115 Ia 197
115 Ia 197 36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Oktober 1989 i.S. S. und K. und Y. AG gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 1. Ist ein Rechtsanwalt (einziger) Verwaltungsrat einer Gesellschaft, für die er gleichzeitig anwaltlich tätig ist, so kann er sich zumindest nicht generell auf sein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht berufen; vielmehr ist zwischen seiner (berufsspezifisch) anwaltlichen und seiner geschäftlichen Tätigkeit zu unterscheiden (E. 3d).
- a) Umfang der Geheimhaltungspflicht des Anwalts (E. 3d/aa).
- b) Abwägung zwischen dem rechtsstaatlichen Interesse am Anwaltsgeheimnis und dem öffentlichen Interesse an der wirksamen Strafverfolgung (E. 3d/cc).
- 2. Verhältnis des Zeugnisverweigerungsrechts nach ZPO und StPO des Kantons Zürich (E. 3e).
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst. (arbitraire; secret professionnel de l'avocat dans la procédure pénale).
- 1. L'avocat qui est administrateur (unique) d'une société dont il est le mandataire ne peut pas invoquer, du moins d'une manière générale, son droit de refuser de témoigner dans la procédure pénale; il y a lieu de distinguer entre son activité commerciale et celle qui relève spécifiquement de son mandat d'avocat (consid. 3d).
- a) Etendue du secret professionnel de l'avocat (consid. 3d/aa).
- b) Comparaison de l'intérêt public à protéger le secret professionnel de l'avocat et celui d'assurer une poursuite pénale efficace (consid. 3d/cc).
- 2. Rapport entre le droit de refuser de témoigner selon le CPC et le CPP du canton de Zurich (consid. 3e).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost. (arbitrio; segreto professionale dell'avvocato nella procedura penale).
- 1. L'avvocato che è amministratore (unico) di una società di cui è anche mandatario quale avvocato non può invocare, almeno in modo generale, il proprio diritto di non testimoniare in un procedimento penale; occorre distinguere tra la sua attività commerciale e quella risultante specificamente dal suo mandato di avvocato (consid. 3d).
- a) Estensione del segreto professionale dell'avvocato (consid. 3d/aa).
- b) Ponderazione tra l'interesse pubblico a tutelare il segreto professionale dell'avvocato e quello a garantire un perseguimento penale efficace (consid. 3d/cc).
- 2. Relazione tra il diritto di rifiutare di testimoniare secondo il CPC e quello secondo il CPP del cantone di Zurigo (consid. 3e).
Sachverhalt ab Seite 198
BGE 115 Ia 197 S. 198
Die Rechtsanwälte S. und K. waren nacheinander einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsräte der Y AG. In einem Strafverfahren gegen Z, welcher angeblich die Y AG beherrscht, ordnete die Bezirksanwaltschaft Zürich die Zeugeneinvernahme der Rechtsanwälte an über Wahrnehmungen, welche sie in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsräte der Y AG gemacht haben. Gegen diese Verfügung rekurrierten die Rechtsanwälte erfolglos bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Ihre staatsrechtliche Beschwerde vom 29. April/2. Mai 1988 weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. c) Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Verfügung davon aus, dass Kenntnisse, die ein Anwalt als Verwaltungsrat einer
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Aktiengesellschaft über die betreffende Gesellschaft erworben hat, ihm als Geschäftsmann zugekommen sind, und damit nicht unter das Berufsgeheimnis fallen. Sie lehnt es daher ab, den beiden Beschwerdeführern ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 130 StPO zuzubilligen. d) aa) Die Geheimhaltungspflicht des Anwalts erstreckt sich - wie der Wortlaut von § 130 StPO, aber auch von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456 |
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1 | Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456 |
2 | Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat. |
3 | Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.457 |
