120 Ia 265
41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Dezember 1994 i.S. Steinemann AG gegen Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen; politische Gemeinde Oberuzwil (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio.
- Bundesverfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtsgrundlage für die Erhebung von kommunalen Erschliessungsabgaben; eine Blankodelegation an die Gemeinde-Exekutive genügt nicht (E. 2).
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.: base légale pour le prélèvement de taxes, principes de l'équivalence et de la couverture des frais.
- Exigences d'une base légale formelle, telles qu'elles découlent de la Constitution fédérale, pour le prélèvement de taxes d'équipement communales; une délégation à l'exécutif communal sous forme de blanc-seing ne suffit pas (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.: base legale per il prelievo di tasse, principi dell'equivalenza e della copertura dei costi.
- Esigenze costituzionali in materia di base legale per il prelievo di tasse di urbanizzazione o comunali; non è sufficiente una delega in bianco all'esecutivo comunale (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 265
BGE 120 Ia 265 S. 265
Im Jahre 1987 wurde die Liegenschaft Nr. 1712 der Steinemann AG in Oberuzwil/SG an das Abwasserkanalisationsnetz angeschlossen. Die Gemeinde Oberuzwil veranlagte die Grundeigentümerin am 18. April 1988 für verschiedene Gebäude (Fabrikhalle, Verwaltungs- und Lagergebäude, Schuppen) mit Gewässerschutzbeiträgen von insgesamt Fr. 231'735.--. Eine hiergegen erhobene Einsprache wies der Gemeinderat am 11. Januar 1991 ab. Die Steinemann AG verlangte mit Rekurs vom 22. Januar/22. Februar 1991, den Einspracheentscheid und die Rechnungsverfügungen vollumfänglich
BGE 120 Ia 265 S. 266
aufzuheben und die Gewässerschutzbeiträge auf "total und maximal" Fr. 80'000.-- festzusetzen. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen wies den Rekurs am 18. Mai 1992 ab. Eine dagegen eingereichte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 27. November 1992 abgewiesen. Die Steinemann AG hat staatsrechtliche Beschwerde eingereicht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4
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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage im Abgaberecht die Bedeutung eines verfassungsmässigen Rechts zu, dessen Verletzung selbständig, unmittelbar gestützt auf Art. 4
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BGE 120 Ia 265 S. 267
(obligatorischen oder fakultativen) Referendum unterstand (vgl. RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 12 Ziff. VII S. 34; vgl. auch BGE 97 I 792 E. 7 S. 804 f., BGE 118 Ia 320 E. 3 S. 323 f., mit Hinweisen; Urteil des Obergerichts Schaffhausen vom 23. Februar 1979 in: ZBl 80/1979 S. 78 ff.); eine Blankodelegation an die Gemeindeexekutive zur Festsetzung von öffentlichen Abgaben vermag hingegen dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage nicht zu genügen (vgl. BGE 118 Ia 320 ff. betreffend Gebühren für die Trinkwasserversorgung). b) Das sanktgallische Einführungsgesetz zum eidgenössischen Gewässerschutzgesetz enthält unter anderem Bestimmungen über die von den Gemeinden zwecks Finanzierung der Abwasserentsorgung zu erhebenden Beiträge (Art. 12-15 EGzGschG). Ob es sich dabei um eine Kompetenzausscheidung zwischen Kanton und Gemeinden handelt, wie das Verwaltungsgericht annimmt, oder um eine Delegation an den kommunalen Gesetzgeber (vgl. dazu grundsätzlich YVO HANGARTNER, Rechtsetzung durch Gemeinden, in: Aktuelle Probleme des Staats- und Verwaltungsrechts, Festschrift für Otto K. Kaufmann, Bern und Stuttgart 1989, S. 209 ff.), kann offenbleiben. Die kantonalen Vorgaben sind jedenfalls nicht bereits derart bestimmt, dass die erforderliche Konkretisierung unmittelbar durch eine Verordnung der Gemeindeexekutive erfolgen könnte. Das Verwaltungsgericht sieht die formell-gesetzliche Grundlage denn auch - zu Recht - nicht in diesen kantonalen Bestimmungen, sondern im kommunalen Reglement vom 14. Mai 1974 über die Finanzierung der Aufwendungen für den Gewässerschutz (GFR). Die Voraussetzungen, die es rechtfertigen würden, das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage zu lockern, sind vorliegend nicht gegeben: Wo es wie hier um die Finanzierung von kommunalen Versorgungsanlagen mit offenem Benützerkreis und nicht klar abgrenzbaren Kosten (für Erweiterungen, Sanierungen, Unterhalt, Rückstellungen usw.) geht, vermag weder das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip eine wirksame Begrenzung der Gebühren und Beiträge sicherzustellen und damit die dem Gesetzesvorbehalt zugedachte Schutzfunktion zugunsten des Abgabepflichtigen zu übernehmen; insbesondere ist mit der blossen Feststellung, dass der Gesamtertrag der Abgaben die Gesamtkosten der Anlage nicht übersteigen und dass die Abgabe nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf beziehungsweise sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss, noch nicht gesagt, in welcher Form und in welchem Ausmass die
BGE 120 Ia 265 S. 268
einzelnen Benützerkategorien zur Finanzierung herangezogen werden sollen (vgl. BGE 118 Ia 320 E. 4 S. 325 f.). Das fragliche Gebührenreglement wurde vom Gemeinderat (Exekutive) erlassen und unterstand dem (fakultativen) Referendum unbestrittenermassen nicht; es stellt insofern, wie die Beschwerdeführerin zu Recht kritisiert, keine taugliche, den bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 4
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BGE 120 Ia 265 S. 269
Stimmbürger (auch) mit der Abstimmung über das Abwasserreglement im Jahre 1984 keine Möglichkeit, in bundesverfassungsrechtlich genügender Weise am umstrittenen Gebührenreglement 1974 mitzuwirken. Die hierauf gestützten angefochtenen Beiträge verletzen somit das Legalitätsprinzip (im Abgaberecht), weshalb das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben ist.