117 II 382
71. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. September 1991 i.S. W. gegen K. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 18 Abs. 1, Art. 243 Abs. 1 OR. Formzwang bei Teilsimulation.
- Die Beurkundung auch eines nur teilweise simulierten Geschäfts ersetzt die fehlende Schriftform des dissimulierten Geschäfts nicht.
Regeste (fr):
- Art. 18 al. 1, art. 243 al. 1 CO. Exigence de forme en cas de simulation partielle.
- La passation par écrit d'un acte simulé même seulement en partie ne supplée pas à l'absence de la forme écrite exigée pour l'acte dissimulé.
Regesto (it):
- Art. 18 cpv. 1, art. 243 cpv. 1 CO. Requisiti formali in caso di simulazione parziale.
- La stipulazione per iscritto di un negozio simulato sia pure solo in parte non sana la mancanza della forma scritta richiesta per il negozio dissimulato.
Sachverhalt ab Seite 382
BGE 117 II 382 S. 382
A.- Durch ihren Vormund H. kam die im Pflegeheim der Frau W. wohnende Fräulein G. mit Rechtsanwalt K. in Kontakt. Dieser fertigte für Fräulein G., deren einzige gesetzliche Erbin ihres Vermögens von rund 1,5 Mio. Franken eine Cousine war, einen Testamentsentwurf an, der vorsah, dass H. und Frau W. zu gleichen Teilen Alleinerben und K. Willensvollstrecker sein sollten. Fräulein G. schrieb den Entwurf eigenhändig ab und starb am 10. April 1984. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 18. Januar 1985 wurde K. von den beiden eingesetzten Erben ein Willensvollstreckerhonorar von Fr. 200'000.-- zugesichert, das jedoch nur im Falle des Erbschaftsantritts gemäss Testament geschuldet sei und sich andernfalls nach der Gebührenordnung des Vereins Zürcherischer Rechtsanwälte bemesse. Damit K. im Testamentanfechtungsprozess, den die Cousine der Verstorbenen inzwischen angehoben hatte, als Zeuge aussagen könne, wurde die Vereinbarung am 7. September 1985 durch eine neue ersetzt. Darin ernannten
BGE 117 II 382 S. 383
Frau W. und H. anstelle des aus prozesstaktischen Gründen zurücktretenden K. dessen Bürokollegen H. zum "Teilungsbeauftragten" und versprachen diesem ein vom Prozessausgang abhängiges Honorar von bis zu Fr. 230'000.--. Darauf trat K. als Willensvollstrecker zurück, war aber weiterhin als Substitut von H. in der Sache tätig. Nachdem Frau W. und H. im Testamentanfechtungsprozess einen Vergleich über netto Fr. 871'350.-- (58% des Nachlasses von 1,5 Mio. Franken) hatten schliessen können, stellte ihnen K. im Auftrag von H. am 21. April 1986 Fr. 133'400.-- in Rechnung (58% des Honorars von Fr. 230'000.--).
Die Honorarhöhe veranlasste Frau W., gegen H. und K. ein Disziplinarverfahren anzustrengen. Die Aufsichtskommission über die Zürcher Rechtsanwälte kam in ihrem Beschluss vom 4. Februar 1987 zum Ergebnis, dass das am 7. September 1985 vereinbarte Honorar zwar kein Erfolgshonorar darstelle, weil Frau W. und H. den Betrag, soweit er ein angemessenes Willensvollstreckerhonorar übersteige, als Schenkung für die erfolgreiche Intervention von K. bei Fräulein G. versprochen hätten. K. wurde aber trotzdem gebüsst, weil die Vereinbarung vom 7. September als übersetzte Honorarabrede zur Kaschierung einer zweifelhaften Schenkung zu qualifizieren sei, die gegen das Verbot der Schaffung unklarer Rechtsverhältnisse verstosse. Nach Abtretung sämtlicher Ansprüche von H. an K. teilte dieser am 6. Mai 1988 Frau W. und H. mit, sein "eigentliches Honorar als Willensvollstrecker" betrage gemäss beiliegender Rechnung Fr. 40'252.60 und werde hälftig aufgeteilt; gleichzeitig erinnerte K. an seine Restansprüche aus der Vereinbarung vom 7. September.
