114 IV 128
37. Urteil des Kassationshofes vom 30. September 1988 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 271 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen,
1 Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, 2 Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. 3 Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. - Entscheidend ist, ob die einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung ihrer Natur nach amtlichen Charakter trügt (E. 2b).
- Dies ist bei einer Zeugenbefragung für die Zwecke eines gerichtlichen Verfahrens der Fall (E. 2c).
Regeste (fr):
- Art. 271 ch. 1 CP. Actes exécutés sans droit pour un Etat étranger.
- Le point déterminant est celui de savoir si l'acte relevant des pouvoirs publics a, de par sa nature, un caractère officiel (consid. 2b).
- Tel est le cas de l'interrogatoire de témoins pour les besoins d'une procédure judiciaire (consid. 2c).
Regesto (it):
- Art. 271 n. 1 CP. Atti compiuti senza autorizzazione per conto di uno Stato estero.
- È determinante sapere se l'atto spettante ai poteri pubblici abbia carattere ufficiale per sua natura (consid. 2b).
- Tale è il caso dell'interrogatorio di testi ai fini di un procedimento giudiziario (consid. 2c).
Sachverhalt ab Seite 128
BGE 114 IV 128 S. 128
A.- Gegen B., den H. seit 1981 als Anwalt in der Schweiz vertrat, wurde in Australien seit Jahren eine Strafuntersuchung insbesondere wegen Vermögensdelikten geführt. Um die Beweiskraft verschiedener durch die Schweizerische Volksbank den australischen Behörden 1975 übermittelten und von einem Beamten der Kantonspolizei Zürich 1981 vor dem australischen Gericht als echt bezeugten Kopien von Urkunden zu erschüttern, gelangte H. Ende 1981 an die Schweizerische Volksbank in Zürich. Anlässlich einer ersten Besprechung legte er auf Veranlassung von B. acht zumindest in sprachlicher Hinsicht von ihm redigierte Entwürfe von Bestätigungen vor, welche die Geschäftsvorgänge unzutreffend darstellen, deren drei nach inhaltlicher Abänderung schliesslich akzeptiert wurden. An einer zweiten Besprechung nahm auf Wunsch von B. und durch Vermittlung von H. dessen Mitarbeiter, Rechtsanwalt und Notar S. teil, damit er später vor dem australischen Gericht in den Beweisformen von "secondary evidence" und "evidence on information and belief" als Person mit erhöhter Glaubwürdigkeit über das, was er wahrgenommen habe, Zeugnis ablegen und seine Schlussfolgerungen bekanntgeben könne. B. befragte die Bankvertreter, während S., der sich vorgängig ihre Namen und Funktionen hatte nennen lassen, einige wenige Notizen machte. In den folgenden beiden Tagen arbeiteten S. und B. in der Anwaltskanzlei von H. unter Mitwirkung seiner Angestellten
BGE 114 IV 128 S. 129
verschiedene "als Aktennotiz" bezeichnete Erklärungen in englischer Sprache aus, an denen H. insofern mitwirkte, als er S. mehrfach bezüglich Interpretationsfragen und Übersetzung Auskunft erteilte und die Erklärungen schliesslich durchsah. Diese gaben den Verlauf des Gesprächs mit den Vertretern der Schweizerischen Volksbank nicht wahrheitsgetreu wieder, indem sie dem Schema der australischen Beweisregeln folgend zuerst einen angeblich von H. oder B. erteilten Auftrag an S. enthielten, eine bestimmte Tatsache zu verifizieren, unter dem Titel "Information" angeblich von S. gestellte und protokollarisch festgehaltene Fragen sowie die entsprechenden Antworten aufführten und schliesslich unter dem Titel "Belief" die vermeintlichen Schlussfolgerungen von S. erwähnten. Die Aktennotizen wurden, wie H. wusste, von S. anlässlich seiner Abhörung als Zeuge vor dem australischen Gericht als Gedankenstütze verwendet, und der Verteidiger von B. reichte sie zudem dem Gericht ein. Um eine Bewilligung für in derartiges Vorgehen war nicht nachgesucht worden.
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sprach H. am 27. März 1987 der verbotenen Handlung für einen fremden Staat schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 9. November 1987 eine von H. eingelegte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab.
