115 IV 104
24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Mai 1989 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, - Altpapier, welches am Strassenrand bereitgestellt wird, damit es durch eine bestimmte Person oder Organisation abgeholt und verwertet werde, stellt für den Unberechtigten eine fremde Sache dar (E. 1b). Er bricht fremden Gewahrsam, wenn er das Altpapier behändigt (E. 1c).
Regeste (fr):
- Art. 137 CP; vol.
- De vieux papiers déposés au bord de la route, pour qu'ils soient ramassés par une personne ou une organisation déterminée, qui en tireront profit, constituent pour les tiers des choses d'autrui (consid. 1b). Le tiers qui s'empare de ces vieux papiers brise en conséquence la possession d'autrui (consid. 1c).
Regesto (it):
- Art. 137 CP; furto.
- La carta straccia deposta al margine della strada perché sia raccolta da una determinata persona od organizzazione che ne trarrà profitto costituisce per i terzi una cosa altrui (consid. 1b). Il terzo che si appropria tale carta straccia lede pertanto il possesso altrui (consid. 1c).
Erwägungen ab Seite 105
BGE 115 IV 104 S. 105
Aus den Erwägungen:
1. Als Diebstahl wird dem Beschwerdeführer u.a. angelastet, er habe Ende Juli 1985 an verschiedenen Orten in Zürich gezielt ca. drei Tonnen am Strassenrand deponiertes Altpapier (Deliktsbetrag ca. Fr. 350.--) behändigt, welches für die "Gemeinnützige Zürcher Papierabfuhr" bestimmt gewesen sei. Die Daten habe er der im Tagblatt publizierten Sammelliste entnommen. Die Vorinstanz stellte auf die Behauptung des Beschwerdeführers ab, er habe lediglich solche Zeitungsbündel mitgenommen, welche nicht mit einem "P" bezeichnet gewesen seien. Zwar habe die geschädigte Genossenschaft X. in den publizierten Sammellisten darum gebeten, das zu einem Paket gebündelte und verschnürte Altpapier mit einem "P" zu versehen; aber auch bezüglich desjenigen Altpapiers, welches in den fraglichen Stadtkreisen ohne die genannte Bezeichnung am Strassenrand deponiert worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Eigentümer es mit der konkludenten Widmung, es einer bestimmten gemeinnützigen Organisation zukommen zu lassen, bereitgestellt hätten. Die Altpapierbündel seien daher keine derelinquierten Sachen gewesen. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe geglaubt, Zeitungsbündel, die nicht mit der Angabe eines bestimmten Empfängers versehen worden seien, dürfe er ohne weiteres an sich nehmen, erweise sich als blosse Schutzbehauptung. Er sei gemäss seiner eigenen Vorstellung davon ausgegangen, das fragliche Altpapier sei von den Eigentümern gerade im Hinblick auf die publizierte Sammelaktion der erwähnten gemeinnützigen Organisation bereitgestellt worden, weshalb der Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht erfüllt sei.
