Urteilskopf

119 II 141

30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. April 1993 i.S. D. gegen W. und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 142

BGE 119 II 141 S. 142

A.- W. ist als Mitglied einer betreuten Wohngruppe Mieterin eines unmöblierten Zimmers in einer Wohnung der Liegenschaft S. in Zürich. Am 26. Februar 1992 kündigte D. das Untermietverhältnis vorzeitig auf den 31. März 1992.
B.- Am 1. April 1992 ersuchte D. bei der Einzelrichterin im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich um sofortige Ausweisung von W. aus dem von ihr bewohnten Zimmer. Da W. bereits am 24. März 1992 vor der Schlichtungsbehörde des Bezirks Zürich ein Kündigungsschutzverfahren eingeleitet hatte, überwies die Schlichtungsbehörde das Verfahren am 7. April 1992 in Anwendung von Art. 274g Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
und 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR an die mit dem Ausweisungsbegehren befasste Einzelrichterin. Diese trat mit Verfügung vom 23. Juni 1992 auf das Ausweisungsbegehren zufolge Illiquidität nicht ein. Gestützt auf diesen Nichteintretensentscheid verfügte sie gleichentags auch Nichteintreten auf das Kündigungsschutzbegehren und wies dieses Verfahren an die Schlichtungsstelle zurück. Die von D. gegen die beiden Verfügungen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Erledigungsbeschluss vom 24. November 1992 ab.
C.- Das Bundesgericht heisst die von D. eingelegte staatsrechtliche Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt, und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht verletze die bundesrechtliche Verfahrensordnung von Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR, indem es das Nichteintreten der Audienzrichterin wegen Illiquidität
BGE 119 II 141 S. 143

