115 IV 34
7. Urteil des Kassationshofes vom 3. März 1988 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 148 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207 - Dass der Täter lediglich einen bestimmten Geldbetrag ertrügen will, ist für den Begriff des Erwerbseinkommens belanglos, wenn dessen Merkmale vorliegen (E. 2b).
- Die Bereitschaft des Täters, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, setzt weder unbestimmt viele Geschädigte noch Getäuschte voraus. Entscheidend ist seine Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen zu handeln (E. 3b; Präzisierung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 148 al. 2 CP; définition du métier.
- Le fait que l'auteur n'ait eu l'intention d'escroquer qu'un montant déterminé est sans importance pour décider de l'existence d'un revenu, lorsque les éléments caractéristiques de celui-ci sont réunis (consid. 2b).
- La disposition de l'auteur à s'en prendre à un nombre indéterminé de personnes n'implique nullement qu'il y ait un nombre indéterminé de personnes lésées ou trompées. Ce qui compte, c'est que l'auteur ait été prêt à agir dans un nombre indéterminé de cas (consid. 3b; précision de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 148 cpv. 2 CP; nozione di mestiere.
- Il fatto che l'autore abbia inteso truffare soltanto un determinato importo è irrilevante per decidere se si sia in presenza di un reddito, ove siano dati tutti gli elementi caratteristici di quest'ultimo (consid. 2b).
- Il fatto che l'autore sia disposto ad agire nei confronti di un numero indeterminato di persone non presuppone che vi sia un numero indeterminato di persone danneggiate o ingannate. Decisivo è che l'autore sia disposto ad agire in un numero indeterminato di casi (consid. 3b; precisazione della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 35
BGE 115 IV 34 S. 35
A. vereinbarte mit X., mit dessen Visakreditkarte Einkäufe zu tätigen. Sie waren übereingekommen, dass A. in verschiedenen Geschäften Waren beziehen, die Bezugsbelege mit "X." unterzeichnen und dass X. hernach der Kreditkartenorganisation melden werde, die Kreditkarte sei abhandengekommen. Sie wollten sich auf diese Weise um die Zahlungspflicht für die bezogene Ware drücken. Gemäss diesem Plan tätigte A. am 20. und 21. Februar 1986 teilweise in den gleichen Geschäften insgesamt 40 Käufe. Die Kaufbeträge lagen zwischen Fr. 92,80 und Fr. 1'376.-- und betrugen insgesamt ca. Fr. 22'000.--. Die Bezugsbelege unterzeichnete er wie vereinbart mit dem Schriftzug "X.". Am 26. und 27. Juni 1986 ging A. auf dieselbe Weise vor: Mit einer Visakreditkarte, die auf den Namen Y. lautete und die er von einer ihm angeblich unbekannten Person namens "Z." erhalten hatte, tätigte er 42 Käufe mit Beträgen von Fr. 76,90 bis Fr. 1'190.-- und insgesamt ca. Fr. 20'000.--. Die Bezugsbelege versah er jeweils mit dem Schriftzug "Y.". Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte A. am 2. März 1988 wegen wiederholten fortgesetzten Betrugs sowie wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung zu zwölf Monaten Gefängnis und gewährte ihm den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von fünf Jahren. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs an die Vorinstanz zurückzuweisen. A. beantragt Abweisung der Beschwerde.