B.- Weil von Frau W., anders als von H., keine Zahlung einging, klagte K. am 20. September 1988 gegen sie beim Bezirksgericht Uster auf Zahlung der ausstehenden Honorarhälfte von Fr. 20'126.30. Die Beklagte erhob Widerklage auf Feststellung, dass dem Kläger über ein angemessenes Willensvollstreckerhonorar hinaus keine weiteren Ansprüche zustünden. In seinem Urteil vom 19. Dezember 1989 verneinte das Bezirksgericht das Vorliegen der seinerzeit von der Aufsichtskommission angenommenen Schenkung, hiess daher die Widerklage gut und schützte die Hauptklage lediglich für Fr. 16'376.70, entsprechend der Hälfte eines nach Art. 517 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 517 - 1 Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen. |
|
1 | Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen. |
2 | Dieser Auftrag ist ihnen von Amtes wegen mitzuteilen, und sie haben sich binnen 14 Tagen, von dieser Mitteilung an gerechnet, über die Annahme des Auftrages zu erklären, wobei ihr Stillschweigen als Annahme gilt. |
3 | Sie haben Anspruch auf angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit. |
BGE 117 II 382 S. 384
C.- Die Beklagte führt gegen das Urteil des Obergerichts vom 22. Juni 1990 Berufung, die das Bundesgericht teilweise gutheisst aufgrund
Erwägungen
folgender Erwägungen:
1. Das Obergericht stellt aufgrund des Beweisergebnisses fest, die Beklagte habe mit dem Honorar von bis zu Fr. 230'000.-- gemäss der Vereinbarung vom 7. September 1985 nicht nur die Dienste des Klägers als Willensvollstrecker abgelten, sondern sich auch dafür erkenntlich zeigen wollen, dass die Erbschaft der Initiative des Klägers zu verdanken gewesen sei. Habe aber die Beklagte nach ihrem tatsächlichen Willen neben einem angemessenen Willensvollstreckerhonorar eine unentgeltliche Beteiligung am Nachlass G. versprochen, sei die schriftliche Vereinbarung vom 7. September als gemischte Schenkung zu qualifizieren und die Widerklage auf Feststellung, dass dem Kläger ausser einem angemessenen Willensvollstreckerhonorar keine weitere Forderung aus Schenkung zustehe, abzuweisen. Da sodann dem Kläger aufgrund der Schenkung ohnehin weit mehr zustehe als die eingeklagte Honorarhälfte von Fr. 20'126.30, sei die Hauptklage vollumfänglich zu schützen, ohne dass geprüft werden müsse, ob ein angemessenes Willensvollstreckerhonorar diesen Betrag erreiche.
