Urteilskopf

117 III 63

19. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5. November 1991 i.S. D. (Rekurs)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 64

BGE 117 III 63 S. 64

Über den Ehegatten der Rekurrentin ist am 22. April 1991 der Konkurs eröffnet worden. Mit Verfügung vom 16. Juli 1991 teilte das Konkursamt Binningen der von ihrem Ehemann getrennt lebenden Ehefrau mit, dass sie ab 1. August 1991 für die Benutzung der Liegenschaft in Binningen einen vorschüssigen Mietzins von monatlich Fr. 3'000.-- bezahlen müsse. Die Ehefrau beschwerte sich über diese Verfügung bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft. Diese wies die Beschwerde am 26. August 1991 ab, und auch die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgericht wies den bei ihr von der Ehefrau erhobenen Rekurs ab.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft hat mit zutreffender Begründung den von der Rekurrentin geltend gemachten Anspruch, die in die Konkursmasse fallende Liegenschaft bis zur Verwertung unentgeltlich benützen zu können, verneint.
BGE 117 III 63 S. 65

Nach Art. 229 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 229 - 1 Der Schuldner ist bei Straffolge (Art. 323 Ziff. 5 StGB414) verpflichtet, während des Konkursverfahrens zur Verfügung der Konkursverwaltung zu stehen; er kann dieser Pflicht nur durch besondere Erlaubnis enthoben werden. Nötigenfalls wird er mit Hilfe der Polizeigewalt zur Stelle gebracht. Die Konkursverwaltung macht ihn darauf und auf die Straffolge ausdrücklich aufmerksam.415
1    Der Schuldner ist bei Straffolge (Art. 323 Ziff. 5 StGB414) verpflichtet, während des Konkursverfahrens zur Verfügung der Konkursverwaltung zu stehen; er kann dieser Pflicht nur durch besondere Erlaubnis enthoben werden. Nötigenfalls wird er mit Hilfe der Polizeigewalt zur Stelle gebracht. Die Konkursverwaltung macht ihn darauf und auf die Straffolge ausdrücklich aufmerksam.415
2    Die Konkursverwaltung kann dem Schuldner, namentlich wenn sie ihn anhält, zu ihrer Verfügung zu bleiben, einen billigen Unterhaltsbeitrag gewähren.
3    Die Konkursverwaltung bestimmt, unter welchen Bedingungen und wie lange der Schuldner und seine Familie in der bisherigen Wohnung verbleiben dürfen, sofern diese zur Konkursmasse gehört.416
SchKG bestimmt die Konkursverwaltung, wie lange der Gemeinschuldner und seine Familie im Genuss der bisherigen Wohnung zu belassen sind. Ein Anspruch auf kostenloses Wohnen lässt sich aus dieser Vorschrift nicht herleiten; vielmehr legt die Konkursverwaltung die Bedingungen fest, zu welchen die Familie des Schuldners in der Wohnung bleiben kann. Der in der Betreibung auf Pfändung oder auf Grundpfandverwertung anwendbare Art. 19
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 19 - Der Schuldner kann bis zur Verwertung des Grundstückes weder zur Bezahlung einer Entschädigung für die von ihm benutzten Wohn- und Geschäftsräume verpflichtet noch zu deren Räumung genötigt werden.
VZG gilt - wie die Rekurrentin selber anerkennt - nicht für das Konkursverfahren (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. Auflage Lausanne 1988, S. 313, § 1, mit Hinweis auf BlSchK 1978, S. 30 f.). Selbst wenn diese Bestimmung analog auf das Konkursverfahren angewendet würde, stünde es im Ermessen der Konkursverwaltung, je nach den konkreten Umständen dem Schuldner die Wohnung bis zur Verwertung unentgeltlich zu überlassen oder für deren Benützung eine Entschädigung zu verlangen (BlSchK 1978, S. 31; Repertorio 122/1989, S. 200 f.; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988, § 44 N 7). Gründe, welche den Entscheid des Konkursamtes - welches die Aktivmasse im Interesse der Gläubiger zu verwalten hat - als offensichtlich unbillig erscheinen liessen, werden von der Rekurrentin nicht vorgebracht. In diesem Punkt verletzt der angefochtene Entscheid in keiner Weise Bundesrecht, und die Ausführungen der Rekurrentin bezüglich fehlender Solidarschuldnerschaft für die Hypothekarzinsen gehen an der Sache vorbei.
2. a) Gemäss Art. 213 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 213 - 1 Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
1    Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
2    Die Verrechnung ist jedoch ausgeschlossen:
1  wenn ein Schuldner des Konkursiten erst nach der Konkurseröffnung dessen Gläubiger wird, es sei denn, er habe eine vorher eingegangene Verpflichtung erfüllt oder eine für die Schuld des Schuldners als Pfand haftende Sache eingelöst, an der ihm das Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht zusteht (Art. 110 Ziff. 1 OR383);
2  wenn ein Gläubiger des Schuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird.
3  ...
3    Die Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren ist zulässig, wenn und soweit der Gläubiger nachweist, dass er sie in gutem Glauben vor der Konkurseröffnung erworben hat.385
4    Im Konkurs einer Kommanditgesellschaft, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditaktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft können nicht voll einbezahlte Beträge der Kommanditsumme oder des Gesellschaftskapitals sowie statutarische Beiträge an die Genossenschaft nicht verrechnet werden.386 387
SchKG kann ein Gläubiger seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Gemeinschuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen. Unter Berufung auf diese Bestimmung behauptet die Rekurrentin des weitern, sie könne die von ihr verlangten Mietzinse mit ihrer Forderung auf Unterhaltsbeitrag bzw. auf unentgeltliches Wohnen, die ihr aus der Trennungskonvention aus dem Jahr 1986 zustehe, verrechnen. Der Rechtsgrund der Verrechnung - führt die Rekurrentin aus - sei vor Konkurseröffnung gesetzt worden, habe sie doch schon seit vielen Jahren gegenüber dem Gemeinschuldner und heute gegenüber der Konkursmasse Anspruch auf (unentgeltliche) Benützung der Liegenschaft bis zur Verwertung. Zudem werde die Forderung der Konkursverwaltung auf Bezahlung eines Mietzinses erst ab 1. August 1991 erhoben. Die Verrechnung einer solchen Forderung sei nach den allgemeinen Grundsätzen der Art. 120 ff.
BGE 117 III 63 S. 66

