118 II 229
46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Juli 1992 i.S. C. gegen S. (Berufung)
Regeste (de):
- Herabsetzung einer Unterhaltsersatzrente wegen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse des Rentenberechtigten (Art. 151 Abs. 1
und Art. 153 Abs. 2
ZGB).
- 1. Erheblichkeit der im Scheidungszeitpunkt nicht voraussehbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rentenberechtigten (E. 3a).
- 2. Ausreichende Altersvorsorge als Voraussetzung für die Dauerhaftigkeit der Verbesserung (E. 3b).
- 3. In welchem Umfang ist die Unterhaltsersatzrente wegen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse des Rentenberechtigten zu kürzen (E. 4)?
Regeste (fr):
- Diminution d'une rente d'entretien en raison de l'amélioration de la situation économique du bénéficiaire (art. 151 al. 1er et art. 153 al. 2 CC).
- 1. Importance de l'amélioration, non prévisible au moment du divorce, de la situation économique du bénéficiaire (consid. 3a).
- 2. Prévoyance vieillesse suffisante comme condition du caractère durable de l'amélioration (consid. 3b).
- 3. Dans quelle mesure la rente doit-elle être réduite en raison de l'amélioration de la situation économique du bénéficiaire (consid. 4)?
Regesto (it):
- Riduzione di una rendita destinata a compensare la perdita del diritto al mantenimento in seguito al miglioramento della situazione economica del beneficiario (art. 151 cpv. 1 e art. 153 cpv. 2 CC).
- 1. Rilevanza del miglioramento, non prevedibile al momento del divorzio, della situazione economica del beneficiario (consid. 3a).
- 2. Una sufficiente previdenza per la vecchiaia quale presupposto per determinare il carattere duraturo del miglioramento (consid. 3b).
- 3. In che misura dev'essere ridotta una rendita destinata a compensare la perdita al diritto al mantenimento in seguito al miglioramento della situazione economica del beneficiario (consid. 4)?
Sachverhalt ab Seite 230
BGE 118 II 229 S. 230
A.- Mit Urteil des Amtsgerichtes Luzern-Stadt vom 28. Mai 1982 wurde die Ehe von Maria C. und Erwin S. geschieden und dieser unter anderem verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau eine indexierte Rente nach Art. 151
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B.- Am 2. Februar 1989 klagte Erwin S. beim Amtsgericht Luzern-Land gegen Maria C. und verlangte die vollständige Aufhebung der Scheidungsrente. Mit Urteil vom 1. September setzte das Amtsgericht die Scheidungsrente auf Fr. 800.-- herab (Indexstand Juli 1989). Auf Appellation von Maria C. und Anschlussappellation von Erwin S. hin bestätigte das Obergericht am 17. Dezember 1991 dieses Urteil.
C.- Maria C. gelangt mit Berufung an das Bundesgericht und verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die vollumfängliche Abweisung der Klage. Eventuell sei das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Reduktion der Rente erst ab dem 1. Januar 1992 wirke. Erwin S. beantragt die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des angefochtenen Entscheides. Das Obergericht hat keine Vernehmlassung eingereicht. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
2. Der Kläger verlangt die Abänderung der in der gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention festgelegten Rente. Er begründet sein Begehren damit, dass sich die Einkommensverhältnisse der Beklagten seit der Scheidung in damals nicht voraussehbarer Weise erheblich und dauernd verbessert hätten. Die Rente sei deshalb nach Art. 153 Abs. 2
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BGE 118 II 229 S. 231
Verhältnisse der rentenberechtigten Person wesentlich, dauernd und in einer im Scheidungszeitpunkt nicht voraussehbaren Weise verändert hätten. Die Beklagte wendet sich in der Begründung ihres Hauptantrages einerseits gegen die Herabsetzbarkeit einer Unterhaltsersatzrente nach Art. 151
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Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsschrift enthalten nichts, das es rechtfertigte, auf diese Praxis zurückzukommen. Es trifft insbesondere nicht zu, dass die neue Rechtsprechung jeden Unterschied zwischen einer Unterhaltsersatz- und einer Bedürftigkeitsrente verwische. Sowohl mit Bezug auf die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Rente als auch mit Bezug auf die Rentenhöhe unterscheiden sich die beiden Rentenarten nach wie vor erheblich. Die unterschiedlichen Rentengrundlagen wirken sich auch bei der Herabsetzung der Rente in erheblichem Masse aus. Während eine Bedürftigkeitsrente schon dann herabgesetzt werden kann, wenn die rentenberechtigte Person in der Lage ist, mit eigenen Mitteln die Bedürftigkeit zu heben, muss bei einer Unterhaltsersatzrente nach Art. 151 Abs. 1
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BGE 118 II 229 S. 232
dass die möglicherweise weit über der Bedürftigkeit liegende Lebenshaltung dauernd als gesichert erscheint, rechtfertigt sich eine Herabsetzung (BGE 117 II 365 f. E. 5a).
3. Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass Fr. 200.-- des ursprünglichen Rentenbetrages als Entschädigung für entgangenen Versicherungsschutz in der Konvention vorgesehen sind, so dass vom ursprünglichen Rentenbetrag nur Fr. 1'000.--. Unterhaltsersatz darstellen und nur diese herabgesetzt werden können. Diese Aufteilung ist nicht mehr bestritten. a) Die Beklagte bestreitet jedoch, dass sich ihre wirtschaftliche Lage erheblich in einer zum Scheidungszeitpunkt noch nicht voraussehbaren Weise verbessert habe. Die Voraussetzungen der erheblichen Verbesserung und der Nichtvoraussehbarkeit haben einen inhaltlichen Zusammenhang. Mit der Unterhaltsersatzrente soll nämlich grundsätzlich der Ehefrau (soweit möglich und zumutbar) jene Lebenshaltung für die Zukunft gesichert werden, die sie während der Ehe hatte. Aus diesem Grunde ist bei der Festlegung der Rente zuerst festzustellen, von welcher Lebenshaltung auszugehen ist und der dafür nötige Finanzbedarf mit dem Einkommen zu vergleichen, den der oder die Rentenberechtigte zumutbarer Weise selber erzielen kann (BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 1979, N 36 zu Art. 151
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BGE 118 II 229 S. 233
langen Ehedauer, es sei im Zeitpunkt der Scheidung wohl voraussehbar gewesen, dass die Ehefrau berufstätig sein werde, indessen habe nicht angenommen werden können, dass sie einer 100% Erwerbstätigkeit in der Art nachgehen werde, wie sie sie nun seit Jahren ausübe. Erblickt man darin eine Feststellung darüber, was die Parteien und das Gericht im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich als künftige Entwicklung erwartet haben, so handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, die das Bundesgericht bindet (Art. 63 Abs. 2
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BGE 118 II 229 S. 234
der Rentenberechnung zu Grunde liegen, im September 1989 einem Erwerbseinkommen von Fr. 1'167.-- bis 1'750.--. Der tatsächlich erzielte Erwerb übertrifft diesen Betrag um mindestens Fr. 1'250.--. Eine derartige Abweichung der eingetretenen Einkommensentwicklung von den im Zeitpunkt der Scheidung gehegten Erwartungen muss sowohl im Verhältnis zum damals erwarteten Einkommen als auch zur Unterhaltsersatzrente als erheblich bezeichnet werden. b) Eine Herabsetzung der Scheidungsrente rechtfertigt sich indessen nur, wenn die erhebliche und nicht vorhergesehene wirtschaftliche Verbesserung auch von Dauer ist. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass von einer dauerhaften Verbesserung nur gesprochen werden kann, wenn das Einkommen auch nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gesichert ist. Wie die Beklagte in ihrer Berufungsschrift selber ausführen lässt, war sie während der Ehe nie berufstätig, sondern nahm eine Arbeit erst im Mai 1985 auf. Die fehlende Erwerbstätigkeit während der Ehe wirkt sich indessen auf die Altersrente, die der Beklagten dereinst aus der eidgenössischen Versicherung zustehen wird, nicht nachteilig aus. Die Ehejahre zählen grundsätzlich als Beitragsjahre (Art. 29bis Abs. 2
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SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 29bis Allgemeine Bestimmungen für die Rentenberechnung - 1 Die Rente wird bei Erreichen des Referenzalters berechnet. |
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1 | Die Rente wird bei Erreichen des Referenzalters berechnet. |
2 | Für die Rentenberechnung werden Beitragsjahre, Erwerbseinkommen sowie Erziehungs- oder Betreuungsgutschriften der rentenberechtigten Person zwischen dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres und dem 31. Dezember vor Eintritt des Versicherungsfalles (Referenzalter oder Tod) berücksichtigt. |
3 | Hat die rentenberechtigte Person nach Erreichen des Referenzalters AHV-Beiträge entrichtet, so kann sie einmal eine neue Berechnung ihrer Rente verlangen. Bei der Neuberechnung werden die Erwerbseinkommen berücksichtigt, welche die rentenberechtigte Person während der zusätzlichen Beitragsdauer erzielt und auf denen sie Beiträge entrichtet hat. Nach Erreichen des Referenzalters entrichtete Beiträge begründen keinen Anspruch auf eine Rente. |
