117 II 374
69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Mai 1991 i.S. B. gegen E. und Obergericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 282
ZGB; Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen während der Dauer des Vaterschaftsprozesses.
- An die Glaubhaftmachung der Vaterschaft des Beklagten im Sinne von Art. 282
ZGB dürfen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Insbesondere geht es nicht an, auf die blosse Behauptung des Vaterschaftsbeklagten, die Kindsmutter habe in der kritischen Zeit auch mit Dritten verkehrt, abzustellen, ohne dass hiefür konkrete Anhaltspunkte oder Indizien vorliegen.
Regeste (fr):
- Art. 282 CC; consignation de contributions d'entretien pendant la durée du procès en recherche de paternité.
- On ne saurait poser des exigences trop élevées quant à la vraisemblance, au sens de l'art. 282 CC, de la paternité du défendeur. Il n'y a pas lieu, en particulier, de se fonder, en l'absence d'éléments ou d'indices concrets, sur la simple affirmation du défendeur à l'action en paternité selon laquelle la mère de l'enfant aurait entretenu des relations intimes avec des tiers pendant la période critique.
Regesto (it):
- Art. 282 CC; deposito dei contributi per il mantenimento durante la procedura di paternità.
- Le esigenze poste dall'art. 282 CC per rendere verosimile la paternità del convenuto non possono essere troppo elevate. In particolare, non è possibile basarsi, senza riferimenti o indizi concreti, sulla sola affermazione del convenuto che la madre ha intrattenuto delle relazioni intime con terzi durante il periodo critico.
Sachverhalt ab Seite 375
BGE 117 II 374 S. 375
A.- A. B. brachte am 9. März 1990 die Tochter C. zur Welt. Als Vater bezeichnete sie D. E., mit welchem sie vom Oktober 1988 bis 23. Januar 1990 befreundet gewesen war. A. B. gab dem von der Vormundschaftsbehörde ernannten Beistand an, mit D. E. vom Oktober 1988 bis Herbst 1989 Geschlechtsverkehr unterhalten zu haben. Die gesetzliche Empfängniszeit dauerte vom 13. Mai bis 10. September 1989.
B.- Am 4. April 1990 erhoben A. und C. B. beim Bezirksgericht X. Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen C. B. und D. E. Im Rahmen dieses Verfahrens ersuchten A. und C. B. den Gerichtspräsidenten von X. um Erlass vorsorglicher Massnahmen und beantragten, der angebliche Kindsvater sei ab März 1990 zu verhalten, für C. einstweilen einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 600.--, nebst allfälligen Kinderzulagen, zu bezahlen, eventuell sei dieser zu hinterlegen. Dieses Begehren wurde mit Verfügung vom 3. September 1990 abgewiesen.
Den gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs wies die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau am 5. November 1990 ab.
C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht beantragen A. und C. B. die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts, soweit darin das Gesuch um Hinterlegung angemessener Unterhaltsbeiträge nach Art. 282
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BGE 117 II 374 S. 376
Das Obergericht und der Beschwerdegegner D. E. beantragen die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Nach Art. 282
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
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1 | Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
2 | Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat. |
3 | Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten. |
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BGE 117 II 374 S. 377
b) Die Beschwerdeführerinnen wenden dagegen ein, die These der kantonalen Instanzen, wonach es genüge, dass der Beklagte glaubhaft mache, dass seine Vaterschaft weniger wahrscheinlich sei als diejenige eines Dritten, laufe darauf hinaus, den Zweck von Art. 282
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
4. Der Willkürvorwurf der Beschwerdeführerinnen ist begründet. In BGE 109 II 201 ist festgehalten worden, die Vaterschaft werde dann als glaubhaft gemacht betrachtet, wenn Anhaltspunkte für die Beiwohnung des Beklagten bestünden oder diese nach Ort, Zeit und weitern Umständen dargetan sei und ihr Zeitpunkt erlaube, mit der Möglichkeit einer Konzeption ernstlich zu rechnen (HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Kindesrechts, 3. Aufl., N. 21.11 S. 142; HEGNAUER, N. 56a zu Art. 262
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
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1 | Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
2 | Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat. |
3 | Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten. |
BGE 117 II 374 S. 378
Lebenswandels abgeschafft worden sei. Auch der Freier einer Dirne könne daher die Vaterschaftsvermutung, wenn diese ihm gegenüber erstellt sei, nur noch durch den in Art. 262 Abs. 3
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
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1 | Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
2 | Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat. |
3 | Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
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1 | Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
2 | Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat. |
3 | Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten. |
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BGE 117 II 374 S. 379
erheben. Diese hat in der Tat nur gerade die gegen die Kindsmutter sprechenden Argumente des Massnahmerichters hervorgehoben, hingegen völlig und ohne jede Begründung ausser Betracht gelassen, dass der Beschwerdegegner gegenüber der Beschwerdeführerin 1 vorerst seine Vaterschaft schriftlich bestätigt und auch gegenüber dem Beistand den verschiedentlich erfolgten Intimverkehr zugegeben hat. Die Rekurskommission hat sich auch nicht die Mühe genommen, die Antwort der Beschwerdeführerin 1 auf den Brief des Rechtsvertreters des Beschwerdegegners vom 2. März 1990 ernsthaft zu würdigen, aber auch das Verhalten des Beschwerdegegners nach diesem Datum gegenüber seinen früheren Zugaben einigermassen sachgerecht zu werten. Schliesslich hat die Rekurskommission des Obergerichts auch das Gutachten des Gerichtlich-medizinischen Instituts der Universität Zürich vom 8. Oktober 1990 unter dem Gesichtswinkel des Glaubhaftmachens ganz offenkundig falsch gewürdigt, wenn sie davon spricht, dass dieses Gutachten bei weitem keinen Beweis für die Vaterschaft des Beschwerdegegners erbringe; damit hat sie an die Glaubhaftmachung viel zu hohe Anforderungen gestellt. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde daher als begründet. Der Willkürvorwurf ist aber nicht nur hinsichtlich der Beweiswürdigung berechtigt, sondern der angefochtene Entscheid lässt sich auch im Ergebnis nicht halten; denn mehr den mutmasslichen Vater belastende Indizien vorzutragen, wird in solchen Fällen kaum je möglich sein. Mit der von den kantonalen Instanzen angestrebten einseitigen Praxis wird verhindert, dass die vor allem zugunsten des Kindes im Gesetz vorgesehene Sicherungsmassnahme überhaupt zum Zuge kommen kann.