Urteilskopf

120 IV 260

43. Urteil der Anklagekammer vom 26. September 1994 i.S. Bankinstitute der Städte Zürich und Genf sowie des Kantons Tessin gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 261

BGE 120 IV 260 S. 261

Erwägungen:

1. Mit Verfügungen vom 5. September 1994 verlangt die Schweizerische Bundesanwaltschaft im Verfahren Ref. No. 126/94, welches bezwecke, aus dem Betäubungsmittelhandel stammende Gelder aufzuspüren, zu beschlagnahmen und einzuziehen, von allen Bankinstituten der Stadt Zürich, der Stadt Genf sowie des Kantons Tessin zu überprüfen, ob Bankkonten, Depots bzw. Vermögenswerte in der Verfügbarkeit von 60 namentlich aufgeführten Personen bestünden, wobei abzuklären sei, ob diese Inhaber, Bevollmächtigte, Gesellschaftsorgane oder wirtschaftlich Berechtigte seien; das Ergebnis der Überprüfung sei unverzüglich der Schweizerischen Bundesanwaltschaft bekanntzugeben. Den Banken wird untersagt, die Verfügung den Kunden zur Kenntnis zu bringen; das Beschwerderecht werde durch die anschliessende Beschlagnahmeverfügung gewahrt sein.
2. a) Die Adressaten der Verfügung, verschiedene Bankinstitute in Zürich, Bern und im Kanton Tessin, wenden sich mit Beschwerde gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP an die Anklagekammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, die Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 5. September 1994 aufzuheben. b) Die meisten Adressaten der angefochtenen Verfügung haben gleichzeitig die Kopie einer Beschwerde an den Bundesrat gemäss Art. 14 Abs. 1 BStP in Verbindung mit Art. 72 lit. b
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 72 - Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen:
a  Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  erstinstanzliche Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals.
VwVG (SR 172.021) beigelegt oder darauf hingewiesen, dass eine solche ebenfalls erhoben worden sei. c) Die angefochtenen drei Verfügungen haben denselben Inhalt; es handelt sich um dieselbe Verfügung in den drei Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Identität des Anfechtungsgegenstandes rechtfertigt es, die Beschwerden in einem Urteil zu erledigen. In Anwendung von Art. 37 Abs. 3
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 72 - Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen:
a  Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  erstinstanzliche Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals.
OG wird das Urteil in einer der Amtssprachen verfasst; da eine der
BGE 120 IV 260 S. 262

Verfügungen auch in deutscher Sprache verfasst ist und davon ausgegangen werden darf, dass alle Parteien bzw. deren Vertreter diese Sprache verstehen, wird das Urteil deutsch abgefasst. d) Auf eine Vernehmlassung der Bundesanwaltschaft wird verzichtet, da sich die Beschwerden als offensichtlich unzulässig erweisen.
3. a) Die angefochtenen Verfügungen stützen sich ausdrücklich auf Art. 101bis BStP. Nach dieser Bestimmung kann die gerichtliche Polizei (vgl. dazu Art. 17 Abs. 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 72 - Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen:
a  Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  erstinstanzliche Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals.
BStP), die unter der Leitung des Bundesanwalts steht (Art. 17 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 72 - Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen:
a  Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  erstinstanzliche Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals.
BStP) mündliche und schriftliche Auskünfte einholen. Die Bestimmung entspricht Art. 40
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 40 - Der untersuchende Beamte kann mündliche oder schriftliche Auskünfte einholen oder Auskunftspersonen einvernehmen; wer auf Grund des Zeugnisverweigerungsrechts die Aussage verweigern kann, ist vorher darauf aufmerksam zu machen.
VStrR (SR 313.0) (vgl. BBl 1990 III 1232). Auskunftsersuchen unterliegen, wie andere Amtshandlungen der gerichtlichen Polizei, der Beschwerde an den Bundesanwalt (Art. 105bis Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 40 - Der untersuchende Beamte kann mündliche oder schriftliche Auskünfte einholen oder Auskunftspersonen einvernehmen; wer auf Grund des Zeugnisverweigerungsrechts die Aussage verweigern kann, ist vorher darauf aufmerksam zu machen.
BStP). Stellt wie im vorliegenden Fall der Bundesanwalt selber das Auskunftsbegehren, so entfällt diese Beschwerdemöglichkeit; die angefochtenen Verfügungen enthalten denn auch keine Rechtsmittelbelehrung, sondern den Hinweis, dass das Beschwerderecht durch eine anschliessende Beschlagnahmeverfügung gewahrt sein werde. Es ist zu prüfen, ob solche Amtshandlungen dennoch der Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts unterliegen. b) Gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP kann gegen Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende Amtshandlungen, die der Bundesanwalt angeordnet oder bestätigt hat, innert 10 Tagen bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Die Bezeichnung des möglichen Anfechtungsobjektes deckt sich mit derjenigen von Art. 26 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 26 - 1 Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
2    Die Beschwerde ist einzureichen:
a  wenn sie gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung gerichtet ist: bei der Beschwerdekammer;
b  in den übrigen Fällen: beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung.
3    Berichtigt der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung in den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andernfalls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten.
VStrR. Dass dies kein Zufall ist, sondern vielmehr der Absicht des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aus der bundesrätlichen Botschaft vom 16. Oktober 1990, nach welcher "wie im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. Art. 26 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 26 - 1 Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
2    Die Beschwerde ist einzureichen:
a  wenn sie gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung gerichtet ist: bei der Beschwerdekammer;
b  in den übrigen Fällen: beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung.
3    Berichtigt der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung in den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andernfalls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten.
VStrR) auch mit Zwangsmassnahmen zusammenhängende weitere Amtshandlungen bei der Anklagekammer angefochten werden können" (BBl 1990 III 1235). Der Gesetzgeber wollte damit offensichtlich die Überprüfung der Massnahmen und Handlungen im Bundesstrafprozess gleich regeln, wie dies bereits im Verwaltungsstrafverfahren geschehen ist. Als Zwangsmassnahmen werden in der bundesrätlichen Botschaft ausdrücklich erwähnt: Verhaftung, vorläufige Festnahme, Beschlagnahme, Untersuchung und Durchsuchung sowie die Einziehung (BBl 1988 II 505, vgl. auch BBl 1990 III
BGE 120 IV 260 S. 263