C.- H. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an dieses zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1. Der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat macht sich gemäss Art. 271 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 114 IV 128 S. 130
Rechtsanwalt und Notar S. den von Dritten wahrgenommenen Sachverhalt durch deren Befragung selber abgeklärt, um später im Strafverfahren gegen B. vor einem ausländischen Gericht zu dessen Gunsten darüber als Zeuge aussagen zu können. Tatsachenermittlung durch Abhörung von Augen- bzw. Ohrenzeugen stelle aber nach schweizerischer Rechtsauffassung eine dem Richter vorbehaltene Beweiserhebung dar. Die urteilsmässige Erledigung angehobener Prozesse und damit die Rechtsverwirklichung liege im allgemeinen Staatsinteresse. Zu diesem Zweck in einem anderen Staat Beweise zu erheben, stelle somit ein Handeln im Interesse des fremden Staates und damit für diesen dar. Der Beschwerdeführer habe, insbesondere durch den Beizug von Rechtsanwalt und Notar S., zu diesem Tun wissentlich und willentlich Vorschub geleistet.
2. a) Der Beschwerdeführer behauptet, es liege hier gar keine einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung vor. b) Eine einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung im Sinne von Art. 271 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 114 IV 128 S. 131
nicht direkt, sondern nur durch den Richter oder Gerichtspräsidenten stellen (G. PIQUEREZ, a.a.O., N. 1100). Der Verweis des Beschwerdeführers auf das Kreuzverhör, in welchem die Parteien Beschuldigte und Zeugen befragen, ist unbehelflich; der Strafprozess ist - entgegen der amerikanischen Auffassung, welcher das Kreuz- oder Wechselverhör entspricht - nach schweizerischem Recht längst kein Parteienprozess mehr, das für Geschworenenprozesse in den Kantonen Zürich, Genf und Tessin verbliebene Relikt des Kreuzverhörs deshalb für schweizerische Verhältnisse in keiner Weise repräsentativ (R. HAUSER, a.a.O., S. 234 f.; G. PIQUEREZ, a.a.O., N. 1100 und 1101), ganz abgesehen davon, dass auch ein Kreuzverhör vor dem Gericht, also vor einer Behörde stattfindet. Es kann demnach nicht zweifelhaft sein, dass Einvernahmen für die Zwecke eines gerichtlichen Verfahrens ihrer Natur nach amtlicher Charakter zukommt; das wird allgemein anerkannt (THORMANN/V. OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, N. 5 zu Art. 271
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 114 IV 128 S. 132
Täter vorhandene Zwangsgewalt Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit bilden würde. S. hat, wie das Obergericht zutreffend erwägt, nicht bloss seine Einvernahme als Zeuge vorbereitet, sondern, um überhaupt aussagen zu können, zu diesem Zweck den ihm unbekannten Sachverhalt unter Mithilfe von B. wie ein Untersuchungsorgan durch mündliche Befragung der Zeugen selber abgeklärt; dies nach Feststellung des Obergerichts in der Absicht, die nicht zu dem von B. gewünschten Ergebnis führende rechtshilfeweise gerichtliche Einvernahme derselben zu umgehen. Er hat deshalb nicht eine bloss prozessvorbereitende, sondern eine staatlichen Organen zustehende Handlung vorgenommen, wie auch seine Abhörung durch das australische Gericht eine solche darstellte.
3. a) Auch der Einwand des Beschwerdeführers, es fehle am Tatbestandsmerkmal des Handelns für einen fremden Staat, verfängt nicht. b) Als für einen fremden Staat vorgenommen gilt nach Lehre und Rechtsprechung jegliche Tätigkeit in dessen bzw. seiner Behörden Interesse (E. HAFTER, a.a.O., S. 677; V. SCHWANDER, a.a.O., S. 483 Nr. 735; BGE 65 I 45 E. 2); dass der Täter im Auftrag des fremden Staates handeln, der fremde Staat seine Tätigkeit wollen müsse, wie der Beschwerdeführer meint, wird sowenig vorausgesetzt, als dass der Täter Beamter jenes Staates sein müsse (P. LOGOZ, a.a.O.; N. 3bb zu Art. 271
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 114 IV 128 S. 133
4. Das Obergericht legt dem Beschwerdeführer nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen nicht bloss zur Last, er habe S. mehrfach bezüglich Interpretationsfragen und Übersetzung Auskunft erteilt und die von diesem unter Mithilfe von B. verfassten Erklärungen durchgesehen, sondern vor allem, dass er ihn auf Wunsch von B. überhaupt für die verpönte Tätigkeit zugezogen, ihn B. dafür vermittelt habe. Er erleichterte dadurch die verbotene Handlung für einen fremden Staat auf schweizerischem Gebiet, leistete also Vorschub zu dieser. Was er tat lag entgegen seiner Bestreitung klar innerhalb des strafrechtlich relevanten; unter Vorschubleisten wird jedes irgendwie geartete, die strafbare Tätigkeit fördernde Verhalten verstanden, Beihilfe wie Vorbereitung, welches daher als vollendetes Delikt zu bestrafen ist (E. HAFTER, a.a.O., S. 678; P. LOGOZ, a.a.O., N. 3c zu Art. 271
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 271 - 1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
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1 | Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, |
2 | Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. |
3 | Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. |