der Streitsache schütze. Dem Ausweisungsrichter sei es von Bundesrechts wegen verwehrt, die Ausweisung wegen Kündigungsanfechtung für illiquid zu erklären. Es liege damit formelle Rechtsverweigerung vor. Soweit das Nichteintreten mit kantonalem Recht begründet werde, liege zudem eine Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nach Art. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
ÜbBest. BV vor. a) Ficht der Mieter eine ausserordentliche Kündigung an und ist ein Ausweisungsverfahren hängig, so ist nach Art. 274g Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR der Ausweisungsrichter auch zuständig, über die Gültigkeit dieser Kündigung zu entscheiden, wenn der Vermieter ausserordentlich gekündigt hat wegen Zahlungsrückstands des Mieters (Art. 257d
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 257d - 1 Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage.
1    Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt mindestens zehn Tage, bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage.
2    Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen.
OR), schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 257f - 1 Der Mieter muss die Sache sorgfältig gebrauchen.
1    Der Mieter muss die Sache sorgfältig gebrauchen.
2    Der Mieter einer unbeweglichen Sache muss auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen.
3    Verletzt der Mieter trotz schriftlicher Mahnung des Vermieters seine Pflicht zu Sorgfalt oder Rücksichtnahme weiter, so dass dem Vermieter oder den Hausbewohnern die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen.
4    Der Vermieter von Wohn- oder Geschäftsräumen kann jedoch fristlos kündigen, wenn der Mieter vorsätzlich der Sache schweren Schaden zufügt.
und 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 257f - 1 Der Mieter muss die Sache sorgfältig gebrauchen.
1    Der Mieter muss die Sache sorgfältig gebrauchen.
2    Der Mieter einer unbeweglichen Sache muss auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen.
3    Verletzt der Mieter trotz schriftlicher Mahnung des Vermieters seine Pflicht zu Sorgfalt oder Rücksichtnahme weiter, so dass dem Vermieter oder den Hausbewohnern die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen.
4    Der Vermieter von Wohn- oder Geschäftsräumen kann jedoch fristlos kündigen, wenn der Mieter vorsätzlich der Sache schweren Schaden zufügt.
OR), wegen wichtiger Gründe (Art. 266g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 266g - 1 Aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar machen, können die Parteien das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen.
1    Aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar machen, können die Parteien das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen.
2    Der Richter bestimmt die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Kündigung unter Würdigung aller Umstände.
OR) oder Konkurses des Mieters (Art. 266h
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 266h - 1 Fällt der Mieter nach Übernahme der Sache in Konkurs, so kann der Vermieter für künftige Mietzinse Sicherheit verlangen. Er muss dafür dem Mieter und der Konkursverwaltung schriftlich eine angemessene Frist setzen.
1    Fällt der Mieter nach Übernahme der Sache in Konkurs, so kann der Vermieter für künftige Mietzinse Sicherheit verlangen. Er muss dafür dem Mieter und der Konkursverwaltung schriftlich eine angemessene Frist setzen.
2    Erhält der Vermieter innert dieser Frist keine Sicherheit, so kann er fristlos kündigen.
OR). Ist die Kündigung gültig ausgesprochen worden, so hat der Ausweisungsrichter im Falle der ausserordentlichen Kündigung aus wichtigen Gründen (Art. 266g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 266g - 1 Aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar machen, können die Parteien das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen.
1    Aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar machen, können die Parteien das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen.
2    Der Richter bestimmt die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Kündigung unter Würdigung aller Umstände.
OR) ausserdem über ein allfälliges Erstreckungsbegehren des Mieters zu entscheiden (Art. 274g Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR; BGE 117 II 556 E. 2). Grundsätzlich bleiben die Kantone auch unter dem neuen Mietrecht zuständig, die Behörden zu bezeichnen und das Verfahren auszugestalten (Art. 274
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR). Diese Zuständigkeit wird jedoch durch die zwingende Ordnung von Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR eingeschränkt. Sie verpflichtet Kantone, die wie der Kanton Zürich das Ausweisungs- und das Anfechtungsverfahren verschiedenen Behörden zuweisen, dafür zu sorgen, dass der Ausweisungsrichter in Fällen, wo neben dem Ausweisungsbegehren eine Kündigungsanfechtung hängig ist, auch über die Gültigkeit der Kündigung entscheidet. Die Kompetenzattraktion vor dem Ausweisungsrichter soll verschiedene Verfahren vor dem Ausweisungs- und Anfechtungsrichter sowie widersprüchliche Urteile vermeiden (BGE 118 II 305 E. 4a mit Hinweisen). Damit die Mieterrechte in einem summarischen oder beschleunigten Verfahren nicht verkürzt werden, ist der von Bundesrechts wegen zum Entscheid über Kündigungsanfechtungen zuständige Ausweisungsrichter sodann unbekümmert um die Ausgestaltung des Ausweisungsverfahrens verpflichtet, die angefochtene Gültigkeit der Kündigung sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Das ergibt sich einerseits aus der Offizialmaxime (Art. 274d Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR) und anderseits aus dem Grundsatz, dass ein definitiver, der materiellen Rechtskraft teilhaftiger Entscheid über einen bundesrechtlichen Anspruch eine erschöpfende Abklärung
BGE 119 II 141 S. 144

der tatsächlichen wie rechtlichen Grundlagen voraussetzt (BGE 118 II 306 E. a, BGE 117 II 558 E. d mit Hinweisen). In der Literatur ist unbestritten, dass der Ausweisungsrichter sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht die Gültigkeit der angefochtenen Kündigung zu überprüfen hat (etwa ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, S. 112 f.; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl. 1992, S. 391 Ziff. 32.8.3). Uneinigkeit herrscht indessen über den Umfang der Überprüfungspflicht. VOGEL (Der Mietrechtsprozess, recht 1993, S. 32) scheint der zitierten Rechtsprechung zuzustimmen; soweit innerhalb des summarischen Ausweisungsverfahrens mit voller Kognition über Anfechtungs- und Erstreckungsbegehren entschieden werde, handle es sich allerdings nicht mehr um ein summarisches Verfahren im eigentlichen Sinn, sondern nur um ein dem Namen nach summarisches verfahren oder ein unechtes Summarverfahren. Nach LACHAT/STOLL (a.a.O., S. 43 f. Ziff. 5.4.1.3 i.V.m. S. 391 Ziff. 32.8.3) hat der Ausweisungsrichter auch vorfrageweise über zivilrechtliche Fragen zu entscheiden (Art. 274f Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR). Zu denken sei hier insbesondere an gemischte Verträge, bei denen sowohl mietrechtliche Bestimmungen wie Vorschriften aus anderen Rechtsbereichen (z.B. das Arbeitsrecht beim Hauswartvertrag) Gegenstand der Auseinandersetzung seien. Nach anderer Ansicht kann der Ausweisungsrichter nur im Rahmen seiner Kognition und im Rahmen der zulässigen Beweiserhebungen entscheiden, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund sich verwirklicht habe (SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 6 zu Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR). Problematisch sei die Voraussetzung der liquiden Verhältnisse insbesondere dann, wenn der Vermieter dem Mieter schwere Verletzung der Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme vorwerfe. An unüberwindlichen Beweisschwierigkeiten dürfe ein berechtigter Ausweisungsanspruch indessen nicht scheitern (SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 8 zu Art. 274g
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OR Art. 274g
OR). Für eine restriktive Anwendung der Offizialmaxime im Befehlsverfahren spricht sich HEINER EIHOLZER aus (Anfechtung von ausserordentlichen Kündigungen im Mietrecht, SJZ 88/1992, S. 325 ff., 327). Er will insbesondere nur ausnahmsweise vom Grundsatz der rasch verfügbaren Beweismittel abweichen. Nach ALFRED KOLLER (Zwei neueste Grundsatzentscheide des Bundesgerichts zur Mieterausweisung, AJP 1992, S. 1584 ff., 1586) ist der zürcherische Ausweisungsrichter gemäss Art. 274g
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OR Art. 274g
OR lediglich nicht befugt, eine Prozessüberweisung an den für Kündigungsanfechtungen zuständigen Richter vorzunehmen. Er bejaht aber, dass jener gegebenenfalls auf Illiquidität schliessen und
BGE 119 II 141 S. 145

