119 II 232
47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Juni 1993 i.S. X. gegen Y. (Berufung)
Regeste (de):
- Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Geldschuld mittels Postanweisung (Art. 74
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 74 - 1 Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt.
1 Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. 2 Wo nichts anderes bestimmt ist, gelten folgende Grundsätze: 1 Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat; 2 wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand; 3 andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte. 3 Wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz, an dem er die Erfüllung fordern kann, nach der Entstehung der Schuld ändert und dem Schuldner daraus eine erhebliche Belästigung erwächst, so ist dieser berechtigt, an dem ursprünglichen Wohnsitze zu erfüllen. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. 2 Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. - 1. Bei Begleichung einer Geldschuld durch einen Erfüllungsgehilfen wie bspw. die Post darf der Gläubiger nicht schlechter gestellt sein als bei Barzahlung. Die Erfüllung erfolgt deshalb nur rechtzeitig, wenn der entsprechende Auftrag so frühzeitig erteilt wird, dass der Zahlungsvorgang bei Ablauf der Zahlungsfrist erledigt ist. Dieser Grundsatz gilt auch für den Bereich des Mietrechts (E. 2).
- 2. Ein Vermieter verhält sich nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er nach Entgegennahme verspäteter Mietzinszahlungen das Mietverhältnis wegen Zahlungsversäumnis auflöst (E. 3).
Regeste (fr):
- Paiement en temps utile d'une dette d'argent au moyen d'un mandat de poste (art. 74 CO); abus de droit (art. 2 al. 2 CC).
- 1. En cas de paiement d'une dette d'argent par le biais d'un auxiliaire tel que la poste, la situation du créancier ne doit pas être plus mauvaise qu'en cas de paiement comptant. L'exécution n'a donc lieu en temps utile que si le mandat correspondant est donné suffisamment tôt afin que la procédure de paiement soit terminée avant l'échéance du délai de paiement. Ce principe est également valable dans le droit du bail (consid. 2).
- 2. Le bailleur ne commet pas d'abus de droit si, après la réception de paiements tardifs de loyer, il résilie le bail pour non-paiement (consid. 3).
Regesto (it):
- Adempimento tempestivo di un debito pecuniario mediante mandato postale (art. 74 CO); abuso di diritto (art. 2 cpv. 2 CC).
- 1. Se un debito pecuniario viene saldato per il tramite di un ausiliario, quale, ad esempio, la posta, la situazione del creditore non deve essere peggiore che in caso di pagamento in contanti. Ne deriva che l'esecuzione avviene tempestivamente solo se il relativo mandato viene assegnato tanto presto da far sì che la procedura di pagamento sia terminata prima della scadenza del termine di pagamento. Tale principio è valido anche nel diritto della locazione (consid. 2).
- 2. Il locatore non commette abuso di diritto se, dopo la ricezione dei pagamenti tardivi della pigione, disdice il rapporto di locazione per mancato pagamento (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 233
BGE 119 II 232 S. 233
Mit Vertrag vom 22. März 1991 mietete X. von Y. das Restaurant Z. in Luzern für die Zeit vom 1. Oktober jenes Jahres bis zum 30. September 1993. Den jährlichen Mietzins setzten die Parteien auf Fr. 245'000.-- zuzüglich Fr. 12'000.-- a conto Nebenkosten fest, zahlbar in vorschüssigen monatlichen Raten von Fr. 21'417.-- jeweils auf den ersten Tag des Monats. Am 9. Dezember 1992 mahnte Y. seinen Mieter mit eingeschriebenem Brief für den verfallenen Dezember-Mietzins und setzte ihm eine Nachfrist von 30 Tagen zur Bezahlung des Ausstandes an. Gleichzeitig drohte er X. an, das Mietverhältnis nach Fristablauf zu kündigen. Das betreffende Schreiben wurde dem Mieter am 10. Dezember ausgehändigt. Die dreissigtägige Zahlungsfrist endete am Montag, den 11. Januar 1993. Am Abend jenes Tages erstattete X. den geschuldeten Dezember-Mietzins mittels Postanweisung an die Wohnadresse des Gläubigers; die Zahlung ging Y. erst am 13. Januar zu. Gestützt auf Art. 257d Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 257d - 1 Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. |
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1 | Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. |
2 | Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen. |
BGE 119 II 232 S. 234
das Mietverhältnis am 3. Februar auf den 31. März 1993. Wegen verspäteter Bezahlung des Januar-Mietzinses kündigte er X. am 12. Februar ein zweites Mal. Am gleichen Tag verlangte er die Ausweisung des Mieters. Einen knappen Monat später sprach er ferner eine vorsorgliche Kündigung wegen Nichtbezahlens des Februar-Mietzinses auf den 30. April aus. Mit Entscheid vom 12. März 1993 stellte das Amtsgericht fest, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung des Vermieters vom 3. Februar per 31. März nach Massgabe von Art. 257d
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 257d - 1 Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. |
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1 | Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. |
2 | Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Beklagte bringt vor, er habe den Mietzins für die Monate Dezember und Januar rechtzeitig bezahlt. Somit habe kein Grund für eine ausserordentliche Kündigung bestanden. Gemäss den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen haben die Parteien die Zahlungsmodalitäten nicht näher geregelt. Nach Angaben des Beklagten, welche vom Kläger ausdrücklich anerkannt wurden, überwies jener die Zinse jeweils mit einem Vergütungsauftrag der Bank. Es ist deshalb mit dem Obergericht und den Parteien von einem entsprechenden stillschweigenden Übereinkommen auszugehen. Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass der Schuldner nicht eine andere Zahlungsart hätte wählen dürfen. Es stellt sich aber die Frage, wie eine solche hinsichtlich der Fristenwahrung zu handhaben ist.
Nach Art. 74
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 74 - 1 Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. |
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1 | Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. |
2 | Wo nichts anderes bestimmt ist, gelten folgende Grundsätze: |
1 | Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat; |
2 | wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand; |
3 | andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte. |
3 | Wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz, an dem er die Erfüllung fordern kann, nach der Entstehung der Schuld ändert und dem Schuldner daraus eine erhebliche Belästigung erwächst, so ist dieser berechtigt, an dem ursprünglichen Wohnsitze zu erfüllen. |
BGE 119 II 232 S. 235
Bedient sich der Schuldner eines Erfüllungsgehilfen, wie beispielsweise der Post, so darf der Gläubiger nicht schlechter gestellt sein als bei Barzahlung. Der Schuldner hat mit anderen Worten dafür zu sorgen, dass das Geld rechtzeitig in dessen Verfügungsbereich gelangt. Der entsprechende Auftrag muss so frühzeitig erteilt werden, dass der Zahlungsvorgang im Zeitpunkt des Ablaufs der Zahlungsfrist erledigt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt trägt der Schuldner die Verlust- und Verzögerungsgefahr (OR-LEU, Art. 74 N. 6; BK-WEBER, N. 125 zu Art. 74
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 74 - 1 Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. |
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1 | Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. |
2 | Wo nichts anderes bestimmt ist, gelten folgende Grundsätze: |
1 | Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat; |
2 | wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand; |
3 | andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte. |
3 | Wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz, an dem er die Erfüllung fordern kann, nach der Entstehung der Schuld ändert und dem Schuldner daraus eine erhebliche Belästigung erwächst, so ist dieser berechtigt, an dem ursprünglichen Wohnsitze zu erfüllen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 74 - 1 Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. |
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1 | Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt. |
2 | Wo nichts anderes bestimmt ist, gelten folgende Grundsätze: |
1 | Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat; |
2 | wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand; |
3 | andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte. |
3 | Wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz, an dem er die Erfüllung fordern kann, nach der Entstehung der Schuld ändert und dem Schuldner daraus eine erhebliche Belästigung erwächst, so ist dieser berechtigt, an dem ursprünglichen Wohnsitze zu erfüllen. |
3. Ebenfalls nicht durchzudringen vermag der Beklagte mit seinem Vorbringen, der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nach Entgegennahme der Zahlungen darauf berufe, diese seien verspätet erfolgt. Mit seiner Argumentation scheint der Beklagte zu verkennen, dass ein Vermieter auch dann Anspruch auf die (verbleibenden) Mietzinse hat, wenn er das Mietverhältnis wegen Zahlungsversäumnis auflöst. Nimmt er die verspäteten Mietzinszahlungen an, macht er sich deshalb keineswegs eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens schuldig.