119 Ib 417
43. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. November 1993 i.S. R. c. Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Aufenthaltsbewilligung, Scheinehe (Art. 7 ANAG).
- Der Anspruch auf Bewilligung des Aufenthalts des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers ist nicht davon abhängig, ob die Ehe noch gelebt wird und intakt ist; massgebend ist der formelle Bestand der Ehe (E. 2). Der Anspruch entfällt bei Scheinehe zur Umgehung der ausländerrechtlichen Vorschriften; Beweisanforderungen (E. 4).
Regeste (fr):
- Autorisation de séjour, mariage fictif (art. 7 LSEE).
- Le droit du conjoint étranger d'un ressortissant suisse à l'octroi d'une autorisation de séjour ne dépend pas du point de savoir si le mariage est encore vécu et intact; seule est déterminante l'existence du mariage au sens formel (consid. 2). Ce droit s'éteint en cas de mariage fictif, c'est-à-dire contracté dans le but d'éluder les dispositions sur le droit des étrangers; exigences relatives aux preuves (consid. 4).
Regesto (it):
- Permesso di dimora, matrimonio fittizio (art. 7 LDDS).
- Il diritto del coniuge straniero di un cittadino svizzero a ottenere un permesso di dimora non dipende dal fatto che il matrimonio sia ancora effettivamente vissuto in comunione coniugale e sia intatto; determinante è che vi sia un legame coniugale formale (consid. 2). Il diritto si estingue in caso di matrimonio fittizio, ossia contratto per eludere le prescrizioni in materia di diritto degli stranieri; esigenze in materia di prova (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 417
BGE 119 Ib 417 S. 417
Der pakistanische Staatsangehörige R. reiste am 26. April 1990 in die Schweiz ein und stellte am folgenden Tag ein Asylgesuch. Am 6. August 1990 heiratete er die Schweizerin B.; das Asylgesuch zog er in der Folge zurück. Am 20. Dezember 1990 wurde ihm von der
BGE 119 Ib 417 S. 418
Fremdenpolizei des Kantons Basel-Stadt eine bis zum 6. August 1991 befristete Aufenthaltsbewilligung ausgestellt. Mit Verfügung vom 4. April 1991 widerrief die kantonale Fremdenpolizei die Aufenthaltsbewilligung, mit der Begründung, eine Grundlage für deren Erteilung habe nie bestanden; der erforderliche Aufenthaltszweck sei durch die formelle Eheschliessung mit einer Schweizerin lediglich vorgetäuscht worden. Rekurse an das Polizei- und Militärdepartement sowie an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt blieben erfolglos. Die von R. erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist das Bundesgericht ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Verfügung der kantonalen Fremdenpolizei vom 4. April 1991 hat nicht die Erteilung bzw. die Verweigerung einer solchen Bewilligung zum Gegenstand, sondern deren Widerruf. Solche Verfügungen fallen nicht unter die erwähnte Ausnahmebestimmung und können in jedem Fall mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Art. 101 lit. d OG; vgl. BGE 98 Ib 85 E. 1a S. 88). Indessen ist zu beachten, dass die dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltsbewilligung auf den 6. August 1991 befristet war. Die Frage, ob sie widerrufen werden durfte, war daher schon im kantonalen Rechtsmittelverfahren gegenstandslos, nachdem diese Frist inzwischen abgelaufen war. Es konnte sich nur noch die Frage stellen, ob die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern sei. In diesem Sinne lautet denn auch der Antrag des Beschwerdeführers. Es ist damit als Eintretensvoraussetzung zu prüfen, ob ein Anspruch auf Bewilligung besteht. b) Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung (bzw. Verlängerung) einer Aufenthaltsbewilligung, und die
BGE 119 Ib 417 S. 419
