Urteilskopf

118 II 40

8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Februar 1992 i.S. P. gegen X. AG (Berufung)
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 40

BGE 118 II 40 S. 40

Aus den Erwägungen:

4. Das Kantonsgericht St. Gallen ist zum Schluss gelangt, beim Mietobjekt handle es sich um einen Hobbyraum, der nicht als Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden könne. Das Mietlokal unterliege demnach nicht den Schutzbestimmungen des BMM bzw. des neuen Mietrechts. Zur Begründung hält die Vorinstanz fest, das Bundesgericht habe in BGE 113 II 413 deutlich gemacht, dass nicht jedes Mietobjekt in einer Liegenschaft, das nicht
BGE 118 II 40 S. 41

Wohnzwecken diene, als Geschäftslokal zu qualifizieren sei. Geschäftsräume seien Räumlichkeiten, in denen ein Beruf oder Gewerbe ausgeübt werde, die von einem Unternehmen (als Büro, Laden, Werkstätte, Lager usw.) genützt werden, oder in denen eine Aktivität mit ideeller Zielsetzung verfolgt werde (z.B. Versammlungslokal). Unter Berufung auf LACHAT/STOLL (Neues Mietrecht, Zürich 1991, S. 33) führt sie weiter aus, ausschlaggebend sei dabei, inwieweit die Existenz eines Mieters vom Gebrauch der Sache abhänge; dieses Merkmal könne auch bei einer Organisation mit ideeller Zielsetzung erfüllt sein, nicht aber bei der Vermietung von Räumlichkeiten, die einem einzelnen zur Pflege seiner Hobbies dienen. Der Kläger hält diese Beurteilung für bundesrechtswidrig. Er weist darauf hin, dass nach Auffassung der gleichen Autoren auch unter dem neuen Recht der Begriff "Geschäftsraum" extensiv auszulegen und jedenfalls eine Beschränkung auf Räume, die nur einer gewinnbringenden Tätigkeit dienen, abzulehnen sei. a) Die Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985 (BBl 1985 I 1421) hält zu Art. 253a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 253a - 1 Die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt.
1    Die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt.
2    Sie gelten nicht für Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden.
3    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.
OR fest, die Norm setze zwei Begriffe voraus, die der Missbrauchsgesetzgebung schon längst bekannt seien und infolgedessen keiner näheren Umschreibung bedürften. Als Geschäftsräume gälten die Räumlichkeiten, die dem Betrieb eines Gewerbes oder der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienen (Büros, Verkaufsräume, Werkstätten, Magazine und Lagerräume). Die Abgrenzung der Wohn- und Geschäftsräume von den übrigen Räumlichkeiten, die Gegenstand eines Mietvertrages sein können, werde weiterhin der Rechtsprechung überlassen. Auch nach der Meinung von ZIHLMANN (Das neue Mietrecht, Zürich 1990, S. 187) und BARBEY (Commentaire du droit du bail, Chapitre III, Genève 1991, N 195 zur Einleitung) lassen sich namentlich die in BGE 113 II 408 ff. erörterten Interpretationsgrundsätze unverändert auf das neue Recht, soweit es für Geschäftsräume Sonderrecht enthält, anwenden. Im SVIT-Kommentar Mietrecht (N 10 zu Art. 253a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 253a - 1 Die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt.
1    Die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt.
2    Sie gelten nicht für Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden.
3    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.
-253b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 253b - 1 Die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art. 269 ff.) gelten sinngemäss für nichtlandwirtschaftliche Pacht- und andere Verträge, die im Wesentlichen die Überlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln.
1    Die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art. 269 ff.) gelten sinngemäss für nichtlandwirtschaftliche Pacht- und andere Verträge, die im Wesentlichen die Überlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln.
2    Sie gelten nicht für die Miete von luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr Wohnräumen (ohne Anrechnung der Küche).
3    Die Bestimmungen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse gelten nicht für Wohnräume, deren Bereitstellung von der öffentlichen Hand gefördert wurde und deren Mietzinse durch eine Behörde kontrolliert werden.
OR) wird ausgeführt, ob es sich bei solchen Räumen um haupt- oder nebenberuflich genutzte Räume handle, könne aufgrund des Schutzgedankens von Art. 269 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 269 - Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen.
. OR nicht entscheidend sein. Für EGLI (Kündigungsbeschränkungen im Mietrecht, Zürich 1986, S. 28) und TRACHSEL (Leitfaden zum Mietrecht, Zürich 1991, S. 22) kommt es bei der Definition des Begriffs "Geschäftsraum" nicht darauf an, ob in den Räumen, die einem Gewerbebetrieb oder der Berufstätigkeit dienen, ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt werde.

