Urteilskopf

118 Ib 536

66. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Dezember 1992 i.S. Denner AG gegen Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 537

BGE 118 Ib 536 S. 537

Die Denner AG ersuchte das Bundesamt für Aussenwirtschaft, Abteilung für Ein- und Ausfuhr, um eine Einfuhrbewilligung für 16'000 kg Geflügel (Putenschenkel). Dem Gesuch wurde nicht entsprochen. Zur Begründung wies die Abteilung für Ein- und Ausfuhr darauf hin, dass die Verordnung betreffend die Übernahme von inländischem Geflügel vom 22. März 1989 (Geflügelverordnung, SR 916.335) die Importeure verpflichte, inländisches Geflügel zu übernehmen. Einfuhrbewilligungen würden nur erteilt, wenn der Importeur entweder inländisches Geflügel aufgrund des Vertrages zwischen den schweizerischen Geflügelimporteuren und der Vereinigung SEG der schweizerischen Geflügelwirtschaft übernehme oder wenn er individuelle Übernahmeverträge mit bäuerlichen Geflügelmästereien abschliesse. Einen entsprechenden Nachweis habe die Denner AG nicht geleistet. Eine Beschwerde, mit der die Denner AG die Rechtmässigkeit der Geflügelverordnung bestritten hatte, wurde vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement abgewiesen. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht beantragt die Denner AG, der Entscheid des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Import von Puten (Truten) nicht beschränkt werden könne. Zur Begründung macht sie geltend, die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Einfuhr im Sinne von Art. 23 Abs. 1
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 23 Ersatzleistung, Ersatzabgabe - 1 Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
1    Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
a  die Inlandleistung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck nicht erforderlich ist; oder
b  die Erfüllung der Inlandleistung für den Importeur unmöglich ist oder eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
2    Die Ersatzleistung oder die Ersatzabgabe ist so anzusetzen, dass sie die Vorteile ausgleicht, die dem Importeur aus der Befreiung von der Inlandleistung entstehen.
des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1952 (LwG; SR 910.1) seien nicht gegeben. Es fehle bereits an einer Gefährdung des Absatzes einheimischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Sodann nehme die Geflügelverordnung keine "Rücksicht auf die andern Wirtschaftszweige". Weiter seien Truten- und Pouletfleisch nicht gleichartige Erzeugnisse, weshalb eine mengenmässige Beschränkung des Trutenimportes zugunsten einheimischer Pouletfleischproduktion nicht zulässig sei. Schliesslich stammten die geschützten Erzeugnisse nicht aus bäuerlichen, sondern aus industriellen Betrieben, deren Absatz nicht auf Grundlage der Landwirtschaftsgesetzgebung gesichert werden dürfe.
BGE 118 Ib 536 S. 538

Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab
Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

1. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, die Geflügelverordnung sei in ihrem Fall unzutreffend angewendet worden. Sie stellt vielmehr die Rechtmässigkeit der Verordnung selbst, auf der der angefochtene Entscheid beruht, in Frage. Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin kann das Bundesgericht vorfrageweise Verordnungen des Bundesrats auf ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 113 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
und 114bis Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
BV für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus andern Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sei (BGE 114 Ib 19 E. 2 mit Hinweisen). Die Geflügelverordnung stützt sich im wesentlichen auf Art. 23 Abs. 1 lit. c
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 23 Ersatzleistung, Ersatzabgabe - 1 Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
1    Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
a  die Inlandleistung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck nicht erforderlich ist; oder
b  die Erfüllung der Inlandleistung für den Importeur unmöglich ist oder eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
2    Die Ersatzleistung oder die Ersatzabgabe ist so anzusetzen, dass sie die Vorteile ausgleicht, die dem Importeur aus der Befreiung von der Inlandleistung entstehen.
LwG. Sofern danach der Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu angemessenen Preisen gefährdet ist, kann der Bundesrat, unter Rücksichtnahme auf die andern Wirtschaftszweige, die Importeure zur Übernahme von gleichartigen Erzeugnissen inländischer Herkunft verpflichten. Die Beschwerdeführerin macht geltend, mit dem Erlass der Geflügelverordnung habe der Bundesrat in verschiedener Hinsicht die ihm durch das Gesetz übertragenen Befugnisse überschritten und er habe eine gesetzwidrige Regelung erlassen.

