108 II 314
60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. November 1982 i.S. Gorali gegen Lloyds Bank International Ltd. (Berufung)
Regeste (de):
- Gefälschter Vergütungsauftrag an eine Bank, Frage der Haftung.
- 1. Eine Vergütung, die nicht auf Weisung des Kunden erfolgt ist, kann dennoch ihren Grund im Rechtsverhältnis haben, das dieser mit der Bank eingegangen ist. Auch ein gefälschter Vergütungsauftrag kann daher eine Anweisung an die Bank darstellen. Die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung, wonach der Kunde die Folgen von Fälschungen zu tragen hat, ausser im Falle grober Fahrlässigkeit seitens der Bank, ist zulässig (E. 2).
- 2. Bedeutung von internen Weisungen und von Usanzen in bezug auf das Mass der von der Bank allgemein zu beobachtenden Sorgfalt (E. 4).
Regeste (fr):
- Ordre de paiement falsifié adressé à une banque, responsabilité.
- 1. Un paiement qui n'a pas été opéré sur ordre du client peut néanmoins trouver son fondement dans le rapport de droit que celui-ci a contracté avec la banque. Un ordre de paiement falsifié peut donc aussi constituer une assignation à la banque. La répartition contractuelle des risques selon laquelle le client doit supporter les conséquences de falsifications, sauf en cas de négligence grave de la part de la banque, est admissible (consid. 2).
- 2. Portée d'instructions internes et d'usages concernant la mesure de la diligence incombant à la banque, d'une manière générale (consid. 4).
Regesto (it):
- Falso ordine di bonifico diretto ad una banca, responsabilità.
- 1. Un bonifico non effettuato su ordine del cliente può nondimeno essere fondato sul rapporto giuridico esistente tra la banca e il cliente. Anche un falso ordine di bonifico può pertanto costituire un assegno alla banca. È consentito di ripartire contrattualmente il rischio, nel senso che il cliente debba sopportare le conseguenze di falsificazioni, salvo in caso di negligenza grave da parte della banca (consid. 2).
- 2. Portata di direttive interne e di usi concernenti la diligenza incombente, in modo generale, alla banca (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 314
BGE 108 II 314 S. 314
A.- Jacobo Alejandro Gorali unterhält ein Wertschriftendepot und ein Kontokorrent bei der Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank International Ltd. Diese wurde am 23. Mai 1979 durch eine Alejandro Gorali als Absender nennende Telex-Mitteilung aus Frankfurt um Beachtung eines brieflich erteilten Vergütungsauftrags ersucht. Am 28. Mai 1979 ging bei ihr ein am 23. Mai 1979 in Frankfurt abgefasstes, mit J. A. Gorali unterzeichnetes Schreiben ein, das sie anwies, einen beigelegten, handschriftlich ausgefüllten, von der Petroquimicas del Sur S.A.C.I.F. auf die Bank of America in San Francisco gezogenen Check über
BGE 108 II 314 S. 315
US $ 545'500 dem Konto "at call" Goralis gutzuschreiben und hierauf US $ 280'000 auf das Konto Goralis bei der Lloyds Bank in New York und US $ 145'000 per Telex an die Dresdner Bank in Frankfurt auf das Konto von Fonsecas Burnay zu überweisen. Die Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank schrieb Gorali den Checkbetrag unter Eingangsvorbehalt gut, nahm die verlangten Vergütungen vor und leitete den Check an die bezogene Bank weiter. Als sich herausstellte, dass brieflicher Auftrag und Check gefälscht waren und auch die Telex-Mitteilung nicht durch Gorali veranlasst worden war, wurde die Gutschrift auf dessen Konto storniert. Die der Dresdner Bank vergüteten und an eine portugiesische Bank in Lissabon weitergeleiteten US $ 145'000 waren in drei Teilbeträgen am 11., 13. und 18. Juni 1979 abgehoben worden.