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt. c) Nach Art. 7 Abs. 1 ANAG in der Fassung vom 23. März 1990 hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Wie das Bundesgericht in BGE 118 Ib 145 E. 3 dargelegt hat, ist in diesem Zusammenhang einzig darauf abzustellen, ob formell eine eheliche Beziehung besteht; ob die Ehe tatsächlich gelebt wird und intakt ist, ist dagegen nicht massgebend. Es scheint freilich, dass sich das Bundesgericht vorbehalten wollte, anders zu entscheiden, wenn die Ehegatten überhaupt nie zusammengelebt haben (BGE 118 Ib 145 E. 3d S. 151). Die dem Entscheid zugrundeliegende ratio spricht aber zwingend dafür, dass es allein auf den Bestand des formellen Ehebandes ankommen kann. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, den Bewilligungsanspruch vom ehelichen Zusammenleben abhängig zu machen, damit der ausländische Ehegatte nicht der Willkür des schweizerischen ausgeliefert sei. Soll dies sichergestellt werden, darf der Anspruch nicht entgegen dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 ANAG noch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden. d) Im vorliegenden Fall lebt der Beschwerdeführer zwar getrennt von seiner Ehefrau, die gegen ihn die Scheidungsklage eingeleitet hat. Die Scheidung ist aber noch nicht ausgesprochen worden. Der Beschwerdeführer hat daher grundsätzlich Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten. Die Frage, ob die Bewilligung zu verweigern sei, weil einer der in Art. 7 ANAG vorgesehenen Ausnahmetatbestände oder allenfalls ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot gegeben ist, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 118 Ib 145 E. 3d S. 151).
4. a) Nach Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers dann keinen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen. Diese Bestimmung ist dem früheren Art. 120 Ziff. 4
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 120 - 1 Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gelten die Bestimmungen über das Güterrecht. |
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1 | Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gelten die Bestimmungen über das Güterrecht. |
2 | Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht.198 |
3 | Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung können Ehegatten keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen erheben: |
1 | nach der Scheidung; |
2 | nach dem Tod eines Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.199 |
BGE 119 Ib 417 S. 420
Ehe dann nichtig, wenn die Ehefrau nicht eine Lebensgemeinschaft begründen, sondern die Vorschriften über die Einbürgerung umgehen wollte. Mit der am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Revision des Bundesgesetzes vom 23. März 1990 über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (SR 141.0) wurde Art. 3 dieses Gesetzes, wonach die Ausländerin durch Heirat mit einem Schweizer automatisch das Schweizer Bürgerrecht erwarb, aufgehoben (AS 1991, 1034). Damit verlor der Tatbestand der Bürgerrechtsehe seine Grundlage, weshalb Art. 120 Ziff. 4
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 120 - 1 Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gelten die Bestimmungen über das Güterrecht. |
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1 | Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gelten die Bestimmungen über das Güterrecht. |
2 | Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht.198 |
3 | Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung können Ehegatten keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen erheben: |
1 | nach der Scheidung; |
2 | nach dem Tod eines Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.199 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 120 - 1 Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gelten die Bestimmungen über das Güterrecht. |
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1 | Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gelten die Bestimmungen über das Güterrecht. |
2 | Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht.198 |
3 | Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung können Ehegatten keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen erheben: |
1 | nach der Scheidung; |
2 | nach dem Tod eines Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.199 |
BGE 119 Ib 417 S. 421
zu täuschen (vgl. BGE 98 II 1 E. 2c; PETER KOTTUSCH, Scheinehen aus fremdenpolizeilicher Sicht, ZBl 84/1983 S. 432 f.).
c) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten folgendes: Der aus Pakistan stammende Beschwerdeführer reiste am 26. April 1990 in die Schweiz ein. Am folgenden Tag stellte er ein Asylgesuch. Er verfügte somit nicht über ein gesichertes Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Schon am 6. August 1990 erfolgte die Heirat mit einer Schweizerin. Über die Umstände der Bekanntschaft ist nichts bekannt. Auf jeden Fall war deren Dauer sehr kurz, zumal in Rechnung zu stellen ist, dass der Trauung das amtliche Verkündverfahren vorauszugehen hatte. Die Heirat als solche verschaffte dem Beschwerdeführer nach den damals geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen des ANAG zwar keinen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung; dennoch verbesserte sich sein fremdenpolizeilicher Status erheblich, denn auch aufgrund der in Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
BGE 119 Ib 417 S. 422
Gestützt auf diese Erklärung widerrief die Fremdenpolizei am 4. April 1991 die Aufenthaltsbewilligung. Nur wenige Tage später, nämlich am 11. April 1991, erklärte die Ehefrau dem Eheschutzrichter freilich, sie lebe wieder mit ihrem Ehemann zusammen, und zwar in der ehelichen Wohnung in Basel. Am 14. Dezember 1992 gab sie jedoch zu Protokoll, sie habe diese Aussage nur gemacht, damit ihr Ehemann die Schweiz nicht verlassen müsste. In Wirklichkeit habe sie nie mit ihm in Ehegemeinschaft gelebt. Im Eheschutz- bzw. Scheidungsverfahren hatte der Gerichtspräsident in seiner Verfügung vom 19. Februar 1992 seinerseits festgehalten, dass die Parteien "mindestens seit dem 4. Juli 1991" getrennt seien. d) Diese Umstände lassen in ihrer Gesamtheit keinen anderen Schluss zu, als dass der Beschwerdeführer nicht eine wirkliche Ehe führen wollte, sondern dass es ihm bei seiner Heirat nur darum ging, sich ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz zu verschaffen, zumal er nicht mit der Gutheissung seines Asylgesuchs rechnen konnte. Der Beschwerdeführer behauptet freilich, er habe seine Frau aus Liebe und Zuneigung geheiratet, und nicht etwa, um sich den Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen; Tatsache sei, dass die Ehefrau ihn im Frühjahr 1991 verlassen habe; da sie sich in der Folge immer wieder zu anderen Männern hingezogen gefühlt habe, sei es bisweilen wieder zu Trennungen gekommen; offiziell sei die Ehefrau aber immer an derselben Adresse wie er polizeilich gemeldet gewesen. Diese Ausführungen sind indessen angesichts des soeben geschilderten Ablaufs der Dinge nicht glaubhaft. Auf die polizeilichen Meldeverhältnisse kann es dabei zum vornherein nicht ankommen. Die Ehefrau hat den Beschwerdeführer sodann nicht erst im Frühling 1991 verlassen. Vielmehr muss aufgrund der Erklärung der Mutter der Ehefrau vom September 1990 und deren eigener Aussagen vor dem Eheschutzrichter und der Polizei vom Januar 1991 angenommen werden, dass ein eigentliches Eheleben bis zu jenem Zeitpunkt gar nicht aufgenommen worden war. Dass es dennoch zu Kontakten zwischen den Eheleuten kam und diese möglicherweise eine gewisse Zeit lang auch zusammengelebt haben mochten, ist nach dem Gesagten nicht von entscheidender Bedeutung. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, wie es sich mit der - später wieder widerrufenen - Erklärung der Ehefrau vom 11. April 1992 verhält, wonach sie wieder mit dem Ehemann zusammenlebe. Auf jeden Fall dauerte das Zusammenleben nur kurze Zeit. Im übrigen fällt auf, dass die erwähnte Erklärung nur wenige Tage nach dem Widerruf der Aufenthaltsbewilligung abgegeben worden
BGE 119 Ib 417 S. 423
ist. Das lässt es als glaubhaft erscheinen, dass die Ehefrau diese Aussage nur deswegen machte, um die Wegweisung des Beschwerdeführers zu verhindern. Offenbar hatte sie Mitleid mit ihm. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe diese Gefühle ausgenützt, indem er seine Ehefrau dazu bewog, ihn zu heiraten, um ihm den Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen, ohne dass er je die Absicht hatte, mit ihr eine wirkliche Ehe zu führen, drängt sich unter diesen Umständen geradezu auf. Dieser Schluss lässt sich um so weniger in Zweifel ziehen, wenn berücksichtigt wird, dass die Ehefrau vom Vertreter des Beschwerdeführers selber als "geistig etwas behindert" geschildert wird. e) Es erscheint damit als erstellt, dass der Beschwerdeführer die Schweizer Bürgerin B. nur geheiratet hat, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu umgehen. Damit entfällt der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.