117 II 321
58. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Juli 1991 i.S. Valser Mineralquellen AG gegen Passugger Heilquellen AG (Berufung)
Regeste (de):
- Markenschutz.
- 1. Über allgemein bekannte Tatsachen muss nicht Beweis geführt werden (E. 2).
- 2. Voraussetzungen der Schutzfähigkeit von Marken, die aus Ortsbezeichnungen gebildet werden, insbesondere für Produkte, deren Qualität massgeblich von der Bodenbeschaffenheit abhängt (E. 3).
- 3. Verwechselbarkeit von Marken (E. 4).
Regeste (fr):
- Protection des marques.
- 1. La preuve d'un fait notoire ne doit pas être rapportée (consid. 2).
- 2. Conditions auxquelles une marque portant l'indication d'un lieu est protégée, en particulier lorsqu'elle se rattache à des produits dont la qualité dépend essentiellement de la qualité du sol (consid. 3).
- 3. Confusion de marques (consid. 4).
Regesto (it):
- Protezione delle marche.
- 1. Non dev'essere fornita la prova di un fatto notorio (consid. 2).
- 2. Condizioni alle quali può essere protetta una marca costituita mediante l'indicazione di una località, in particolare ove tale marca si riferisca a prodotti la cui qualità dipenda essenzialmente dalle caratteristiche del suolo (consid. 3).
- 3. Confusione tra marche (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 322
BGE 117 II 321 S. 322
A.- Die Valser Mineralquellen AG (früherer Firmenname: Valser St. Petersquelle) gewinnt seit 1961 in Vals Mineralwasser, das sie unter der Marke Valser auf den Markt bringt. Sie ist Inhaberin der 1976 ins Markenregister eingetragenen Schweizermarke Nr. 282 713 Valser für Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer, andere alkoholfreie Getränke, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken. Die Passugger Heilquellen AG befasst sich ebenfalls mit der Gewinnung und dem Vertrieb von Mineralwasser. Im Zusammenhang mit Bestrebungen, in Vals eine Quelle zu erwerben, hinterlegte sie am 15. Februar 1988 beim Bundesamt für geistiges Eigentum die Marken Optima Vals, Optima Valsertal, Piz Ault Vals, Piz Ault Valsertal, Primus Vals und Primus Valsertal für Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer aus Vals beziehungsweise aus dem Valsertal und damit hergestellte andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte, Sirupe und Präparate zur Herstellung von Getränken schweizerischer Herkunft. Die Marken wurden in der Folge unter den Nummern 365 358 bis 365 363 ins Register eingetragen.
B.- Am 12. September 1989 erhob die Valser Mineralquellen AG beim Kantonsgericht von Graubünden Klage gegen die Passugger Heilquellen AG mit folgendem Antrag in der Sache: "1. Es seien die Schweizer Marken 365 358 OPTIMA VALS, 365 359 OPTIMA VALSERTAL, 365 360 PIZ AULT VALS, 365 361 PIZ
AULT VALSERTAL, 365 362 PRIMUS VALS und 365 363
PRIMUS VALSERTAL der Beklagten nichtig zu erklären.
2. Es sei der Beklagten unter Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer verantwortlichen Organe gemäss Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
AULT VALSERTAL, PRIMUS VALS oder PRIMUS VALSERTAL
im Geschäftsverkehr, insbesondere zur Kennzeichnung von Mineralwasser zu verwenden. 3. Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil auf Kosten der Beklagten je einmal in zwei schweizerischen Tageszeitungen ihrer Wahl in der Grösse einer Viertelsseite zu veröffentlichen."
BGE 117 II 321 S. 323
Die Beklagte beantragte am 10. Januar 1990 die Abweisung der Klage. Am gleichen Tag ersuchte sie das Bundesamt für geistiges Eigentum, die umstrittenen Marken im Register wieder zu löschen. Mit Urteil vom 19. Juni 1990 schrieb das Kantonsgericht die Klage ab, soweit sie infolge der Löschung der Marken im Register gegenstandslos geworden war, und wies sie im übrigen ab.