1226 und 1235). Auch nach der Gesetzessystematik des Verwaltungsstrafrechts zählen zu den Zwangsmassnahmen (Dritter Titel, zweiter Abschnitt, zweiter Unterabschnitt, Buchstabe F) die Beschlagnahme (II.), die Durchsuchung von Personen, Räumen (III.) und Papieren (IV.), die vorläufige Festnahme (V.) und die Verhaftung (VI.). Dies ergibt sich schon aus Art. 45
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
VStrR, welcher als allgemeine Bestimmung für die Zwangsmassnahmen diese ausdrücklich aufführt, sowie aus dem klaren Wortlaut von Art. 26 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 26 - 1 Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
2    Die Beschwerde ist einzureichen:
a  wenn sie gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung gerichtet ist: bei der Beschwerdekammer;
b  in den übrigen Fällen: beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung.
3    Berichtigt der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung in den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andernfalls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten.
VStrR, welcher dem Begriff Zwangsmassnahmen in Klammern den Verweis auf Art. 45 ff
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
. beifügt. Damit wird klar zum Ausdruck gebracht, dass nur die gemäss Art. 45 ff
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
. VStrR verfügten Massnahmen als - der Beschwerde an die Anklagekammer unterliegende - Zwangsmassnahmen zu betrachten sind. Da entsprechend einem allgemeinen Grundsatz in verschiedenen Bundesgesetzen verwendete identische Begriffe auch gleich auszulegen sind, sind zu den Zwangsmassnahmen gemäss Art. 105bis
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
BStP nur die in den Art. 45 ff
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
. VStrR aufgeführten zu zählen. c) Nicht zu den Zwangsmassnahmen in diesem Sinne sind Auskunftsbegehren gemäss Art. 101bis BStP zu zählen. Denn diese Bestimmung "ist die gesetzliche Umschreibung einer bereits vorher geübten Praxis und entspricht im übrigen Artikel 40 des Verwaltungsstrafrechts" (BBl 1990 III 1232). Art. 40
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 40 - Der untersuchende Beamte kann mündliche oder schriftliche Auskünfte einholen oder Auskunftspersonen einvernehmen; wer auf Grund des Zeugnisverweigerungsrechts die Aussage verweigern kann, ist vorher darauf aufmerksam zu machen.
VStrR, welcher im Wortlaut mit Art. 101bis BStP übereinstimmt, findet sich indessen gesetzessystematisch - unter Buchstabe C "Einvernahmen, Auskünfte" - vor der Regelung der Zwangsmassnahmen (Buchstabe F, Art. 45 ff.) und kann schon deshalb nicht zu diesen gezählt werden. d) Es bleibt zu prüfen, ob ein Ersuchen um Auskunft als eine mit einer Zwangsmassnahme zusammenhängende Amtshandlung zu betrachten ist. Solange noch keine Zwangsmassnahme angeordnet wurde, kann grundsätzlich auch nicht von einer damit zusammenhängenden Amtshandlung gesprochen werden. Eine solche ist etwa dann gegeben, wenn gegenüber dem verhafteten Beschuldigten dessen Anspruch auf Besuch durch seinen Anwalt beschränkt wird; denn eine solche Massnahme hängt mit der - bereits angeordneten - Zwangsmassnahme der Verhaftung zusammen (unveröffentlichtes Urteil der Anklagekammer vom 15. September 1993 i.S. G. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft, E. 3, in welchem Verfahren in bezug auf die Zuständigkeit ein Meinungsaustausch mit dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement durchgeführt wurde). Andererseits
BGE 120 IV 260 S. 264