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unabhängig von ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Verwaltungsräte erfahren haben, untersteht nicht dem Anwaltsgeheimnis, weshalb ihnen diesbezüglich kein Zeugnisverweigerungsrecht zukommt. cc) Dem nicht zuletzt rechtsstaatlichen Interesse am Anwaltsgeheimnis steht im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung gegenüber. Hier offenbart sich deutlich, dass auch der Anwalt grundsätzlich, d.h. im Rahmen des Gesetzes (§§ 128 ff. StPO), zum Zeugnis verpflichtet ist. Bei Personalunion von Anwalt und Verwaltungsrat deckt sich das Wissen des Anwalts letztlich mit dem Wissen des Verwaltungsrats. Zwischen Verwaltungsrat und Anwalt einer Gesellschaft findet im allgemeinen ein Wissensaustausch statt. Das führt bei Vereinigung der beiden Funktionen in einer Person dazu, dass der als Verwaltungsrat angesprochene Anwalt Wissen preisgeben muss, welches - wäre er als Anwalt angesprochen - dem Anwaltsgeheimnis unterstünde (vgl. BGE 101 Ib 248 E. c). Daraus erhellt, dass die beiden Funktionen Anwalt und Verwaltungsrat zwar von ein und derselben Person ausgeübt werden dürfen, bezüglich des Zeugnisverweigerungsrechts die Personalunion aber aufgespalten werden muss. Eine andere Lösung führte dazu, dass in einem Gerichtsverfahren der einzige Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft nicht aussagen müsste, bloss weil er gleichzeitig Anwalt der Gesellschaft ist. Letztlich hätte dies rechtsmissbräuchliche Besetzungen der Verwaltungsratsmandate zur Folge, weil durch blosses Einschalten eines Rechtsanwalts z.B. eine wirksame Verfolgung strafbarer Handlungen im Umfeld einer Aktiengesellschaft verhindert werden könnte. Unwesentlich ist, ob der Rechtsanwalt das Verwaltungsratsmandat treuhänderisch ausübt. Gegen aussen tritt er als Verwaltungsrat auf und ist zum Zeugnis verpflichtet, weil er die Kenntnisse zur Ausübung seines Mandats ja nicht mit Rücksicht auf seine berufliche Stellung als Anwalt erfährt, sondern im Hinblick auf seine Verwaltungsratstätigkeit (vgl. PETER FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich 1987, N. 648, 697 und 703). Das Bundesgericht hat kürzlich in einem Entscheid, in dem es um die Herausgabepflicht von Geschäftsakten im Konkurs einer Gesellschaft ging (Art. 223 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 223 - 1 Magazine, Warenlager, Werkstätten, Wirtschaften u.dgl. sind vom Konkursamte sofort zu schliessen und unter Siegel zu legen, falls sie nicht bis zur ersten Gläubigerversammlung unter genügender Aufsicht verwaltet werden können. |
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1 | Magazine, Warenlager, Werkstätten, Wirtschaften u.dgl. sind vom Konkursamte sofort zu schliessen und unter Siegel zu legen, falls sie nicht bis zur ersten Gläubigerversammlung unter genügender Aufsicht verwaltet werden können. |
2 | Bares Geld, Wertpapiere, Geschäfts- und Hausbücher sowie sonstige Schriften von Belang nimmt das Konkursamt in Verwahrung. |
3 | Alle übrigen Vermögensstücke sollen, solange sie nicht im Inventar verzeichnet sind, unter Siegel gelegt sein; die Siegel können nach der Aufzeichnung neu angelegt werden, wenn das Konkursamt es für nötig erachtet. |
4 | Das Konkursamt sorgt für die Aufbewahrung der Gegenstände, die sich ausserhalb der vom Schuldner benützten Räumlichkeiten befinden. |
BGE 115 Ia 197 S. 201
E. 3a und b). Entscheidend dabei ist, dass die Verwaltungsratstätigkeit eben nicht zur eigentlichen Anwaltstätigkeit gehört. dd) In Übereinstimmung mit dieser Rechtslage verlangt die Verfügung der Bezirksanwaltschaft von den Beschwerdeführern ausdrücklich nur die Aussage über Wahrnehmungen, welche sie in ihrer Eigenschaft als einzeln zeichnungsberechtigte Verwaltungsräte der Y AG gemacht haben. Grundsätzlich sind die Beschwerdeführer daher zur Zeugenaussage verpflichtet. Die Staatsanwaltschaft hat § 130 der StPO nicht willkürlich angewandt. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. e) Die Beschwerdeführer befürchten, die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse könnten missbräuchlich auch im Zivilprozess verwendet werden. Es ist letztlich eine Frage des kantonalen Zivilprozessrechts, welche durch Zeugenaussagen in einem Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse im Zivilverfahren verwendet werden dürfen. Auch das zürcherische Gesetz über den Zivilprozess vom 13. Juni 1976 (Zivilprozessordnung, ZPO) kennt ein Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 158 ff.). Es geht dem Wortlaut nach gleich weit wie dasjenige im Strafprozessrecht. Daher kann das Strafverfahren nicht dazu missbraucht werden, zu Auskünften von Zeugen zu gelangen, die in einem Zivilverfahren nicht erhältlich wären. Die Befürchtungen der Beschwerdeführer sind daher unbegründet.