119 IV 273
51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Dezember 1993 i.S. M. gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 27 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
- Die Bürgerversammlung einer Gemeinde ist eine Behörde (E. 3). Die Verhandlung einer tatsächlich jedermann zugänglichen Bürgerversammlung ist öffentlich, auch wenn einzelne Personen aus bestimmten Gründen ausgeschlossen werden (E. 4).
- Die Berichterstattung ist nicht schon allein deshalb tendenziös und damit wahrheitswidrig, wenn darin einzelne Stellungnahmen weggelassen werden (E. 5).
Regeste (fr):
- Art. 27 ch. 5 CP. Compte rendu véridique des débats publics d'une autorité.
- L'assemblée communale est une autorité (consid. 3). Les délibérations d'une assemblée communale à laquelle chacun peut réellement assister sont publiques, même si certaines personnes en sont exclues pour des raisons particulières (consid. 4).
- Le compte rendu n'est pas tendancieux et par là contraire à la vérité du seul fait que certaines interventions en ont été omises (consid. 5).
Regesto (it):
- Art. 27 n. 5 CP. Resoconto veritiero delle deliberazioni pubbliche di un'autorità.
- L'assemblea comunale è un'autorità (consid. 3). Le deliberazioni di un'assemblea comunale alla quale ognuno può assistere sono pubbliche, anche se certe persone ne sono escluse per determinate ragioni (consid. 4).
- Il resoconto non è tendenzioso, e quindi inveritiero, per il solo fatto che sono stati omessi certi interventi (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 273
BGE 119 IV 273 S. 273
A.- Die Bürgerversammlung der Gemeinde X. verweigerte am 20. März 1990 M. die Erteilung des Gemeindebürgerrechts. Über diese Versammlung berichtete B. im Anzeiger des Bezirkes X. vom
BGE 119 IV 273 S. 274
23. März 1990. Im Zeitungsartikel wird ausgeführt, die Bürgerliche Abteilung des Gemeinderates habe festgehalten, beim Gesuchsteller handle es sich "um einen intelligenten Menschen, der aber durch Arroganz und ein Benehmen auffällt, das eine krasse Missachtung gegenüber schweizerischen Vorschriften, Amtsstellen und Gepflogenheiten zeigt". Zum Beleg dieser Vorwürfe habe der Gemeindepräsident aus den Akten zitiert. Bürger hätten ihrerseits über schlechte Erfahrungen mit dem Gesuchsteller berichtet. M. erhob unter anderem gegen die Verfasserin des Zeitungsartikels Privatstrafklage wegen Verleumdung, eventuell übler Nachrede. Er verlangte deren angemessene Bestrafung sowie eine Genugtuungssumme nach richterlichem Ermessen zu Gunsten des Fonds der Fürsorgebehörde X. für in materielle Bedrängnis geratene Bürger.
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte auf Appellation von M. am 11. Februar 1993 den erstinstanzlichen Freispruch.
C.- M. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat am 16. August 1993 auf eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde von M. nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Vorinstanz hat angenommen, der inkriminierte Artikel stelle eine wahrheitsgetreue Berichterstattung über die öffentliche Verhandlung einer Behörde dar, die gemäss Art. 27 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
3. Der Beschwerdeführer stellt mit Recht nicht in Abrede, dass die Bürgerversammlung eine Behörde im Sinne von Art. 27 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
BGE 119 IV 273 S. 275
Dieser weite Behördenbegriff im Staats- und Verwaltungsrecht gilt auch für das Strafrecht und insbesondere für Art. 27 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
4. Zu prüfen ist, ob die fragliche Bürgerversammlung öffentlich im Sinne von Art. 27 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
BGE 119 IV 273 S. 276
Berufung auf kantonale Bestimmungen beurteilt, sondern unter Hinweis auf den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse. Sie durfte ohne Verletzung von Bundesrecht annehmen, für die Frage der Öffentlichkeit sei massgebend, dass die Bürgerversammlung tatsächlich öffentlich durchgeführt wurde. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Punkt von einem von den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil abweichenden Sachverhalt ausgeht, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten.
5. Es bleibt zu prüfen, ob die Berichterstattung im inkriminierten Artikel wahrheitsgetreu im Sinne von Art. 27 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
Die Vorinstanz hält (teilweise unter Hinweis auf den Entscheid des Bezirksgerichts) fest, die Beschwerdegegnerin habe richtig zitiert bzw. berichtet. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich. Die Vorinstanz fügt hinzu, es hätte allerdings dem Ziel einer umfassenden Berichterstattung gedient, wenn die Beschwerdegegnerin auch ein (vom Gemeindepräsidenten an der Bürgerversammlung verlesenes) Schreiben des Beschwerdeführers vom 16. März 1990 erwähnt hätte, in dem dieser seinen eigenen Standpunkt darlegte: dennoch könne nicht von einer tendenziösen Verzerrung der Berichterstattung über die Versammlung gesprochen werden. Dem ist zuzustimmen. Die Berichterstattung über die öffentlichen Verhandlungen einer Behörde ist häufig verkürzt. Sie ist nicht schon allein deshalb wahrheitswidrig, weil darin eine Stellungnahme, ja selbst eine Art Gegendarstellung weggelassen wird.