BGE 115 IV 104 S. 106
a) Gemäss Art. 137 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 718 - Eine herrenlose Sache wird dadurch zu Eigentum erworben, dass jemand sie mit dem Willen, ihr Eigentümer zu werden, in Besitz nimmt. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 719 - 1 Gefangene Tiere werden herrenlos, wenn sie die Freiheit wieder erlangen und ihr Eigentümer ihnen nicht unverzüglich und ununterbrochen nachforscht und sie wieder einzufangen bemüht ist. |
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1 | Gefangene Tiere werden herrenlos, wenn sie die Freiheit wieder erlangen und ihr Eigentümer ihnen nicht unverzüglich und ununterbrochen nachforscht und sie wieder einzufangen bemüht ist. |
2 | Gezähmte Tiere werden herrenlos, sobald sie wieder in den Zustand der Wildheit geraten und nicht mehr zu ihrem Herrn zurückkehren. |
3 | Bienenschwärme werden dadurch, dass sie auf fremden Boden gelangen, nicht herrenlos. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 729 - Das Fahrniseigentum geht, trotz Verlust des Besitzes, erst dadurch unter, dass der Eigentümer sein Recht aufgibt, oder dass in der Folge ein anderer das Eigentum erwirbt. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
BGE 115 IV 104 S. 107
Regeln des sozialen Lebens (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht BT I, 3. Aufl., S. 195, N. 79; NOLL, Schweizerisches Strafrecht BT I S. 133; REHBERG, Strafrecht III, 3. Aufl., S. 32; SCHÖNKE/SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, 23. Aufl., N. 23 zu § 242 dtStGB). Die tatsächliche Sachherrschaft kann als unmittelbare, ungehinderte Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache umschrieben werden (NOLL, a.a.O., S. 133). Ohne Zweifel behält derjenige, der eine Sache vor seinem Haus am Strassenrand deponiert, die Herrschaft darüber, denn er hat die physisch-reale Möglichkeit, jederzeit darauf einzuwirken (REHBERG, a.a.O., S. 32); der unmittelbaren Verwirklichung seines Einwirkungswillens auf die Sache steht kein Hindernis entgegen (SCHÖNKE/SCHRÖDER, a.a.O., N. 25 zu § 242 dtStGB). Daran ändert nichts, dass die Strasse eine der Allgemeinheit zugängliche Örtlichkeit darstellt; es verhält sich beim zum Abholen bereitgestellten Altpapier des vorliegenden Falles prinzipiell gleich wie bei einem vor dem Haus abgestellten Fahrzeug. Es stellt sich weiter die Frage, ob der Eigentümer noch den Willen hat, die Herrschaft über die Sache auszuüben. Dies ist klarerweise dann zu verneinen, wenn es ihm gleichgültig ist, ob die Müllabfuhr oder irgendwelche Dritte das Altpapier mitnehmen. Für den vorliegenden Fall hat die Vorinstanz jedoch für den Kassationshof verbindlich festgestellt, die Eigentümer hätten beabsichtigt, das bereitgestellte Altpapier "einer bestimmten gemeinnützigen Organisation zukommen zu lassen". Wer aber irgendeine Sache vor das Haus stellt, damit sie von einer bestimmten Person oder Organisation abgeholt werde, ist mit der Aufhebung seines Gewahrsams dann nicht einverstanden, wenn die Sache von einer unbefugten Drittperson behändigt wird (ebenso JENNY, ZBJV 124/1988 S. 420/421). Folglich hat er den Willen, die Herrschaft über die Sache auszuüben, nicht aufgegeben. Das Korrektiv gegenüber einer zu weitgehenden Ausdehnung des Gewahrsams (z.B. im Falle von losen Altpapierhaufen oder von Fahrzeugwracks) gibt der subjektive Tatbestand (NOLL, a.a.O., S. 133). Diesen aber hat die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich als gegeben erachtet. bb) Zu derselben Lösung käme man im übrigen, wenn man darauf abstellen wollte, es müsse zwischen dem Ort, an welchem sich die Sache befindet, und der Art der Sache ein funktioneller Zusammenhang bestehen (vgl. SCHÜRMANN, in recht, 1988, S. 33 FN 19 und S. 34 FN 24, je mit Hinweis auf NOLL). Gebündeltes
BGE 115 IV 104 S. 108
und verschnürtes Altpapier, welches einer gemeinnützigen Organisation zukommen soll, wird im Falle organisierter Sammelaktionen regelmässig zur Abholung auf dem Trottoir vor dem Haus bereitgestellt. Der Strassenrand ist m.a.W. der eindeutig bestimmungsgemässe Ort zur Deponierung des abholbereiten Altpapiers, ähnlich wie es sich z.B. bei einem Holzstoss im Wald verhält (vgl. SCHÜRMANN, a.a.O., S. 33). Insoweit besteht im vorliegenden Fall ein funktioneller Zusammenhang; anders wäre es demgegenüber etwa bei dem in der Literatur erwähnten, auf der Strasse liegenden Taschentuch (NOLL, a.a.O., S. 133).
d) Gesamthaft gesehen verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie die Altpapierbündel als fremde Sachen betrachtete und in deren Behändigung durch den dazu nicht berechtigten Beschwerdeführer einen Gewahrsamsbruch erblickte. Die Beschwerde ist abzuweisen.