2. a) Nach Meinung der Beschwerdeführerin fehlt es schon an einer Gefährdung des Absatzes einheimischer Erzeugnisse. Hiezu ist vorab festzuhalten, dass der Bundesrat auf eine Prognose angewiesen ist, wenn er darüber zu befinden hat, ob der Erlass von
BGE 118 Ib 536 S. 539

Einfuhrbeschränkungen erforderlich ist oder nicht. Eine solche Entscheidung beruht auf "prospektivem Ermessen". Das Bundesgericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob der Befund des Bundesrates schlechterdings unhaltbar ist (BGE 100 Ib 435). b) Erlass und Ausgestaltung der Geflügelverordnung erklären sich wesentlich aus den Strukturen des Geflügelimportes. Wie das Bundesgericht bereits in publizierten Urteilen vom 12. Dezember 1991 (BGE 117 Ib 450 ff., 465 ff. und 469 ff.) festgestellt hat, liegt der Geflügelimportmarkt in den Händen zweier verschiedener Kategorien von Importeuren. Die ersteren, welche über einen Marktanteil von rund 90% verfügen, sind über einen privatrechtlichen Vertrag mit der Vereinigung SEG der schweizerischen Geflügelwirtschaft verbunden. Dieser Vertrag geht auf die 30er Jahre zurück. Er ist in abgeänderten Fassungen mehrfach erneuert worden, so insbesondere am 29. April 1981 und - neuestens - am 1. Mai 1991. Die Importeure übernehmen danach eine bestimmte Menge einheimischen Geflügels, welche sich nach dem jeweiligen Importanteil bemisst. Sie finanzieren den Geflügelausgleichsfonds, der dazu dient, den Preis des einheimischen Geflügels zu senken. Dem Vertrag angeschlossen ist auch der Migros-Genossenschafts-Bund, für den allerdings aufgrund seines ökonomischen Gewichts ein Spezialstatut geschaffen wurde. Danach wird ein spezieller, vom Migros-Genossenschafts-Bund gespiesener Ausgleichsfonds geführt, der das über die Migros-Tochter Optigal produzierte Geflügel verbilligen soll. Dieses Import- und Übernahmesystem des Migros-Genossenschafts-Bundes bleibt jedoch Teil der privatrechtlich geschaffenen Marktordnung. Da diese Marktordnung auf rein vertraglicher Basis beruht, können die Importeure nicht gezwungen werden, sich daran zu beteiligen. Das hat, insbesondere in den letzten zehn Jahren, zur Bildung einer zweiten Kategorie von Importeuren geführt, die an der vertraglichen Regelung nicht beteiligt waren. Diese Importeure konnten vor Inkrafttreten der Geflügelverordnung am 31. März 1989 Geflügel frei einführen. Weil im Laufe der Jahre ein immer grösser werdender Teil von Aussenseitern nicht mehr bereit war, sich an der Speisung des Geflügelausgleichsfonds zu beteiligen, hat der Bundesrat mit der Geflügelverordnung eine Regelung getroffen, die auch die am privatrechtlichen Vertrag nicht beteiligten Importeure verpflichtet, einheimisches Geflügel zu übernehmen, und die die Erteilung von Einfuhrbewilligungen hievon abhängig macht (vgl. zu diesen Entstehungsgründen der Geflügelverordnung BGE 117 Ib 452 E. 2, 471 E. 2).
BGE 118 Ib 536 S. 540