B.- Gorali begehrte mit Klage vom 5. Juni 1980, die Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank sei zu verpflichten, die in dieser Angelegenheit vorgenommenen Gutschriften und Belastungen sowie sämtliche darauf beruhenden Zins-, Kommissions- und Spesenbelastungen valutagerecht zu stornieren. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 1. Dezember 1981 ab. Eine vom Kläger erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat. Das Bundesgericht heisst die vom Kläger gegen das Urteil des Handelsgerichts erhobene Berufung teilweise gut und weist die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Vorweg ist der Einwand des Klägers zu beurteilen, die Beklagte könne sich weder nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung berufen und Auslagenersatz beanspruchen, noch stehe ihr nach den Bestimmungen des Kontokorrent- und Girovertrags ein Anspruch auf Verwendungsersatz zu, da sie ohne Auftrag gehandelt habe. Der Kläger verkennt, dass die umstrittene Vergütung von US $ 145'000, obwohl sie nicht auf seine Weisung erfolgte, dennoch ihren Grund im Rechtsverhältnis hat, das er mit der Beklagten eingegangen ist. Hätte dieses Verhältnis nicht bestanden, so hätte die Beklagte auf das gefälschte Schreiben vom 23. Mai 1979 hin nichts vergütet, so dass nicht gesagt werden kann, der gefälschte
BGE 108 II 314 S. 316
Vergütungsauftrag stelle überhaupt keine Anweisung an die Bank dar (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1960 i.S. Okcuoglu gegen Schweizerische Bankgesellschaft, E. 3; KLEINER, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Giro- und Kontokorrentvertrag, S. 62). Die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag können deshalb nicht anwendbar sein, sondern es ist auf das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis abzustellen. Wenn gemäss Ziff. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeder infolge unentdeckter Fälschung entstehende Verlust vom Kunden zu tragen ist, es sei denn, der Bank falle eine grobe Pflichtversäumnis zur Last, so kann das nichts anderes heissen, als dass der Kunde die Folgen von Fälschungen zu tragen hat, ausser im Falle grober Fahrlässigkeit seitens der Bank (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1960 i.S. Okcuoglu gegen Schweizerische Bankgesellschaft, E. 4). Ziff. 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ermächtigt die Bank ausserdem, gutgeschriebene Checks, die nicht eingelöst werden, dem Konto des Kunden wieder zu belasten. Schliesslich ist gegen eine vertraglich vereinbarte Risikoverteilung, wonach die Bank nur bei grober Fahrlässigkeit haftet, nichts einzuwenden, da sie dem Vorbehalt von Art. 100 Abs. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 100 - 1 Eine zum voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, ist nichtig. |
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1 | Eine zum voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, ist nichtig. |
2 | Auch ein zum voraus erklärter Verzicht auf Haftung für leichtes Verschulden kann nach Ermessen des Richters als nichtig betrachtet werden, wenn der Verzichtende zur Zeit seiner Erklärung im Dienst des anderen Teiles stand, oder wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes folgt. |
3 | Vorbehalten bleiben die besonderen Vorschriften über den Versicherungsvertrag. |
4. Die Beklagte hat nach der Auffassung des Klägers auch bei der Ausführung der ihr erteilten Weisung grob unsorgfältig gehandelt. Die Vergütung von US $ 145'000 hätte sowohl gemäss Schreiben vom 23. Mai 1979 wie nach allgemeiner Lebenserfahrung nur unter der selbstverständlichen Voraussetzung vorgenommen werden dürfen, dass der Check gedeckt sei. Wenn die Vorinstanz schon einräume, die Beklagte hätte sich bei einem Handeln in eigener Sache zunächst vom Vorhandensein ausreichender Deckung überzeugt, so habe diese, als sie die Vergütung ohne jene Gewissheit vornahm, jedenfalls der diligentia quam in suis nicht genügt, die sie auch bei der Wahrung der klägerischen Interessen hätte aufwenden müssen. Der Kläger wirft dem Handelsgericht ferner vor, Art. 8
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 108 II 314 S. 317
Anzunehmen, interne Weisungen dienten allein dem Schutz der Banken, sei unhaltbar. Aus dem Schreiben vom 23. Mai 1979, so wie es die Beklagte nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr verstehen durfte und musste (BGE 105 II 18 E. 3a mit Hinweisen), ergibt sich keineswegs, dass die verlangte Vergütung erst nach Eingang des Checkbetrags hätte vorgenommen werden dürfen; gerade dies hätte ja den Absichten seines Verfassers klar widersprochen. Mit dem Hinweis sowohl auf die allgemeine Lebenserfahrung, nach der angeblich kein besonnener Geschäftsmann den Check ohne ausgewiesene Deckung eingelöst hätte, als auch auf eine Usanz, gemäss der sich Banken vor der Ausrichtung von Vergütungen zuerst der Deckung des Checks versichern sollen, macht der Kläger geltend, so werde tatsächlich im allgemeinen vorgegangen. Das Handelsgericht nimmt demgegenüber an, Checks von guten und bekannten Kunden - und der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass er das sei - würden in der Regel sofort unter Eingangsvorbehalt gutgeschrieben, während Rückfragen beim Bezogenen dann erfolgten, wenn Barauszahlung verlangt werde und der Kunde beim Ausbleiben der Checkzahlung für die Bank nicht mehr greifbar wäre. Die Vorinstanz bezeichnet diese Erwägung tatsächlicher Natur weder als auf sicherer Kenntnis ihrer Fachrichter gründend, so dass gemäss § 133 ZPO/ZH kein Beweis abzunehmen gewesen wäre, noch ist erkennbar, worauf sie sich dabei zu stützen vermöchte; in den Akten fehlt es insbesondere an protokollierten, übereinstimmenden fachrichterlichen Voten dieses Inhalts (Art. 51 Abs. 1 lit. c
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 108 II 314 S. 318
betrifft offensichtlich eine entscheiderhebliche und bestrittene Tatsache. Denn gleichartige interne Weisungen bei sämtlichen oder jedenfalls einer Vielzahl von Banken bestimmen wie Usanzen das Mass allgemein zu beobachtender Sorgfalt. Ob solche internen Richtlinien Vertragsbestandteil bilden, wäre nur dann entscheidend, wenn es nicht um Haftung für behauptete Unsorgfalt, sondern um nicht richtige Erfüllung des Auftrags ginge. Das Handelsgericht hat somit Art. 8
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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