brief nicht und holte die eingeschriebene Sendung innert der siebentägigen Abholfrist bei der Post nicht ab. Entgegen der von ihm zuvor mit dem dafür zuständigen Postbüro Bazenheid getroffenen mündlichen Vereinbarung, wonach dieses seine Post jeweils während 14 Tagen zurückbehalten sollte, bis ein definitiver Nachsendungsauftrag erfolgte, sandte eine Postangestellte die Verfügung nach Ablauf der Abholfrist an das SVA zurück. Wäre der Auftrag richtig ausgeführt worden, hätte der Beschwerdeführer rechtzeitig vom ausgesprochenen Führerausweisentzug erfahren. In Unkenntnis vom Führerausweisentzug lenkte D. seinen Personenwagen zwischen dem 28. März und dem 24. April 1995 regelmässig. Er gab seinen Führerausweis erst auf polizeiliche Intervention hin am 28. April 1995 ab.
B.- Das Bezirksamt Alttoggenburg sprach D. mit Strafbescheid vom 23. August 1995 der verspäteten Abgabe des entzogenen Führerausweises sowie des mehrfachen Führens eines Personenwagens trotz Führerausweisentzuges, fahrlässig begangen, schuldig und verurteilte ihn zu 12 Tagen Haft, bedingt, sowie zu einer Busse von Fr. 600.--. Der Strafbescheid erwuchs in Rechtskraft.
C.- Mit Verfügung vom 6. November 1995 entzog das SVA St. Gallen D. den Führerausweis für die Dauer von sieben Monaten. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hiess einen dagegen erhobenen Rekurs am 25. September 1996 teilweise gut und setzte die Dauer des Führerausweisentzuges auf drei Monate herab; im übrigen bestätigte es die angefochtene Verfügung.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission aufzuheben und von einer Administrativmassnahme abzusehen; eventualiter sei maximal eine Verwarnung auszusprechen; subeventualiter sei ein Führerausweisentzug für die Dauer eines Monats anzuordnen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2. Nach den Ausführungen der Vorinstanz ist das Verschulden des Beschwerdeführers aufgrund der Umstände und des Mitverschuldens der Poststelle Bazenheid als gering zu werten. Es liege ein besonders leichter Fall vor, weshalb die gesetzlich vorgeschriebene zwingende Entzugsdauer von 6 Monaten gemäss Art. 17 Abs. 1
BGE 123 II 225 S. 228
lit. c SVG (SR 741.01) unterschritten werden könne. Doch sei die Mindestentzugsdauer von einem Monat gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 22 - 1 Die Ausweise werden von den Verwaltungsbehörden erteilt und entzogen. Zuständig ist für Fahrzeuge der Standortkanton, für Führer der Wohnsitzkanton. Der Bundesrat kann auf den Umtausch des Führerausweises bei Wohnsitzwechsel verzichten und für Militärfahrzeuge und ihre Führer eidgenössische Ausweise vorsehen.90 |
BGE 123 II 225 S. 229
Rahmen eines neuen Entzugsverfahrens zusätzlich einen "Nachvollzug" des nicht verbüssten Teils der früheren Massnahme anzuordnen. Damit wird gewährleistet, dass getrennt voneinander zu beurteilende Sachverhalte nicht miteinander vermengt werden und unter anderem auch die Aussagekraft des Eintrages der verfügten rechtskräftigen Massnahme in dem vom Bundesamt für Polizeiwesen geführten Register (Art. 118

SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung VZV Art. 118 |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |

SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung VZV Art. 32 Freiwillige Rückgabe des Führerausweises - Wird der Führerausweis der Behörde freiwillig zurückgegeben, so hat dies die Wirkung eines Entzuges. Die Behörde hat die Rückgabe schriftlich zu bestätigen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |

SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung VZV Art. 33 Umfang des Entzuges - 1 Der Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises einer Kategorie oder Unterkategorie hat den Entzug des Lernfahr- und des Führerausweises aller Kategorien, aller Unterkategorien und der Spezialkategorie F zur Folge.178 |
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1 | Der Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises einer Kategorie oder Unterkategorie hat den Entzug des Lernfahr- und des Führerausweises aller Kategorien, aller Unterkategorien und der Spezialkategorie F zur Folge.178 |
2 | Der Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises einer Spezialkategorie hat den Entzug des Lernfahr- und des Führerausweises aller Spezialkategorien zur Folge. |
3 | Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn ein Entzug aus medizinischen Gründen verfügt wird. |
4 | Die Entzugsbehörde kann: |
a | mit dem Lernfahr- oder dem Führerausweis einer Kategorie oder Unterkategorie auch den Führerausweis der Spezialkategorien G und M entziehen; |
b | mit dem Lernfahr- oder dem Führerausweis einer Spezialkategorie auch den Lernfahr- oder den Führerausweis der Kategorien und Unterkategorien entziehen. |
5 | Die kantonale Behörde kann Ausweisinhabern eine Bewilligung für Fahrten während des Lernfahr- oder des Führerausweisentzugs erteilen, sofern diese zu ihrer Berufsausübung notwendig sind. Sie legt die Einzelheiten der bewilligten Fahrten in ihrer Verfügung fest. Voraussetzung ist, dass der Ausweis: |
a | wegen einer leichten Widerhandlung nach Artikel 16a SVG entzogen wird; |
b | nicht auf unbestimmte Zeit oder für immer entzogen wird; und |
c | in den vorangegangenen fünf Jahren nicht mehr als einmal entzogen worden ist.180 |
6 | In Härtefällen kann die kantonale Behörde unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestdauer den Ausweisentzug je Kategorie, Unterkategorie oder Spezialkategorie für eine unterschiedliche Dauer verfügen.181 |
BGE 123 II 225 S. 230
sechs Monaten in besonders leichten Fällen unterschreiten, müssen dabei aber die Mindestentzugsdauer von einem Monat gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 100 - 1. Bestimmt es dieses Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist auch die fahrlässige Handlung strafbar. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |
BGE 123 II 225 S. 231
werden kann. Dagegen wendet sich in Wahrheit auch der Beschwerdeführer, wenn er eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" rügt. Daraus folgt, dass die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten und damit Bundesrecht verletzt hat, indem sie trotz des besonders leichten Verschuldens des Beschwerdeführers und seines nur in untergeordnetem Masse massnahmeschärfend zu berücksichtigenden automobilistischen Leumunds einen Führerausweisentzug für die Dauer von etwas mehr als zwei Monaten verfügte. Im Rahmen der neuen Beurteilung wird sich die kantonale Instanz losgelöst von einem allfälligen "Nachvollzug" über die dem Verschulden des Beschwerdeführers angemessene Massnahme aussprechen müssen. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob die Massnahmebehörde in besonders leichten Fällen die Mindestentzugsdauer von einem Monat gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |