114 II 404
78. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. November 1988 i.S. A. gegen Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Bürgerrecht der verheirateten Frau; Art. 161
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht.
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht.
- Art. 161
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht.
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht.
Regeste (fr):
- Droit de cité de la femme mariée; art. 161 CC et art. 8b tit.fin. CC.
- Les art. 161 CC et 8b tit.fin. CC ne se rapportent pas seulement aux droits de cité que la femme possédait avant son premier mariage, mais aussi à ceux qu'elle a acquis comme veuve ou comme femme divorcée par naturalisation. La femme peut même conserver un droit de cité cantonal et communal acquis par naturalisation pendant un précédent mariage, lorsqu'elle ne possède pas de droit de cité de célibataire au moment de son remariage.
Regesto (it):
- Cittadinanza della donna coniugata; art. 161 CC e art. 8b tit.fin. CC.
- L'art. 161 CC e l'art. 8b tit.fin. CC non si riferiscono soltanto alle cittadinanze che la donna possedeva prima del suo primo matrimonio, ma anche a quelle che essa ha acquistato per naturalizzazione quale vedova o divorziata. La donna può persino conservare una cittadinanza cantonale e comunale acquistata mediante naturalizzazione durante un matrimonio precedente, ove al momento delle nuove nozze non possieda la cittadinanza che aveva da nubile.
Sachverhalt ab Seite 404
BGE 114 II 404 S. 404
A.- M. A. erwarb nach Auflösung ihrer ersten Ehe durch Einbürgerung das Bürgerrecht der Gemeinde Riehen BS. Am 6. Mai 1988 ging sie mit R. B., Bürger von Rapperswil BE, eine zweite Ehe ein. In der Rubrik "Heimatorte der Frau nach der Eheschliessung" im Eheregister vermerkte der zuständige Zivilstandsbeamte nur den Heimatort des Mannes, ohne auch das von der Ehefrau erworbene Bürgerrecht der Gemeinde Riehen aufzuführen.
B.- Dagegen erhob M. A. beim Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt Beschwerde. Sie verlangte, dass ihr gestattet
BGE 114 II 404 S. 405
werde, nach ihrer zweiten Heirat das nach Auflösung der ersten Ehe durch Einbürgerung erworbene Bürgerrecht beizubehalten. Das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt wies die Beschwerde mit Entscheid vom 15. Juni 1988 ab.
C.- Mit Eingabe vom 12. Juli 1988 erklärte M. A. "Einspruch" gegen diesen Entscheid. Sie vertrat nach wie vor die Auffassung, dass ihr das Bürgerrecht der Gemeinde Riehen nach ihrer Wiederverheiratung zustehen sollte. Das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde abzuweisen und den angefochtenen Entscheid zu bestätigen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement verzichtet in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde auf einen ausdrücklichen Antrag. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Art. 161
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht. |
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BGE 114 II 404 S. 406
Das Justizdepartement gibt zwar zu, dass diese Auffassung, die mit jener des Zivilstandsamtes übereinstimmt, zu teilweise unbefriedigenden Konsequenzen führe, weil danach eine Frau, die ihr Bürgerrecht nach Auflösung einer ersten Ehe willentlich durch Einbürgerung erworben hat, dieses bei Eingehung einer weiteren Ehe verliert, während sie ihr "angestammtes" Bürgerrecht, zu dem sie möglicherweise keine oder weniger enge Beziehungen hat, behält bzw. wieder annehmen muss. Diese unter Umständen widersinnige Folge des neuen Rechts muss nach Auffassung der Vorinstanz aber aufgrund des unzweideutigen und daher nicht auslegungsbedürftigen Gesetzestextes in Kauf genommen werden. b) Dem kantonalen Justizdepartement ist beizupflichten, dass der Wortlaut von Art. 161
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht. |
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Gesetzesbestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen (BGE 110 Ib 61 E. b, BGE 108 V 240 E. b und BGE 105 II 138 E. a mit Hinweis). An einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende Behörde grundsätzlich gebunden. Indessen gilt dieser Grundsatz nicht unbeschränkt, da es möglich ist, dass der Wortlaut einer Norm nicht ihren wirklichen Sinn wiedergibt (BGE 103 Ia 117 mit Hinweisen). Eine Interpretation gegen den Wortlaut einer Bestimmung muss demnach zulässig sein, wenn auch nur in Ausnahmefällen (BGE 108 Ib 401). Bei der Auslegung einer zivilrechtlichen Norm, wozu Art. 161
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 161 - Jeder Ehegatte behält sein Kantons- und Gemeindebürgerrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
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1 | Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
2 | Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. |
3 | Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung. |
BGE 114 II 404 S. 407
Norm der Absicht des Gesetzgebers nicht zu entsprechen oder ist eine Bestimmung trotz ihres scheinbar klaren Wortlauts unklar, so ist nach dem wahren Sinn und Zweck der Norm zu suchen. Dieser wird sich in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Gesetzgebers ergeben. Vermögen indessen die Gesetzesmaterialien hierüber keinen hinreichenden Aufschluss zu erteilen, hat der Richter die wahre Tragweite der Norm zu ermitteln, wie sie sich aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen oder aus den dem Gesetzestext zugrundeliegenden Wertungen ergibt (BGE 101 Ia 207, BGE 104 II 14 und 52, BGE 105 II 138 E. a und BGE 108 V 240).
4. Dass im Zusammenhang mit der Revision des Eherechts auch Art. 161 aZGB abgeändert werden musste, war vor allem eine Folge der Bestrebungen um Gleichberechtigung der Geschlechter, die in Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes. |
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1 | Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes. |
2 | Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. |
3 | Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes. |
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1 | Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes. |
2 | Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. |
3 | Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen. |
BGE 114 II 404 S. 408
des neuen Verfassungsrechts die Bürgerrechtsgesetzgebung einer Überprüfung unterzogen werde (vgl. Amtl.Bull. NR 1983 S. 641 f.: Votum Petitpierre). Der Ständerat hatte vorerst beschlossen, der Ehefrau neben dem durch die Ehe erworbenen die bisherigen Bürgerrechte zu belassen (Amtl.Bull. StR 1981 S. 71). Diese Lösung hätte jedoch zu einer Anhäufung von Bürgerrechten geführt, wenn eine Frau mehrere Ehen eingeht, was verhindert werden wollte. Eine Minderheit der vorberatenden Kommission des Nationalrates folgte daher dem Vorschlag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, die Frau solle nur jene Bürgerrechte behalten können, die sie als ledig besass. Ein Antrag, der klargestellt hätte, dass die durch Einbürgerung erworbenen Bürgerrechte beibehalten werden, wurde von der nationalrätlichen Kommission nicht weiter verfolgt, weil sie der Meinung war, eine solche Klarstellung sei wegen der Verschiedenartigkeit der Sachverhalte kaum möglich; zudem könnten wegen der bevorstehenden Revision des Bürgerrechtsgesetzes nur vorübergehende Lösungen getroffen werden (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum Eherecht, N. 18 zu Art. 161
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1 | Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes. |
2 | Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. |
3 | Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen. |
5. Auch die Lehre hat sich schon verschiedentlich mit der Auslegung des neuen Art. 161
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BGE 114 II 404 S. 409
(Le nouveau droit matrimonial, S. 48) sind der Auffassung, Art. 161
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6. Der Entstehungsgeschichte von Art. 161
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BGE 114 II 404 S. 410
durch den Abschluss mehrerer Ehen erwirbt, ausgeschlossen werden wollte. Das Bundesgericht hat beim Entscheid, welche Auslegung dem Sinn und Zweck von Art. 161
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BGE 114 II 404 S. 411
hat. Dies aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und weil hier die Ehe als solche in den Hintergrund tritt (siehe auch den Entscheid der Waadtländer Zivilstandsbehörde in Zeitschrift für das Zivilstandswesen 1988 S. 174). Eine solche Lösung hat aber nicht nur den Wortlaut des Gesetzes gegen sich, sondern liesse sich in der Praxis auch kaum verwirklichen; denn nachträglich liesse sich oft nicht mehr feststellen, ob eine Einbürgerung der Frau während der Ehe aus eigenem Recht erfolgte oder nur, weil der Ehemann allein die entsprechenden Voraussetzungen erfüllte. Auch wäre es für den Zivilstandsbeamten unzumutbar, bei einer Wiederverheiratung der Frau die erforderliche Abklärung vorzunehmen. Diese Überlegungen führen dazu, einen Anspruch der Frau auf Beibehaltung ihrer während einer früheren Ehe durch Einbürgerung gewonnenen Bürgerrechte, die nicht ein Ledigenbürgerrecht ersetzten, zu verneinen.
7. Die Auslegung von Art. 161
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8. Im vorliegenden Fall war die Beschwerdeführerin ursprünglich eine Ausländerin, die auch in erster Ehe mit einem Ausländer verheiratet war. Wann sie Schweizerin geworden ist, ist den Akten nicht zu entnehmen. Hingegen steht fest, dass sie nach der Scheidung ihrer ersten Ehe das Bürgerrecht der Gemeinde Riehen BS erwarb. Dieses Bürgerrecht hat sie somit in unverheiratetem Zustand durch Einbürgerung erworben. Nach der vom Bundesgericht vorgenommenen Auslegung von Art. 161
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BGE 114 II 404 S. 412
als unverheiratete Frau erworben hätte, vorhanden gewesen wäre. An dessen Stelle hätte dann das im Zusammenhang mit der Ehe erworbene Kantons- und Gemeindebürgerrecht zu treten. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unter diesen Umständen gutzuheissen und der angefochtene Entscheid des kantonalen Justizdepartementes aufzuheben. Im Eheregister sind die beiden Bürgerrechte der Beschwerdeführerin, nämlich dasjenige von Rapperswil BE und dasjenige von Riehen BS, aufzuführen.