den Vermieter auf den ordentlichen Ausweisungsprozess verweisen dürfe, da es dem Vermieter offenstehe, das Verfahren nach § 222 Ziff. 2 ZPO/ZH einzuleiten oder direkt das Ausweisungsbegehren beim ordentlichen Richter zu stellen. KOLLER (a.a.O., S. 1587) will denn auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung nur auf Fälle der ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Mieters angewendet wissen. ROLAND GMÜR (Kündigungsschutz - Prozessuales rund um den "Entscheid" der Schlichtungsbehörde, mp 1990, S. 121 ff., 135) schliesslich zeigt die beiden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten (umfassende Prüfung durch den Ausweisungsrichter oder Überweisung ins ordentliche Verfahren) auf, ohne sich jedoch für eine Variante zu entscheiden. b) Das Bundesrecht schreibt die beförderliche Behandlung von Kündigungsanfechtungen nach Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR vor (BGE 118 II 307 E. b). Um diesem Beschleunigungsgebot hinreichend Rechnung zu tragen, beinhaltet Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR folglich zweierlei: Einerseits verbietet er eine Beweisbeschränkung, d.h. eine Beweisstrenge- und Beweismittelbeschränkung, anderseits begründet er die Pflicht des Ausweisungsrichters, auf das Ausweisungs- und Kündigungsschutz- evtl. auch auf ein Erstreckungsbegehren einzutreten und diese materiell zu behandeln. Weiterhin aber bleibt Sache der Kantone, die nach Art. 274g
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OR Art. 274g
OR zuständige Ausweisungsbehörde zu bezeichnen. Den Kantonen steht es frei, ob sie damit den ordentlichen oder summarischen Richter, das Mietgericht oder den ordentlichen Ausweisungsrichter oder eine andere Behörde beauftragen wollen. Gefordert wird von Bundesrechts wegen einzig, dass die Bezeichnung des Ausweisungsrichters klar erfolgt in dem Sinne, dass für den Rechtsuchenden ohne weiteres ersichtlich ist, wer für die Beurteilung des Ausweisungs- und Kündigungsschutzbegehrens nach Art. 274g
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OR Art. 274g
OR zuständig ist. Die in BGE 117 II 554 ff. und BGE 118 II 302 ff. entwickelte Praxis ist dahin zu verdeutlichen, dass die Behörde, welche für die Ausweisung nach ausserordentlicher Kündigung auch zur Beurteilung eines Kündigungsschutzbegehrens zuständig ist, die Streitsache mit voller Kognition zu prüfen und sie unbesehen deren Liquidität an die Hand zu nehmen hat. Dies gebietet das im Mietrecht geltende Beschleunigungsgebot. Will man das Verfahren vor dem Ausweisungsrichter nicht zu einem unergiebigen und verzögerlichen Zwischenspiel degradieren (ROLAND GMÜR, a.a.O., S. 135), hat dieser den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären und ist er daher mit umfassender Kognition auszustatten. Er hat auch bei nicht
BGE 119 II 141 S. 146