c) Dem Bundesrat ging es also darum, mit einer subsidiären Ordnung die privatwirtschaftliche Einfuhrregelung für jene Importeure zu ergänzen, die sich am Vertrag zwischen den schweizerischen Geflügelimporteuren und der Vereinigung SEG der schweizerischen Geflügelwirtschaft nicht beteiligen wollten oder konnten. Die vom Bundesrat gehegte Befürchtung lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die bisher funktionierende Marktordnung zerstört würde, wenn sich einmal eine nicht mehr vernachlässigbare Zahl von Importeuren der privatrechtlichen Regelung entzieht und sich dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft. Dieses Verhalten hat zwangsläufig eine Sogwirkung zur Folge, welcher nur durch staatliche Eingriffe Einhalt geboten werden kann. Es kommt daher nicht darauf an, ob die von der Beschwerdeführerin und weiteren Aussenseitern getätigten Importe selbst schon dazu führen würden, dass einheimische Erzeugnisse nicht mehr zu angemessenen Preisen abgesetzt werden können. Die Beschwerdeführerin kritisiert zu Unrecht, der Bundesrat habe eine "präventiv angelegte Massnahme" angeordnet. Der Bundesrat durfte im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens vielmehr annehmen, die privatwirtschaftliche Marktordnung werde durch das Verhalten der Aussenseiter zusehends in Frage gestellt und als Folge davon werde im Ergebnis auch die Abräumung des einheimischen Marktes und der Absatz zu kostendeckenden Preisen gefährdet. d) Im übrigen sind die Angaben der Beschwerdeführerin unzutreffend, wonach lediglich sie selbst und eine kleinere Importeurin der privatrechtlichen Marktordnung nicht beigetreten seien. Das Bundesgericht selbst hatte sich schon mit sechs Fällen zu befassen, auf die die Ersatzregelung der Geflügelverordnung anwendbar war (Urteile vom 12. Dezember 1991); das Bundesamt für Aussenwirtschaft weist überdies darauf hin, dass bereits 19 Unternehmungen individuelle Übernahmeverträge nach Art. 3 Abs. 7
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 3 Begriff und Geltungsbereich - 1 Die Landwirtschaft umfasst:
1    Die Landwirtschaft umfasst:
a  die Produktion verwertbarer Erzeugnisse aus Pflanzenbau und Nutztierhaltung;
b  die Aufbereitung, die Lagerung und den Verkauf der entsprechenden Erzeugnisse auf den Produktionsbetrieben;
c  die Bewirtschaftung von naturnahen Flächen.
1bis    Für landwirtschaftsnahe Tätigkeiten gelten die Massnahmen des 5. und des 6. Titels. Sie setzen eine Tätigkeit auf der Grundlage von Absatz 1 Buchstaben a-c voraus.12
2    Für den produzierenden Gartenbau gelten die Massnahmen im 1. Kapitel des 2. Titels sowie jene des 5. bis 7. Titels.13
3    Für Berufsfischerei und Fischzucht gelten die Massnahmen im 1. Kapitel des 2. Titels, im 5. Titel und im 2. Kapitel des 7. Titels.
4    Für die Bienenzucht und die Bienenhaltung gelten die Massnahmen im 1. Kapitel des 2. Titels, im 6. Titel und im 2. Kapitel des 7. Titels.14
Geflügelverordnung abgeschlossen haben.
3. Die nach Art. 23
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 23 Ersatzleistung, Ersatzabgabe - 1 Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
1    Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
a  die Inlandleistung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck nicht erforderlich ist; oder
b  die Erfüllung der Inlandleistung für den Importeur unmöglich ist oder eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
2    Die Ersatzleistung oder die Ersatzabgabe ist so anzusetzen, dass sie die Vorteile ausgleicht, die dem Importeur aus der Befreiung von der Inlandleistung entstehen.
LwG zu ergreifenden Massnahmen müssen unter "Rücksichtnahme auf die andern Wirtschaftszweige" getroffen werden. Ob hiezu auch die Konsumenten gehören, wie die Beschwerdeführerin meint, kann offenbleiben (vgl. BGE 99 Ib 169). Einfuhrbeschränkungen sind zwangsläufig mit einer Verteuerung der Produkte verbunden. Die Rücksichtnahme auf die Konsumenten kann daher nicht so weit gehen, dass eine Verteuerung der Produkte generell zu vermeiden wäre. Es ist gerade der Sinn der vom Gesetzgeber vorgesehenen Einfuhrbeschränkungen, den Absatz einheimischer
BGE 118 Ib 536 S. 541