bildet die Beschlagnahme von bei einer Bank befindlichen Gegenständen, verbunden mit der Einräumung einer Frist für deren Herausgabe, eine blosse Aufforderung, diese bereitzustellen und damit weder eine Zwangsmassnahme noch eine damit zusammenhängende Massnahme, da noch nicht feststeht, ob überhaupt eine Beschlagnahme erfolgen wird und welche Gegenstände davon betroffen sein werden (unveröffentlichtes Urteil der Anklagekammer vom 12. März 1993 i.S. Schweiz. Volksbank gegen Direktion des I. Zollkreises, E. 2). Gleich verhält es sich mit einer Verfügung, in welcher eine Bank aufgefordert wird, Belege über die geschäftlichen Beziehungen von namentlich bezeichneten Kunden vorzulegen, verbunden mit der Ankündigung, dass schliesslich nur jene Dokumente beschlagnahmt würden, die als Beweismittel in Frage kämen; da weder eine Durchsuchung erfolgte noch Papiere beschlagnahmt wurden, sondern bloss angekündigt wurde, dass solche Zwangsmassnahmen bevorstünden, liegt darin keine Zwangsmassnahme oder eine damit zusammenhängende Amtshandlung (Verfügung des Präsidenten der Anklagekammer vom 16. Juni 1994 i.S. A. gegen Oberzolldirektion). e) Die angefochtene Verfügung verlangt gemäss Art. 101bis BStP Auskünfte bei den betreffenden Banken über Bankkonti, Depots und Vermögenswerte von 60 namentlich erwähnten Personen. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass auf entsprechende Benachrichtigung durch die Bank, wonach Vermögenswerte bestünden, ein Einziehungsverfahren mit Ausstellen eines begründeten Beschlagnahmebefehls eingeleitet werde. Ein solches Ersuchen um Auskünfte über Konti, Depots und Vermögenswerte ist keine mit Beschwerde an die Anklagekammer anfechtbare Zwangsmassnahme - wie die eigentliche Beschlagnahmeverfügung -, sondern die blosse Aufforderung, die entsprechenden Informationen mitzuteilen. Damit steht aber noch gar nicht fest, ob überhaupt eine eigentliche Zwangsmassnahme verfügt wird und welche Gegenstände und Vermögenswerte davon betroffen sein werden. Das Ersuchen um Auskünfte kann nach dem oben Gesagten auch nicht als mit einer Zwangsmassnahme zusammenhängende Amtshandlung bezeichnet werden, die mit Beschwerde an die Anklagekammer angefochten werden könnte.
4. Das vorliegende Urteil erübrigt einen Entscheid über die Gesuche um aufschiebende Wirkung.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 120 IV 260
Datum : 26. September 1994
Publiziert : 31. Dezember 1994
Quelle : Bundesgericht
Status : 120 IV 260
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 101bis und 105bis Abs. 2 BStP; Ersuchen um Auskünfte. Ein Ersuchen der Bundesanwaltschaft um Auskunft über das Bestehen


Gesetzesregister
BStP: 14  17  101bis  105bis
OG: 37
VStrR: 26 
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 26 - 1 Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammenhängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
2    Die Beschwerde ist einzureichen:
a  wenn sie gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung gerichtet ist: bei der Beschwerdekammer;
b  in den übrigen Fällen: beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung.
3    Berichtigt der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung in den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andernfalls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten.
40 
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 40 - Der untersuchende Beamte kann mündliche oder schriftliche Auskünfte einholen oder Auskunftspersonen einvernehmen; wer auf Grund des Zeugnisverweigerungsrechts die Aussage verweigern kann, ist vorher darauf aufmerksam zu machen.
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SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
VwVG: 72
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 72 - Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen:
a  Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
b  erstinstanzliche Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals.
BGE Register
120-IV-260
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anklagekammer • beschwerde an die anklagekammer • buchstabe • sprache • bundesgericht • verwaltungsstrafverfahren • verwaltungsstrafrecht • gerichtliche polizei • entscheid • festnahme • anfechtungsgegenstand • kommunikation • bundesgesetz über das verwaltungsstrafrecht • bundesgesetz über das verwaltungsverfahren • gesuch an eine behörde • akte • sicherstellung • begründung des entscheids • leibesvisitation • beschlagnahme
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BBl
1988/II/505 • 1990/III/1232 • 1990/III/1235