115 Ib 163
22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. August 1989 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Führerausweisentzug; Entzugsdauer.
- Die kantonale Behörde überschreitet das ihr zustehende Ermessen, wenn sie auf ein Mehrfaches der minimalen Entzugsdauer erkennt, obwohl alle Faktoren, die bei der Bemessung der Dauer berücksichtigt werden müssen, für den Betroffenen positiv zu werten sind (E. 3).
Regeste (fr):
- Retrait de permis; durée de la mesure.
- L'autorité cantonale excède son pouvoir d'appréciation, lorsqu'elle prononce un retrait de permis d'une durée représentant plusieurs fois le minimum possible, bien que les éléments qui doivent entrer en considération pour fixer la durée de la mesure soient tous favorables à l'intéressé (consid. 3).
Regesto (it):
- Revoca della licenza di condurre; durata.
- L'autorità cantonale eccede il proprio potere d'apprezzamento ove ordini la revoca di una licenza di condurre per una durata più volte superiore a quella minima, benché gli elementi determinanti per fissare la durata del provvedimento siano tutti favorevoli all'interessato (consid. 3).
Erwägungen ab Seite 163
BGE 115 Ib 163 S. 163
Aus den Erwägungen:
1. X. fuhr am 7. Mai 1987, um ca. 15.00 Uhr, mit einem Lieferwagen auf der geradeaus führenden Glärnischstrasse in Männedorf in Richtung Bergstrasse. Wegen eines am rechten Strassenrand parkierten Personenwagens musste er auf die linke Fahrbahnseite ausweichen. Als er sich auf der Höhe des abgestellten
BGE 115 Ib 163 S. 164
Autos befand, näherte sich auf der von links einmündenden Haldenstrasse der 11jährige Y. mit seinem Fahrrad, der nach rechts in die Glärnischstrasse biegen wollte. Dabei stiess er mit der vorderen linken Front des Lieferwagens zusammen. Der Schüler erlitt tödliche Kopfverletzungen. Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Meilen sprach X. am 20. Oktober 1987 der fahrlässigen Tötung schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 500.--. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Die Polizeidirektion des Kantons Zürich entzog X. mit Verfügung vom 10. Oktober 1988 den Führerausweis für die Dauer von sechs Monaten. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hiess am 17. Mai 1989 einen dagegen gerichteten Rekurs teilweise gut und reduzierte die Entzugsdauer auf vier Monate. X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der Beschluss des Regierungsrates sei aufzuheben und von einem Entzug sei abzusehen. In ihrer Stellungnahme ans Bundesgericht beantragt die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich namens des Regierungsrates, die Beschwerde sei abzuweisen.
2. Gemäss Art. 34 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 34 - 1 Fahrzeuge müssen rechts, auf breiten Strassen innerhalb der rechten Fahrbahnhälfte fahren. Sie haben sich möglichst an den rechten Strassenrand zu halten, namentlich bei langsamer Fahrt und auf unübersichtlichen Strecken. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |
BGE 115 Ib 163 S. 165
Nach Ansicht der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer eine erhebliche Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen, indem er vor der nicht allzu übersichtlichen Verzweigung mit seinem Lieferwagen zu lange auf der linken Fahrspur verblieben sei. Dieser Beurteilung ist beizupflichten, zumal auch in der Beschwerde nichts dagegen eingewendet wird. Zum automobilistischen Leumund hat der Regierungsrat festgestellt, dieser sei ungetrübt. Die Vorinstanz bezeichnete das Verschulden des Beschwerdeführers als "nicht mehr leicht"; zugleich verwies sie auf das "überzeugend begründete Strafurteil", wonach das Verschulden "nicht besonders schwer" wiege. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass der Regierungsrat das Verschulden als mittelschwer einstufte. Damit aber setzt er sich in Widerspruch zur Begründung dieser Auffassung, wo festgestellt wird, der Unfall sei nicht auf eine rücksichtslose Fahrweise, sondern darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer den Führerausweis erst seit drei Monaten besessen habe und mit dem Lieferwagen nicht vertraut gewesen sei, weshalb man eigentlich von einem "Einschätzungsfehler anlässlich des Ausweichmanövers" sprechen könne. Bei dieser Sachlage ist aber davon auszugehen, dass ein eher leichtes Verschulden vorliegt. Demgegenüber ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht noch weiter entgegenkam und das Verschulden als "sehr leicht" bezeichnete. Gesamthaft gesehen hielt sich der Regierungsrat noch innerhalb des ihm zustehenden Ermessens, als er nicht von einem leichten Fall ausging, zu welcher Schlussfolgerung er insbesondere deshalb berechtigt war, weil die Verkehrsgefährdung unbestrittenermassen eine erhebliche war.
3. Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, die Entzugsdauer sei auf einen Monat herabzusetzen. Nach Art. 17 Abs. 1 lit. a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |
BGE 115 Ib 163 S. 166
ist unverständlich. Zwar steht der kantonalen Behörde hinsichtlich der Bemessung der Entzugsdauer ein weiter Spielraum des Ermessens zu, und das Bundesgericht greift nur ein, wenn dieses Ermessen überschritten oder missbraucht wurde. Dies aber ist der Fall, wenn alle Bemessungsfaktoren für den Betroffenen positiv zu werten sind, die Behörde aber auf ein Mehrfaches der minimalen Entzugsdauer erkennt. Die Vorinstanz wies selber noch zugunsten des Beschwerdeführers darauf hin, dass er vom Unfall sehr betroffen und dass er an der fraglichen Kreuzung vortrittsberechtigt war. Der vorliegend zu beurteilende viermonatige Entzug ist deshalb in seiner Höhe eindeutig zu hart ausgefallen und der angefochtene Entscheid folglich aufzuheben. Da die Angelegenheit spruchreif ist und eine Rückweisung einen unnötigen Leerlauf darstellen würde, entscheidet das Bundesgericht in der Sache selber (Art. 114 Abs. 2

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 17 - 1 Der auf bestimmte Zeit entzogene Lernfahr- oder Führerausweis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der verfügten Entzugsdauer wiedererteilt werden, wenn die betroffene Person an einer von der Behörde anerkannten Nachschulung teilgenommen hat. Die Mindestentzugsdauer darf nicht unterschritten werden. |