2. Wie im Folgenden zu zeigen ist, fehlt es an einem formgültigen Schenkungsversprechen (Art. 243 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 243 - 1 Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
|
1 | Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
2 | Sind Grundstücke oder dingliche Rechte an solchen Gegenstand der Schenkung, so ist zu ihrer Gültigkeit die öffentliche Beurkundung erforderlich. |
3 | Ist das Schenkungsversprechen vollzogen, so wird das Verhältnis als Schenkung von Hand zu Hand beurteilt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 243 - 1 Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
|
1 | Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
2 | Sind Grundstücke oder dingliche Rechte an solchen Gegenstand der Schenkung, so ist zu ihrer Gültigkeit die öffentliche Beurkundung erforderlich. |
3 | Ist das Schenkungsversprechen vollzogen, so wird das Verhältnis als Schenkung von Hand zu Hand beurteilt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 243 - 1 Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
|
1 | Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
2 | Sind Grundstücke oder dingliche Rechte an solchen Gegenstand der Schenkung, so ist zu ihrer Gültigkeit die öffentliche Beurkundung erforderlich. |
3 | Ist das Schenkungsversprechen vollzogen, so wird das Verhältnis als Schenkung von Hand zu Hand beurteilt. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 517 - 1 Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen. |
|
1 | Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen. |
2 | Dieser Auftrag ist ihnen von Amtes wegen mitzuteilen, und sie haben sich binnen 14 Tagen, von dieser Mitteilung an gerechnet, über die Annahme des Auftrages zu erklären, wobei ihr Stillschweigen als Annahme gilt. |
3 | Sie haben Anspruch auf angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit. |
a) Bei der Vereinbarung vom 7. September 1985 handelt es sich um eine Teilsimulation. Wie bereits die Aufsichtskommission ausgeführt hat, war die verurkundete Honorarbrede nur im Umfang eines angemessenen Willensvollstreckerhonorars von den Parteien tatsächlich gewollt, im übrigen jedoch simuliert, um aus steuerlichen und anderen Gründen ein Schenkungsversprechen in der Höhe des Differenzbetrags zwischen einem angemessenen Honorar und einem Betrag von bis zu Fr. 230'000.-- zu verdecken. Gültig ist die Vereinbarung vom 7. September, soweit das versprochene Honorar ein angemessenes Willensvollstreckerhonorar
BGE 117 II 382 S. 385
nicht übersteigt. Diese Abrede war unstreitig gewollt und bedurfte keiner schriftlichen Beurkundung. Nicht gewollt und daher unbeachtlich (Art. 18 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen. |
|
1 | Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen. |
2 | Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen. |
|
1 | Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen. |
2 | Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 243 - 1 Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
|
1 | Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
2 | Sind Grundstücke oder dingliche Rechte an solchen Gegenstand der Schenkung, so ist zu ihrer Gültigkeit die öffentliche Beurkundung erforderlich. |
3 | Ist das Schenkungsversprechen vollzogen, so wird das Verhältnis als Schenkung von Hand zu Hand beurteilt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 11 - 1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. |
|
1 | Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. |
2 | Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab. |
BGE 117 II 382 S. 386
Ausmass, als eine unentgeltliche Zuwendung versprochen wird, ist daher Schenkungsrecht und damit auch die Formvorschrift des Art. 243 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 243 - 1 Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
|
1 | Das Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. |
2 | Sind Grundstücke oder dingliche Rechte an solchen Gegenstand der Schenkung, so ist zu ihrer Gültigkeit die öffentliche Beurkundung erforderlich. |
3 | Ist das Schenkungsversprechen vollzogen, so wird das Verhältnis als Schenkung von Hand zu Hand beurteilt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
|
1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
3. Hat die Beklagte den unentgeltlichen Teil ihrer Zuwendung an den Kläger nicht gültig versprochen, ist die Widerklage gutzuheissen; damit steht fest, dass dem Kläger ausser einem angemessenen Willensvollstreckerhonorar keine weiteren Ansprüche zustehen. Dementsprechend ist die Hauptklage nur im Umfang eines solchen Honorars zu schützen. Zur Bemessung des Willensvollstreckerhonorars äussert sich die Vorinstanz nicht, da sie glaubt, der Kläger habe aufgrund der Schenkung so oder so Anspruch auf den gesamten eingeklagten Betrag. Die Vorinstanz wird nach diesem Entscheid zu prüfen haben, ob die im kantonalen Berufungsverfahren gegen das vom Bezirksgericht festgesetzte Willensvollstreckerhonorar vorgebrachten Einwendungen begründet sind. Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese das angemessene Honorar im Rahmen der anerkannten Fr. 16'376.70 und der eingeklagten Fr. 20'126.30 aufgrund von Art. 517 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 517 - 1 Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen. |
|
1 | Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens beauftragen. |
2 | Dieser Auftrag ist ihnen von Amtes wegen mitzuteilen, und sie haben sich binnen 14 Tagen, von dieser Mitteilung an gerechnet, über die Annahme des Auftrages zu erklären, wobei ihr Stillschweigen als Annahme gilt. |
3 | Sie haben Anspruch auf angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit. |