Erzeugnisse zu angemessenen Preisen sicherzustellen. Die damit verbundenen Preiserhöhungen sind nicht nur unvermeidlich, sondern gewollt. Dem Bundesrat steht sodann ein weites Ermessen in der Frage zu, auf welche Weise er auf die andern Wirtschaftszweige Rücksicht nehmen will (BGE 104 Ib 111). Dass hiebei die angeblich besondere Situation der Lebensmitteldiscounter hätte beachtet werden müssen, lässt sich nicht nachvollziehen. Auch wenn die Beschwerdeführerin bestrebt ist, ihre Waren zu möglichst tiefen Preisen anzubieten, kann sie hiefür nicht Wettbewerbsvorteile in Anspruch nehmen, die daraus resultieren, dass ihre Konkurrenten sich am Geflügelausgleichsfonds beteiligen, während sie selbst frei von solchen Verpflichtungen Importe tätigen würde.
4. Die Statuierung einer Übernahmepflicht setzt voraus, dass zwischen dem eingeführten und dem geschützten bzw. zu übernehmenden Erzeugnis Gleichartigkeit besteht. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, solche Gleichartigkeit bestehe zwischen Truten- und Pouletfleisch nicht. Indessen ging es dem Bundesrat auch darum, die einheimische Trutenproduktion zu schützen. Truten zählen beim privatwirtschaftlichen Vertragswerk ebenfalls zu den übernahmepflichtigen Erzeugnissen, weshalb der Bundesrat mit denselben Gründen wie beim Poulet von einer Gefährdung ausgehen und eine Ersatzregelung für die nicht angeschlossenen Importeure treffen konnte. Abgesehen davon ist festzuhalten, dass Art. 23 Abs. 1
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 23 Ersatzleistung, Ersatzabgabe - 1 Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
1    Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
a  die Inlandleistung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck nicht erforderlich ist; oder
b  die Erfüllung der Inlandleistung für den Importeur unmöglich ist oder eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
2    Die Ersatzleistung oder die Ersatzabgabe ist so anzusetzen, dass sie die Vorteile ausgleicht, die dem Importeur aus der Befreiung von der Inlandleistung entstehen.
LwG nicht Gleichheit, sondern Gleichartigkeit der Erzeugnisse verlangt. Der Begriff der Gleichartigkeit ist vom Gesetz nicht näher umschrieben worden, vielmehr ist diese Aufgabe bewusst dem Bundesrat überlassen worden, dem je nach der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein weiter Spielraum zukommen sollte (Sten.Bull. 1951 N. 57 f., Votum des Kommissionspräsidenten Obrecht). Wenn der Bundesrat die Warengruppe des Geflügels zusammenfasste und in der Geflügelverordnung einheitlich behandelte, so lässt sich darin folglich kein Gesetzesverstoss erkennen. Schon in der Allgemeinen Landwirtschafts-Verordnung vom 21. Dezember 1953 (SR 916.01) wurde bei Umschreibung der der Einfuhrbewilligungspflicht unterliegenden Waren (Art. 28) der Begriff Geflügel im weiten Sinne der Zolltarifnummern 0207.1000/5000 (wo u.a. Hühner, Truthühner, Enten, Gänse und Perlhühner aufgezählt sind) verwendet. Daneben unterliegt das übrige Fleisch einer besonderen Importregelung. Wenn die Auffassung der Beschwerdeführerin zutreffen sollte,
BGE 118 Ib 536 S. 542

Trutenfleisch substituiere im Konsum eher Kalbfleisch als Pouletfleisch, wäre die Konsequenz, die Einfuhr von Truten in die Schlachtviehverordnung einzubeziehen. Die naheliegende Gleichbehandlung mit dem Geflügel entspricht aber der landwirtschaftsrechtlichen Zielgebung durchaus. Wenn auch die inländische Trutenproduktion im Vergleich zur Pouletproduktion gering sein mag, ist deren Importbindung an die Abräumung der inländischen Geflügelproduktion insgesamt gerechtfertigt.
5. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, die Geflügelverordnung schütze nicht bäuerliche, sondern gewerbliche und industrielle Geflügelproduktion. a) Die in Art. 23 Abs. 1
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 23 Ersatzleistung, Ersatzabgabe - 1 Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
1    Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
a  die Inlandleistung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck nicht erforderlich ist; oder
b  die Erfüllung der Inlandleistung für den Importeur unmöglich ist oder eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
2    Die Ersatzleistung oder die Ersatzabgabe ist so anzusetzen, dass sie die Vorteile ausgleicht, die dem Importeur aus der Befreiung von der Inlandleistung entstehen.
LwG vorgesehenen Massnahmen sind, wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, für den Schutz landwirtschaftlicher, nicht gewerblicher und industrieller Erzeugnisse bestimmt (BGE 102 Ib 360 E. 2). Die Geflügelverordnung verpflichtet aber ausdrücklich nur zur Übernahme von Geflügel aus "bäuerlichen Betrieben" (Art. 1 Abs. 1 lit. b Geflügelverordnung). Als bäuerlich gelten namentlich Betriebe, welche die Höchstbestandesvorschriften und die Auflagen des Tier- und Umweltschutzes einhalten sowie mindestens 50% des Betriebseinkommens aus nicht der Stallbauverordnung unterstehenden landwirtschaftlichen Produktionszweigen (also nicht aus Fleisch- und Eierproduktion stammenden Erzeugnissen) erzielen (Art. 1 Abs. 2 Geflügelverordnung in Verbindung mit Art. 3 Höchstbestandes- und Art. 13 Abs. 1 lit. c Stallbauverordnung). b) In Betracht fallen kann daher nur, dass die Geflügelverordnung indirekt, indem sie das privatwirtschaftliche Vertragswerk stützt, allenfalls auch der industriellen oder gewerblichen Geflügelproduktion zugute kommen könnte. Diesbezüglich muss aber beachtet werden, dass, solange die Marktabräumung auf rein privatwirtschaftlicher Basis betrieben wurde, es zum vornherein nicht Sache des Staates war, dafür zu sorgen, dass in den Genuss der vertraglichen Regelung nur bäuerliche Betriebe kommen konnten. Sodann hat die von der Beschwerdeführerin als industriell angesprochene Optigal AG bis zum 31. Dezember 1991, entsprechend der Übergangsfrist von Art. 25 der Höchstbestandesverordnung, ihre eigene Produktion abgebaut und sie in bäuerliche Betriebe verlegt. Und auch im übrigen erfüllen sämtliche Betriebe, die in den letzten Jahren aufgestockt wurden, die Voraussetzungen, welche in der Geflügelverordnung an bäuerliche Betriebe gestellt werden. Angesichts dieser Entwicklung lässt sich nicht
BGE 118 Ib 536 S. 543