C.- Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung teilweise gut, hebt den kantonsgerichtlichen Entscheid auf und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Unbegründet ist die Rüge der Klägerin, das Kantonsgericht habe Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
3. Das Kantonsgericht hält dafür, der Bezeichnung Valser gehe die Schutzfähigkeit als Marke ab. Das Markenrecht gebe deshalb keine Handhabe, der Beklagten die Verwendung des Ortsnamens Vals zur Kennzeichnung eines dort gewonnenen Mineralwassers zu untersagen. Die Klägerin beanstandet diese Auffassung als bundesrechtswidrig. a) Zeichen, die als Gemeingut anzusehen sind, geniessen den gesetzlichen Schutz als Marken nicht (Art. 3 Abs. 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe - 1 Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
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1 | Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
a | mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese; |
b | mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt; |
c | einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. |
2 | Als ältere Marken gelten: |
a | hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen; |
b | Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind. |
3 | Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen. |
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 14 Einschränkung zugunsten vorbenützter Zeichen - 1 Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
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1 | Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
2 | Dieses Weiterbenützungsrecht kann nur zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden. |
BGE 117 II 321 S. 324
(MATTER, Kommentar zum MSchG, S. 62 ff.; DAVID, Kommentar zum MSchG, N. 35 zu Art. 3). So kann insbesondere auch ein geographischer Name, der die Herkunft der Ware angibt, die Natur eines Freizeichens verlieren und zum Individualzeichen werden, wenn er während langer Zeit nur von einem einzigen Unternehmer als Marke verwendet wird (BGE 92 II 274 E. 2; BGE 82 II 355 E. 3a, je mit Hinweisen). Nach TROLLER (Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1983, S. 331), auf den sich das Kantonsgericht beruft, kann das Alleinrecht an einer derartigen Ortsbezeichnung allerdings nur erworben werden, wenn die Warenqualität der Arbeitsleistung zuzuschreiben ist. Hängen die Eigenschaften der Ware dagegen von der Bodenbeschaffenheit ab, so kann nach der Auffassung dieses Autors das Recht, den Ortsnamen zu verwenden, den andern Produzenten gleicher Erzeugnisse nicht entzogen werden. Dem kann indessen nicht uneingeschränkt gefolgt werden. TROLLER stützt seine Ansicht auf BGE 38 II 697 f. Im dort beurteilten Fall, in welchem es um die Verwendung des Ortsnamens Brûlefer als Marke für Weine ging, war jedoch entscheidend, dass der Wein von Brûlefer schon seit langer Zeit als guter Tropfen bekannt war und der Beklagte den von ihm hergestellten Wein bereits mit Brûlefer bezeichnet hatte, bevor der Kläger diesen Namen zu seinen Gunsten ins Markenregister hat eintragen lassen. Daraus, dass das Bundesgericht es abgelehnt hat, unter diesen Umständen ein Markenrecht des Klägers anzuerkennen, lässt sich demnach keine Sonderregel für Waren ableiten, deren Qualität nicht auf die Arbeitsleistung des Herstellers, sondern auf die Bodenbeschaffenheit zurückzuführen ist. Der Entscheid beruht vielmehr auf dem allgemeinen Grundsatz, dass Namen und Begriffe, die bereits als Bezeichnung für eine bestimmte Gattung von Waren bekannt sind, nicht als Marken monopolisiert werden können. Die Tatsache, dass auch Handelsmarken ins Markenregister eingetragen werden können, zeigt denn auch, dass der Gesichtspunkt der Arbeitsleistung für den Markenschutz jedenfalls nicht allein ausschlaggebend sein kann. Es kommt nicht etwa darauf an, ob ein Hersteller den Schutz seiner Marke aufgrund der für die Herstellung seines Produkts aufgewendeten Mühe gewissermassen verdient hat. Wesentlich ist vielmehr einzig, dass das als Marke dienende Zeichen genügend unterscheidungskräftig ist und dass der Anerkennung eines ausschliesslichen Rechts auf seine markenmässige
BGE 117 II 321 S. 325
Verwendung kein überwiegendes Freihaltebedürfnis entgegensteht. Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts kann es deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass eine aus einer Ortsbezeichnung gebildete Marke für ein Erzeugnis, dessen Qualität massgeblich von der Bodenbeschaffenheit abhängt, Schutzfähigkeit erlangt, indem sie sich im Verkehr als Individualzeichen eines bestimmten Unternehmens durchsetzt. Das heisst indessen umgekehrt nicht, dass für die Frage der Schutzfähigkeit einer Ortsbezeichnung als Marke ohne jede Bedeutung wäre, wie stark die Eigenschaften des Produkts vom Boden und von den übrigen Umweltbedingungen (Klima, Sonneneinstrahlung, Regenmenge usw.) beeinflusst werden. Denn je stärker die Abhängigkeit der Warenqualität von der Bodenbeschaffenheit oder von anderen örtlichen Gegebenheiten ist, desto ausgeprägter ist auch der beschreibende Charakter der aus dem Ortsnamen gebildeten Marke und desto gewichtiger ist daher das einer markenrechtlichen Monopolisierung der Ortsbezeichnung entgegenstehende Freihaltebedürfnis. An das Mass der Verkehrsdurchsetzung werden deshalb umso höhere Anforderungen zu stellen sein (BGE 87 II 352 E. a; vgl. ferner JENE-BOLLAG, Die Schutzfähigkeit von Marke und Ausstattung unter dem Gesichtspunkt des Freihaltebedürfnisses, Diss. Basel 1981, S. 121; MARBACH, Die eintragungsfähige Marke, Diss. Bern 1989, S. 78; MATTER, a.a.O., S. 63). b) Die Schützbarkeit von Ortsbezeichnungen als Marken für Mineralwasser ist im übrigen auch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Es ist in der Schweiz allgemein üblich, Mineralwassermarken aus Ortsnamen zu bilden. Das Bundesamt für geistiges Eigentum hat die Eintragung solcher Marken seit jeher zugelassen. Ferner ist auch das Bundesgericht in BGE 82 II 355 E. 3a davon ausgegangen, dass die aus dem Ortsnamen Weissenburg gebildete Mineralwassermarke Weissenburger des Markenschutzes fähig ist.
c) Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass die Marke Valser für das von der Klägerin vertriebene Mineralwasser grundsätzlich schutzfähig sein kann. Voraussetzung ist allerdings, dass sich diese Bezeichnung als Kennzeichen der Klägerin im Verkehr hinreichend durchgesetzt hat. Dazu fehlen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Dieses ist deshalb gestützt auf Art. 64 Abs. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 14 Einschränkung zugunsten vorbenützter Zeichen - 1 Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
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1 | Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
2 | Dieses Weiterbenützungsrecht kann nur zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden. |
BGE 117 II 321 S. 326
4. Sollte das Kantonsgericht bei der erneuten Beurteilung der Streitsache zum Ergebnis gelangen, dass die Marke der Klägerin infolge Verkehrsdurchsetzung schutzfähig ist, so wird es weiter zu prüfen haben, ob die von der Beklagten beanspruchten Warenbezeichnungen mit dieser Marke verwechselbar sind. Dabei wird von folgenden Grundsätzen auszugehen sein. Ob sich die jüngere Marke durch genügende Merkmale von einer älteren unterscheidet (Art. 6 Abs. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |