115 II 62
11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Januar 1989 i.S. E. Revisions- und Treuhand AG gegen R. (Berufung)
Regeste (de):
- Vertrag über die Anlage und Verwaltung von Vermögen.
- Art. 398 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 398 - 1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253
1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 2 Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes. 3 Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird.
Regeste (fr):
- Contrat ayant pour objet le placement et la gestion de fortune.
- Art. 398 al. 2 CO; responsabilité du gérant de fortune professionnel et rémunéré qui viole son devoir de diligence et de fidélité.
Regesto (it):
- Contratto concernente l'investimento e la gestione di un patrimonio.
- Art. 398 cpv. 2 CO; responsabilità del gerente professionale di patrimoni retribuito che viola il proprio dovere di diligenza e di fedeltà.
Sachverhalt ab Seite 62
BGE 115 II 62 S. 62
A.- Die I. AG war von 1969 bis 1978 Kontrollstelle der Herbert R. AG, die 1960 als Nachfolgerin der Einzelfirma des Herbert R. gegründet worden war. Werner W., Hauptaktionär und Geschäftsführer der I. AG, war seit 1969 privater Steuerberater von R. Dieser verkaufte 1978 sein Unternehmen und übergab den grössten Teil des Erlöses, rund 3,1 Millionen, der I. AG mit dem mündlichen Auftrag, das Geld für ihn anzulegen und zu verwalten. Als Verwaltungshonorar wurde ein Anteil von 25% des erzielten Gewinnes verabredet. R. bevollmächtigte die Treuhandfirma und W., ihn gegenüber zwei Banken mit unbeschränkten Befugnissen zu vertreten. Die I. AG, welche das Geld auf dem Wertschriftenmarkt anlegte, erstellte halbjährliche Abschlüsse, denen R. aber wenig Beachtung schenkte. Im Mai 1978 bzw. im September 1979 wies er die Banken zudem an, ihm keine Konto- und Depotauszüge mehr zuzustellen. Er bemerkte deshalb erst Ende August 1981 im Zusammenhang mit der Steuererklärung per 1. Januar 1981, dass die I. AG in grossem Ausmass Lombardkredite aufgenommen hatte. Als eine der Banken im Oktober 1981 wegen Kursverlusten auf den verpfändeten Wertpapieren zusätzliche Sicherheiten verlangte, widerrief R. anfangs November die Bankvollmachten. Er erteilte in der Folge den Banken trotz Abmahnung der Treuhandfirma den Auftrag, die risikoreichsten Posten aus den Wertschriftendepots zu verkaufen. Für die daraus resultierenden Verluste machte er die I. AG und W. persönlich verantwortlich.
B.- R. reichte beim Bezirksgericht Lenzburg Klage gegen die I. AG und W. ein. Nachdem das Gericht ein Beweisverfahren durchgeführt und dabei ein Gutachten eingeholt hatte, verneinte
BGE 115 II 62 S. 63
es mit Urteil vom 14. Mai 1987 die Passivlegitimation des Beklagten W. und verpflichtete die I. AG, dem Kläger Fr. 684'992.50 nebst Zins zu zahlen. Dieses Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Aargau auf Appellation der I. AG und Anschlussappellation des Klägers am 23. März 1988 bestätigt.
C.- Aus einer Eingabe der Beklagten an das Bundesgericht geht hervor, dass die I. AG im Laufe des Appellationsverfahrens ihren Sitz verlegt hat unter gleichzeitiger Namensänderung in E. Revisions- und Treuhand AG und die frühere Firma am 4. Januar 1988 im Handelsregister des Kantons Aargau gelöscht worden ist. Im bundesgerichtlichen Verfahren ist daher auf der Beklagtenseite die E. Revisions- und Treuhand AG als Partei aufzuführen.
D.- Die E. Revisions- und Treuhand AG hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit darauf eingetreten werden kann, und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Die Vorinstanz bezeichnet das Rechtsgeschäft der Parteien zwar als gemischten Vertrag, lässt aber offen, ob Elemente des Auftrags oder der Kommission im Vordergrund stehen, weil nach ihrer Auffassung die massgebenden Fragen in jedem Fall nach Auftragsrecht zu beurteilen sind. Während die Beklagte dem zustimmt, wendet der Kläger ein, die Kommission falle gemäss Art. 425 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 425 - 1 Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt. |
|
1 | Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt. |
2 | Für das Kommissionsverhältnis kommen die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung, soweit nicht die Bestimmungen dieses Titels etwas anderes enthalten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 425 - 1 Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt. |
|
1 | Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt. |
2 | Für das Kommissionsverhältnis kommen die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung, soweit nicht die Bestimmungen dieses Titels etwas anderes enthalten. |
2. (Auslegung des Vertrages nach dem Vertrauensgrundsatz: Die Beklagte musste den Auftrag zur Vermögensanlage unter den
BGE 115 II 62 S. 64
Umständen, wie sie von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt worden sind, so verstehen, dass für den Kläger nicht die Vermögensvermehrung, sondern die Vermögenserhaltung im Vordergrund stehe.)
3. Gemäss Art. 398 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 398 - 1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
|
1 | Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
2 | Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes. |
3 | Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 398 - 1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
|
1 | Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
2 | Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes. |
3 | Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 398 - 1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
|
1 | Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
2 | Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes. |
3 | Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird. |
BGE 115 II 62 S. 65
zu wahren und deshalb alles zu unterlassen hat, was diesem Schaden zufügen könnte (GAUTSCHI, N. 5a zu Art. 398
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 398 - 1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
|
1 | Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
2 | Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes. |
3 | Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird. |
BGE 115 II 62 S. 66
Nettovermögen betrug Ende 1980 50% und stieg bis Ende Oktober 1981 auf 232% an. Aus diesen Umständen ergibt sich eindeutig, dass die Beklagte durch übermässige Spekulationen und Kreditaufnahmen Risiken eingegangen ist, die ein berufsmässiger, gewissenhafter Vermögensverwalter in der gleichen Lage vermieden hätte. Damit hat sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt. Die weiteren Vorbringen der Beklagten vermögen nichts daran zu andern. Soweit sie dabei auf die Äusserungen der Expertin abstellen will, wird ihr Einwand durch das Gutachten selbst widerlegt. Danach können die im Juni bis August und im Oktober 1981 getätigten Käufe von amerikanischen und kanadischen Aktien zwar nicht ausnahmslos als hoch spekulativ eingestuft werden. Bedenklich waren die Geschäfte aber darum, weil der weitaus grösste Teil der Aktien auf Termin gekauft wurde, ohne dass Gegenwerte in Form von Termin-Bankguthaben oder bewilligten Kreditlimiten vorhanden waren. Zudem nahmen einige Titel im Verhältnis zum Gesamtanlagebetrag einen überdurchschnittlich hohen Anteil ein. Unbehilflich ist schliesslich der Einwand, der Kläger hätte keine Verluste erlitten, wenn er die Depot-Bestände in den zwei folgenden Jahren unverändert weitergeführt hätte. Die Vorinstanz hat diesen Vorwurf von "Panikverkäufen" für unbegründet erklärt. Da die Berufung lediglich darauf beharrt, es habe sich um solche Verkäufe gehandelt, aber nicht darlegt, warum die Begründung der Vorinstanz gegen Bundesrecht verstossen soll, ist das angefochtene Urteil in diesem Punkt der Überprüfung entzogen (Art. 55 Abs. 1 lit. c
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 398 - 1 Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
|
1 | Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.253 |
2 | Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes. |
3 | Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird. |
BGE 115 II 62 S. 67
von der Beklagten dagegen vorgebrachten Einwände sind haltlos. Das gilt sowohl für den Hinweis auf kurzfristige Schwankungen der Börsenkurse wie auch für das Argument, nicht die Liquidation, sondern die Fortführung der Depots sei angestrebt worden. Unerheblich ist sodann die Behauptung, die Angabe der Buchwerte habe für den Kläger keine steuerlichen Nachteile zur Folge gehabt. Die Beklagte wendet schliesslich ein, ihr Verhalten sei nicht kausal für den Eintritt des Schadens, denn der Kläger habe die Abschlüsse und Bilanzen zum Teil gar nicht beachtet. Wie bereits dargelegt, ergibt sich indes aus der Beratungs- und Informationspflicht des Beauftragten, dass er dem Auftraggeber regelmässig und auch unaufgefordert über die Ausführung des Auftrages Auskunft zu geben hat. Das gilt nicht nur für bereits vorgenommene, sondern auch für zukünftige Massnahmen, und insbesondere dann, wenn der Beauftragte beabsichtigt, sein Vorgehen grundsätzlich zu ändern. Die Beklagte hätte deshalb im Zeitpunkt, als sie die Anlagepolitik spekulativer und damit risikoreicher gestalten wollte, den Kläger von sich aus darüber informieren, ihn auf die Gefahren und Erfolgsaussichten aufmerksam machen und seine ausdrückliche Einwilligung einholen müssen. Zudem hätte sie ihn gegebenenfalls dazu auffordern sollen, ihr konkrete Weisungen zu erteilen. Das hat sie alles nicht getan und damit gegen ihre Treuepflicht verstossen.