sagen, die Geflügelverordnung sanktioniere indirekt eine Marktordnung, welche gewerbliche und industrielle Produktionsbetriebe fördere. Vielmehr wird diese privatwirtschaftliche Marktordnung gerade dahingehend umgestaltet, dass sie auch den Anforderungen der Geflügelverordnung genügen würde. Dass dies nicht schlagartig erfolgen kann, liegt auf der Hand und kann nicht zur Folge haben, dass auf die Abräumung der einheimischen Erzeugnisse überhaupt verzichtet würde, denn gerade dadurch würden die bäuerlichen Betriebe am meisten tangiert. Die Beschwerdeführerin selbst ist, soweit sie importiert, auf der Grundlage der Geflügelverordnung ohnehin nur verpflichtet, Geflügel aus bäuerlichen Betrieben zu übernehmen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 118 IB 536
Datum : 09. Dezember 1992
Publiziert : 31. Dezember 1992
Quelle : Bundesgericht
Status : 118 IB 536
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 23 Abs. 1 lit. c LwG und Geflügelverordnung; Pflicht der Importeure zur Übernahme von inländischem Geflügel. 1. Gefährdung


Gesetzesregister
BV: 113 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
114bis
LwG: 3 
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 3 Begriff und Geltungsbereich - 1 Die Landwirtschaft umfasst:
1    Die Landwirtschaft umfasst:
a  die Produktion verwertbarer Erzeugnisse aus Pflanzenbau und Nutztierhaltung;
b  die Aufbereitung, die Lagerung und den Verkauf der entsprechenden Erzeugnisse auf den Produktionsbetrieben;
c  die Bewirtschaftung von naturnahen Flächen.
1bis    Für landwirtschaftsnahe Tätigkeiten gelten die Massnahmen des 5. und des 6. Titels. Sie setzen eine Tätigkeit auf der Grundlage von Absatz 1 Buchstaben a-c voraus.12
2    Für den produzierenden Gartenbau gelten die Massnahmen im 1. Kapitel des 2. Titels sowie jene des 5. bis 7. Titels.13
3    Für Berufsfischerei und Fischzucht gelten die Massnahmen im 1. Kapitel des 2. Titels, im 5. Titel und im 2. Kapitel des 7. Titels.
4    Für die Bienenzucht und die Bienenhaltung gelten die Massnahmen im 1. Kapitel des 2. Titels, im 6. Titel und im 2. Kapitel des 7. Titels.14
23
SR 910.1 Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) - Landwirtschaftsgesetz
LwG Art. 23 Ersatzleistung, Ersatzabgabe - 1 Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
1    Ist die Zuteilung eines Zollkontingentanteils von einer Inlandleistung abhängig (Art. 22 Abs. 2 Bst. b), so kann der Bundesrat eine geeignete Ersatzleistung oder eine Ersatzabgabe festlegen, wenn:
a  die Inlandleistung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck nicht erforderlich ist; oder
b  die Erfüllung der Inlandleistung für den Importeur unmöglich ist oder eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
2    Die Ersatzleistung oder die Ersatzabgabe ist so anzusetzen, dass sie die Vorteile ausgleicht, die dem Importeur aus der Befreiung von der Inlandleistung entstehen.
BGE Register
100-IB-429 • 102-IB-356 • 104-IB-108 • 114-IB-17 • 117-IB-450 • 118-IB-536 • 99-IB-159
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesrat • privatwirtschaft • bundesgericht • ermessen • wirtschaftszweig • einfuhr • frage • einfuhrbewilligung • genossenschaft • zahl • bundesgesetz über die landwirtschaft • ware • fleisch • produktion • ausfuhr • kategorie • unselbständige verordnung • verhalten • entscheid • unternehmung
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