OR insbesondere des Art. 123 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 123 - 1 Im Konkurse des Schuldners können die Gläubiger ihre Forderungen, auch wenn sie nicht fällig sind, mit Forderungen, die dem Gemeinschuldner ihnen gegenüber zustehen, verrechnen.
1    Im Konkurse des Schuldners können die Gläubiger ihre Forderungen, auch wenn sie nicht fällig sind, mit Forderungen, die dem Gemeinschuldner ihnen gegenüber zustehen, verrechnen.
2    Die Ausschliessung oder Anfechtung der Verrechnung im Konkurse des Schuldners steht unter den Vorschriften des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts.
OR, zulässig; denn die Voraussetzungen der Verrechnung - Fälligkeit und Gleichartigkeit der geltend gemachten Forderungen - seien hier gegeben. Da beide Forderungen nach Eröffnung des Konkurses über den Gemeinschuldner fällig geworden seien, könne auch nicht von unlauteren Machenschaften gesprochen werden. b) In einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall (BGE 115 III 67 E. 3b) ist darauf hingewiesen worden, dass mit der Konkurseröffnung die Verfügungsfähigkeit des Eigentümers der Liegenschaft (dort der Vermieterin einer Wohnung, deren Mieter vor Konkurseröffnung die Verrechnung einer Kontokorrent-Forderung mit den künftig von ihm geschuldeten Mietzinsen erklärt hatte) auf die Konkursmasse übergeht. Damit erfolgte ein Wechsel in der Rechtszuständigkeit, der zur Folge hatte, dass die nach Konkurseröffnung fälligen Mietzinsforderungen zu Forderungen der Masse wurden. Forderungen der Konkursmasse können nun aber nicht mit den Unterhaltsforderungen verrechnet werden, die - wie in dem hier zu beurteilenden Fall - trotz der Konkurseröffnung weiterhin vom Gemeinschuldner geschuldet werden. Ebensowenig kann die zuvor getroffene Vereinbarung, dass die eheliche Liegenschaft der Ehefrau unentgeltlich zur Verfügung stehen solle, der Konkursverwaltung entgegengehalten und mit Forderungen der Masse verrechnet werden (vgl. zur Verrechnung im Konkurs allgemein AMONN, a.a.O., § 40 N 51 ff.; GILLIÉRON, a.a.O., S. 304 ff., § 9). Es ist deshalb in Fällen wie dem vorliegenden ohne Belang, dass der Rechtsgrund für die Forderungen der Rekurrentin gegenüber ihrem Ehemann vor Konkurseröffnung gesetzt worden ist und dass die in Frage stehenden Forderungen - also die Mietzinsforderung der Konkursmasse einerseits und der Unterhaltsanspruch der Ehefrau wie auch deren Anspruch auf unentgeltliche Benützung der Wohnung anderseits - erst nach der Konkurseröffnung fällig geworden seien, wie die Rekurrentin vorbringt. Auch in dieser Hinsicht hat daher die kantonale Aufsichtsbehörde kein Bundesrecht verletzt, wenn sie gestützt auf Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 213 - 1 Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
1    Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.
2    Die Verrechnung ist jedoch ausgeschlossen:
1  wenn ein Schuldner des Konkursiten erst nach der Konkurseröffnung dessen Gläubiger wird, es sei denn, er habe eine vorher eingegangene Verpflichtung erfüllt oder eine für die Schuld des Schuldners als Pfand haftende Sache eingelöst, an der ihm das Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht zusteht (Art. 110 Ziff. 1 OR383);
2  wenn ein Gläubiger des Schuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird.
3  ...
3    Die Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren ist zulässig, wenn und soweit der Gläubiger nachweist, dass er sie in gutem Glauben vor der Konkurseröffnung erworben hat.385
4    Im Konkurs einer Kommanditgesellschaft, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditaktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft können nicht voll einbezahlte Beträge der Kommanditsumme oder des Gesellschaftskapitals sowie statutarische Beiträge an die Genossenschaft nicht verrechnet werden.386 387
SchKG die Verrechnung ausgeschlossen hat. Richtig besehen, ist die Rekurrentin erst nach der Konkurseröffnung Schuldnerin der Konkursmasse (für den von ihr ab 1. August 1991 geforderten Mietzins) geworden.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 117 III 63
Date : 05. November 1991
Published : 31. Dezember 1992
Source : Bundesgericht
Status : 117 III 63
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Art. 229 Abs. 3 SchKG; Unterhaltsanspruch des Schuldners. Aus dieser Bestimmung lässt sich kein Anspruch auf kostenloses


Legislation register
OR: 123
SchKG: 213  229
VZG: 19
BGE-register
115-III-65 • 117-III-63
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assets • bankruptcy proceeding • basel-landschaft • cantonal remedies • condition • correctness • current account • debt enforcement and bankruptcy law • debtor • decision • discretion • family • federal court • intrigues • joint debtorship • lausanne • legal ground • meadow • measure • month • prosecution for levy of execution • prosecution office • question • receivership • spouse • statement of affairs • statement of reasons for the adjudication • use
BlSchK
1978 S.30 • 1978 S.31