116 II 685
119. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1990 i.S. F. AG gegen B. AG (Berufung)
Regeste (de):
- Rechnungsfehler (Art. 24 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
- Begriff des Rechnungsfehlers. Anwendbarkeit von Art. 24 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
Regeste (fr):
- Erreurs de calcul (art. 24 al. 3 CO).
- Notion de l'erreur de calcul. Applicabilité de l'art. 24 al. 3 CO aux inadvertances que les parties commettent ensemble lors d'opérations arithmétiques portant sur des éléments incontestés du contrat.
Regesto (it):
- Errori di calcolo (art. 24 cpv. 3 CO).
- Nozione di errore di calcolo. Applicabilità dell'art. 24 cpv. 3 CO alle sviste in cui sono incorse insieme le parti in occasione di determinazioni aritmetiche relative a elementi incontestati del contratto.
Sachverhalt ab Seite 685
BGE 116 II 685 S. 685
A.- Die F. AG (Beklagte) und die B. AG (Klägerin) bildeten eine einfache Gesellschaft. 1987 vereinbarten sie deren Auflösung, wobei beide Gesellschafter am Liquidationsergebnis je hälftig partizipieren sollten. Aufgrund einer von den Buchhaltern der beiden Firmen erstellten Schlussabrechnung per 30. September 1987 schlossen die Parteien am 23. Dezember 1987 eine Liquidationsvereinbarung; danach stand der Klägerin ein Guthaben von Fr. 1'415'000.-- gegenüber der Beklagten zu. Die Forderung wurde in der Folge getilgt. Die Schlussabrechnung war insoweit unrichtig, als darin eine Position von Fr. 535'897.69 vollumfänglich der Beklagten anstatt beiden Parteien je hälftig gutgeschrieben worden war. Weiter liess die Vereinbarung eine Zahlung der Beklagten vom 27. November 1987 über Fr. 113'956.50 an einen Gesellschaftsgläubiger unbeachtet.
B.- Mit Klage vom 23. Mai 1989 belangte die B. AG die F. AG auf Fr. 210'970.60 nebst Zins, entsprechend dem halben Guthaben aus der fehlgebuchten Position von Fr. 535'897.69 vermindert um
BGE 116 II 685 S. 686
die halbe Belastung aus der Zahlung von Fr. 113'956.50. Sie berief sich auf einen Rechnungsfehler gemäss Art. 24 Abs. 3

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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Beklagte erachtet Bundesrecht einmal dadurch verletzt, dass das Handelsgericht trotz Berufung beider Parteien auf Irrtum nicht die Ungültigkeit der Liquidationsvereinbarung festgestellt, gestützt darauf die Klage nicht abgewiesen und die Widerklage auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nicht gutgeheissen habe. Weiter rügt sie, die Vorinstanz sei von einem unzutreffenden Begriff des Rechnungsfehlers nach Art. 24 Abs. 3

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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 545 - 1 Die Gesellschaft wird aufgelöst: |
b) Nach den verbindlichen Feststellungen des Handelsgerichts (Art. 63 Abs. 2

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BGE 116 II 685 S. 687
Die Parteien seien sich dabei über die je hälftige Gutschrift bzw. Belastung der beiden Positionen einig gewesen. Das Handelsgericht ergänzt die Liquidationsvereinbarung durch Korrektur der beiden Positionen. aa) Soweit die Beklagte geltend macht, das Handelsgericht hätte zufolge übereinstimmender Parteivorbringen bloss auf Ungültigerklärung der Liquidationsvereinbarung, nicht aber auf deren Berichtigung und Ergänzung erkennen dürfen, übersieht sie, dass die Klägerin stets nur eine Ergänzung der Liquidation durch die zusätzlich begehrte Ausgleichszahlung verlangt und nicht die Feststellung der Ungültigkeit des Vertrages beantragt hat. Der Einwand geht daher fehl. Die Frage, ob durch die Missachtung übereinstimmender Parteianträge überhaupt Bundesrecht und nicht ausschliesslich kantonales Prozessrecht verletzt würde, kann deshalb offenbleiben. Daran ändert nichts, dass die Klägerin sich im kantonalen Verfahren eventualiter auf Irrtum berufen hat. Sind einzelne Klauseln eines teilbaren Vertrages mit einem Willensmangel behaftet, führt dies nach der Rechtsprechung nicht zwingend zur Unverbindlichkeit des Vertrages, sondern lässt auch die Annahme einer Teilnichtigkeit und die Ergänzung nach dem hypothetischen Parteiwillen zu (BGE 107 II 423 E. 3). Wäre ein wesentlicher Irrtum vorliegend zu bejahen, wäre die Vereinbarung nach dem mutmasslichen Parteiwillen zu ergänzen. Dies um so mehr, als das Handelsgericht feststellt, der Verwaltungsratspräsident der Beklagten habe einfach auf den Befund und die Empfehlungen seines Buchhalters abgestellt, ohne sich um die Details der Abrechnung zu kümmern; er hätte auch der korrekten Abrechnung zugestimmt, wenn sein Berater ihm dies empfohlen hätte. Der als Zeuge einvernommene Buchhalter hat die Unrichtigkeit der Berechnung anerkannt. bb) Ein Irrtum im Sinne der Art. 23

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat. |

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BGE 116 II 685 S. 688
rechtlich eine Falschbezeichnung (falsa demonstratio) dar, die nach Art. 18

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen. |

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Demgegenüber ist die Zahlung der Beklagten über Fr. 113'956.50 im Rahmen der Vereinbarung vom 23. Dezember 1987 unberücksichtigt geblieben, weil sie erst nach Bereinigung der Liquidationsgrundlage bezahlt worden war. Sie ist gleich zu behandeln wie die nach vermeintlichem Abschluss der Liquidation auftretende Gesellschaftsschuld; sie ist den Gesellschaftern nach Massgabe ihrer Gewinn- oder Verlustbeteiligung zu belasten, ohne dass dadurch der Liquidationsvertrag als solcher in Frage gestellt würde (VON STEIGER, SPR VIII/1, S. 468 f.). Auch hier führt bereits die Auslegung der übereinstimmenden Willenserklärungen zum sachgerechten Resultat, ohne dass auf die Irrtumsregeln zurückzugreifen ist. cc) Der angefochtene Entscheid, der eine Korrektur des Liquidationsergebnisses vornimmt, verletzt somit kein Bundesrecht.