BGE 115 IV 34 S. 36
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Im vorliegenden Verfahren ist einzig streitig, ob der Beschwerdegegner die Betrüge gewerbsmässig im Sinne von Art. 148 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207 |
2. a) Die Vorinstanz ging davon aus, der Beschwerdegegner habe beabsichtigt, das Geld für die Ausreisegebühr für seine künftige Frau zu beschaffen. Da er somit in einer ganz bestimmten Absicht einen ganz bestimmten Betrag zu einem ganz bestimmten Zweck erlangt habe, sei seine Absicht nicht darauf gerichtet gewesen, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, weshalb es an der Gewerbsmässigkeit im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung fehle. b) Diese Argumentation geht fehl. Ein Erwerbseinkommen im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis kann im Erwirken irgendwelcher Vermögensvorteile bestehen. Dabei ist ohne Belang, ob der Täter sich diese unmittelbar zur Fristung seines Lebens, zur Bezahlung von Vergnügen, zum Zweck gewinnbringender Anlage oder zur Hortung verschafft; wie bei der erlaubten Tätigkeit eines Gewerbetreibenden kommt es beim Täter ebensowenig auf den Beweggrund an, aus welchem er handelt (BGE 110 IV 31 E. 2; BGE 71 IV 86). Demzufolge schliessen die Absicht des Beschwerdegegners und der Zweck, den er verfolgte, nicht aus, dass er die Taten gewerbsmässig ausführte. Auch nicht entscheidend ist, dass der Beschwerdegegner sich nur einen bestimmten Geldbetrag verschaffen wollte. Sonst dürfte der Betrüger, der zwar planmässig und während einer gewissen Dauer tätig wird, aber die Absicht hat aufzuhören, sobald er z.B. das Geld für ein 50'000fränkiges Motorfahrzeug ertrogen hat, nicht wegen Gewerbsmässigkeit verurteilt werden. Vorliegend ist vielmehr entscheidend, dass der Wert der ertrogenen Waren (ca. Fr. 42'000.--) etwa zehn Monatslöhnen des Beschwerdegegners entsprach, die Tat planmässig (jeweilige abgesprochene Übernahme der Kreditkarte und bestimmtes Vorgehen) und auf eine gewisse Dauer angelegt war; dies genügt für die Annahme eines Erwerbseinkommens, da die Rechtsprechung diesbezüglich weder einen hauptsächlichen noch
BGE 115 IV 34 S. 37
regelmässigen Erwerb voraussetzt (BGE 110 IV 31 E. 2; BGE 99 IV 88 E. 7).
3. a) Die Vorinstanz führte aus, vorliegend seien zwei voneinander unabhängige Deliktserien zu beurteilen; der Beschwerdegegner habe vor der ersten Serie die Meinung gehabt, er könne sich genügend Geld verschaffen, und er habe deshalb nicht die Absicht gehabt, später erneut derartige Betrüge zu begehen. b) Die Begriffsumschreibung der Gewerbsmässigkeit enthält als Element die Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln. In den bisher zu beurteilenden Fällen gewerbsmässigen Betrugs hatte der Täter jeweils die Bereitschaft, unbestimmt viele zu schädigen. Dem Kreditkartenbetrug liegt der besondere Sachverhalt zugrunde, dass in der Regel lediglich die Kreditkartenorganisation geschädigt wird; je nach Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses kann aber auch dem Vertragsgeschäft oder eventuell dem unsorgfältigen Angestellten ein Schaden erwachsen. Die Anzahl der Geschädigten darf hier nicht entscheidend sein; denn wenn sich der Täter überhaupt darüber Gedanken machen sollte, wen er schädigt, wird ihm dies meist wohl gleichgültig sein. Anderseits würde der Täter, der mehrere Geschäfte schädigt, indem er ohne Kreditkarte Kreditbetrüge begeht, schlechter gestellt als derjenige, der dasselbe mittels einer Kreditkarte ausführt und dadurch nur die Kreditkartenorganisation schädigt. Die Folgen sind grundsätzlich dieselben: Der Täter hat, ohne zu bezahlen, Waren bezogen und der angerichtete Schaden und damit auch die Gefährlichkeit des Täters sind in beiden Fällen gleich. Diese gleichartigen Fälle ungleich zu behandeln, dafür besteht kein sachlicher Grund. Deshalb drängt es sich auf, nicht auf die Anzahl der Geschädigten oder Getäuschten (hier entstünden dieselben Ungerechtigkeiten) abzustellen und die Rechtsprechung dahin zu präzisieren, dass anstelle der "Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen" die "Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen" zu handeln, entscheidend ist. c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207 |
BGE 115 IV 34 S. 38
vielen Fällen Betrüge zu begehen, bis er den fraglichen Geldbetrag beisammen gehabt hätte.
4. Da der Beschwerdegegner insgesamt in über achtzig Fällen Waren ertrog und damit auch das Merkmal der wiederholten Tatbegehung vorliegt, ist er wegen gewerbsmässigen Betrugs zu verurteilen.