BGE 118 II 40 S. 42

b) Es ist somit davon auszugehen, dass nach altem wie nach neuem Recht die gleichen Kriterien massgebend sind für die Auslegung des Begriffs des Geschäftsraums. Gemäss BGE 113 II 413 ist er in dem Sinne weit auszulegen, als nicht notwendigerweise die Benützung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorausgesetzt wird. Es werden vielmehr alle jene Räumlichkeiten umfasst, die tatsächlich dazu beitragen, dass der Mieter seine Persönlichkeit in privater oder wirtschaftlicher Hinsicht entfalten kann. Dass ein Abstellplatz in einer Tiefgarage oder eine zum Abstellen von Autos separat vermietete Garage nicht als Geschäftsraum betrachtet werden kann, ist in BGE 110 II 51 klargestellt worden. Anders verhält es sich dagegen, wenn wie im vorliegenden Fall ein Garage-Anbau einem ausgebildeten Mechaniker als Werkstatt für die Reparatur alter Autos (Oldtimer) dient. Dass der Kläger diese Tätigkeit nur im Sinne eines selbstdeckenden Nebenerwerbs ausübt, vermag daran nichts zu ändern. Rechtsprechung und Doktrin schliessen zu Recht nicht aus, dass ein Mietlokal auch bei nicht gewinnbringender Tätigkeit, nebenberuflicher Nutzung oder Verfolgung eines nicht wirtschaftlichen Zwecks als Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden kann. Indem das Kantonsgericht das vom Kläger gemietete Objekt zu Unrecht nicht als Geschäftsraum betrachtet hat, hat es Bundesrecht verletzt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 118 II 40
Datum : 17. Februar 1992
Publiziert : 31. Dezember 1992
Quelle : Bundesgericht
Status : 118 II 40
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Kriterien, die für die Auslegung des Begriffs "Geschäftsräume"


Gesetzesregister
OR: 253a 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 253a - 1 Die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt.
1    Die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen gelten auch für Sachen, die der Vermieter zusammen mit diesen Räumen dem Mieter zum Gebrauch überlässt.
2    Sie gelten nicht für Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden.
3    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.
253b 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 253b - 1 Die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art. 269 ff.) gelten sinngemäss für nichtlandwirtschaftliche Pacht- und andere Verträge, die im Wesentlichen die Überlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln.
1    Die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art. 269 ff.) gelten sinngemäss für nichtlandwirtschaftliche Pacht- und andere Verträge, die im Wesentlichen die Überlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln.
2    Sie gelten nicht für die Miete von luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr Wohnräumen (ohne Anrechnung der Küche).
3    Die Bestimmungen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse gelten nicht für Wohnräume, deren Bereitstellung von der öffentlichen Hand gefördert wurde und deren Mietzinse durch eine Behörde kontrolliert werden.
269 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 269 - Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen.
271
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 271 - 1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
1    Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
2    Die Kündigung muss auf Verlangen begründet werden.
BGE Register
110-II-51 • 113-II-406 • 118-II-40
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gewerbliche räumlichkeit • kantonsgericht • wirtschaftlicher zweck • miete • unternehmung • entscheid • benutzung • begründung des entscheids • revision • gegenstand • deponie • mechaniker • vorinstanz • bundesgericht • norm • sonderrecht • doktrin
BBl
1985/I/1421