liquider Sachlage auf das Begehren einzutreten, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse umfassend zu prüfen, zivilrechtliche Vorfragen abzuklären sowie die zur Klärung der Sachlage erforderlichen Beweise abzunehmen. Geht dem Ausweisungsentscheid bzw. dem Entscheid über die Gültigkeit der ausserordentlichen Kündigung eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage voraus, besteht für eine Verkürzung der Mieterrechte keine Gefahr. Das Verfahren ist diesfalls ein eigentliches Erkenntnis- und kein reines Vollstreckungsverfahren, da Gegenstand der Entscheidung der materielle Bestand des geltend gemachten Anspruchs und nicht alleine seine Vollstreckbarkeit ist (BGE 103 II 251 E. a mit Hinweisen). c) Das Zürcher Befehlsverfahren verlangt nach dem Wortlaut von § 222 Ziff. 2 ZPO/ZH klares Recht bei nicht streitigen oder sofort beweisbaren tatsächlichen Verhältnissen. Diese Voraussetzungen sind nach dem Gesagten im Ausweisungsverfahren bei ausserordentlichen Kündigungen jedoch von Bundesrechts wegen zu mildern und dem Verfahren von Art. 274g
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OR Art. 274g
OR anzupassen. Danach hat der Ausweisungsrichter die Pflicht zur umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage. Seinem Urteil kommt nach zürcherischem Recht unbeschränkte Rechtskraftwirkung zu (§ 212 Abs. 1 ZPO/ZH). Es hat damit endgültigen Charakter und ist berufungsfähig (BGE 103 II 252 E. 1; vgl. auch VOGEL, a.a.O., S. 32). d) Indem das Obergericht ausführt, die oben dargestellte bundesgerichtliche Praxis sei vorliegend nicht massgebend, missachtet es den zwingenden Charakter von Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR. Es zitiert zwar in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesgerichts, doch lässt es die sich daraus für die Zuständigkeit des Ausweisungsrichters ergebenden Konsequenzen unbeachtet und will das Befehlsverfahren gemäss § 222 Ziff. 2 ZPO/ZH weiterhin nur bei Vorliegen klaren Rechts und liquider Verhältnisse zur Anwendung bringen. Es räumt dem Ausweisungsrichter nur beschränkte Kognition ein. Dies aber widerspricht Bundesrecht, da dieses nach der aufgezeigten Rechtsprechung die umfassende Prüfung des Ausweisungs- und Kündigungsschutzbegehrens verlangt. Das Obergericht verkennt zudem, dass die Offizialmaxime gemäss Art. 274d Abs. 3
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OR Art. 274g
OR auch in den Fällen der Kompetenzattraktion von Art. 274g
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 274g
OR gilt. Es wendet die Vorschrift von § 222 Ziff. 2 ZPO/ZH an, ohne den Besonderheiten des mietrechtlichen Ausweisungsverfahrens nach ausserordentlicher Kündigung Rechnung zu tragen, und missachtet damit die derogatorische Kraft des Bundesrechts, wenn es der kantonalrechtlichen Verfahrensregelung den Vorzug gegenüber
BGE 119 II 141 S. 147

dem Bundesrecht gibt. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. Die übrigen, in diesem Zusammenhang vorgebrachten Rügen des Beschwerdeführers zu den Erwägungen 4b und c des angefochtenen Entscheids werden damit gegenstandslos.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 119 II 141
Date : 20. April 1993
Published : 31. Dezember 1993
Source : Bundesgericht
Status : 119 II 141
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Überprüfung von Kündigungsanfechtungen durch den nach Art. 274g OR zuständigen Ausweisungsrichter. Die Behörde, welche
Classification : Präzisierung der Rechtsprechung


Legislation register
BV ÜbBest.: 2
OR: 257d  257f  266g  266h  274  274d  274f  274g
BGE-register
103-II-247 • 117-II-554 • 118-II-302 • 118-II-307 • 119-II-141
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mp
1990 S.121
RECHT
1993 S.32
SJZ
88/1992 S.325