4 | Beitragslücken können geschlossen werden mit den Beiträgen, die die rentenberechtigte Person zwischen dem Erreichen des Referenzalters und fünf Jahre danach einzahlt, wenn sie in dieser Zeit: |
a | ein Einkommen erzielt, das mindestens 40 Prozent des ungeteilten Erwerbseinkommens entspricht, das in der Periode nach Absatz 2 durchschnittlich erzielt wurde; und |
b | Beiträge aus diesem Einkommen einzahlt, die dem jährlichen Mindestbeitrag entsprechen. |
5 | Der Bundesrat regelt die Anrechnung: |
a | der Beitragsmonate im Jahr der Entstehung des Rentenanspruchs; |
b | der Beitragszeiten vor dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres; |
c | der Zusatzjahre; und |
d | der nach dem Referenzalter zurückgelegten Beitragszeiten. |
6 | Er regelt zudem, wann der Anspruch auf die neu berechnete Rente nach Absatz 3 beginnt. |
BGE 118 II 229 S. 235
Tod des Klägers. Die Beklagte ist aber gegen die Folgen dieses Ereignisses durch die Sozialversicherung versichert. Nach dem Tod des geschiedenen Mannes berechnet sich unter bestimmten, vorliegend gegebenen Voraussetzungen die Altersrente der geschiedenen Frau auf Grund der Beiträge des geschiedenen Mannes. Eine Differenz zwischen den gemäss Scheidungsurteil geschuldeten Unterhaltsleistungen und den zusätzlichen Leistungen der AHV sind gegebenenfalls von der Pensionskasse des Verstorbenen als Witwenrente auszugleichen (Art. 19 Abs. 3
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SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) BVG Art. 19 Überlebender Ehegatte - 1 Der überlebende Ehegatte hat Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente, wenn er beim Tod des Ehegatten: |
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1 | Der überlebende Ehegatte hat Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente, wenn er beim Tod des Ehegatten: |
a | für den Unterhalt mindestens eines Kindes aufkommen muss; oder |
b | älter als 45 Jahre ist und die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert hat. |
2 | Der überlebende Ehegatte, der keine der Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, hat Anspruch auf eine einmalige Abfindung in Höhe von drei Jahresrenten. |
3 | Der Bundesrat regelt den Anspruch geschiedener Personen auf Hinterlassenenleistungen. |
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SR 412.101 Verordnung vom 19. November 2003 über die Berufsbildung (Berufsbildungsverordnung, BBV) - Berufsbildungsverordnung BBV Art. 20 Freikurse und Stützkurse - (Art. 22 Abs. 3 und 4 BBG) |
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1 | Freikurse und Stützkurse der Berufsfachschule sind so anzusetzen, dass der Besuch ohne wesentliche Beeinträchtigung der Bildung in beruflicher Praxis möglich ist. Ihr Umfang darf während der Arbeitszeit durchschnittlich einen halben Tag pro Woche nicht übersteigen. |
2 | Die Notwendigkeit des Besuchs von Stützkursen wird periodisch überprüft. |
3 | Sind Leistungen oder Verhalten in der Berufsfachschule oder im Lehrbetrieb ungenügend, so schliesst die Schule im Einvernehmen mit dem Lehrbetrieb die lernende Person von Freikursen aus. Bei Uneinigkeit entscheidet die kantonale Behörde. |
4 | Die Berufsfachschulen sorgen für ein ausgewogenes Angebot an Frei- und Stützkursen. Sie ermöglichen insbesondere Freikurse in Sprachen. |
4. Die vom Obergericht vorgenommene Kürzung der Rente erweist sich auch vom Betrag her als angemessen. Wie dargestellt, übersteigt der tatsächliche Verdienst den erwarteten um mindestens Fr. 1'250.-- (vgl. vorn E. 3a). Die Vorinstanz hat eine Kürzung der Rente um Fr. 600.-- vorgenommen. Dies ist etwa die Hälfte des von der Beklagten erzielten zusätzlichen Verdienstes. Es bleibt damit ein genügender Anreiz, für eine wirtschaftliche Besserstellung selber zu sorgen. Die Angemessenheit der Kürzung kann nicht davon abhängen, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des oder der Rentenpflichtigen verändert haben. Diese bleiben grundsätzlich unberücksichtigt (BGE 117 II 366).